München führt auch im laufenden Jahr die Börsenliga Deutschlands an, weil dort viele namhafte Konzerne zuhause sind. Das kleine Walldorf folgt aber auf dem zweiten Platz. Während dessen rangieren Frankfurt, Ludwigshafen, Darmstadt und Wiesbaden unter ferner liefen. Sicher, die Rangliste ist eine Spielerei. Aber wer um die Außenwirkung von namhaften börsennotierten Unternehmen weiß fürs Image, der sieht das anders. Und die Effekte für den Stadtsäckel sind auch nicht zu unterschätzen.
Von Achim Preu
Leiter Wirtschaftsredaktion Südhessen
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DARMSTADT/MAINZ - München ist das Maß aller Dinge hierzulande. Nicht nur beim Fußball durch den FC Bayern oder bei der Zahl der Biergärten. Auch in der Börsenliga 2019, von der Beratungsfirma Simon-Kucher & Partners zusammengestellt, hält sich die bayerische Hauptstadt mit großem Abstand an der Spitze. Und das obwohl der Börsenwert per 16. Mai mit rund 296 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr (rund 309 Milliarden Euro) leicht gesunken ist.
Gleich hinter der Weltstadt mit Herz folgt freilich Provinz pur: die Rhein-Neckar-Stadt Walldorf – vielen mehr bekannt durch das dortige Autobahnkreuz. Aber natürlich auch durch SAP. Mit nur einem Unternehmen Platz zwei zu behaupten, das ist dem größten deutschen Softwarehaus, das weiter auf Wachstumskurs ist, mit einem Börsenwert von nunmehr 138,8 (2018: 121,9) Milliarden Euro erneut gelungen. Der höchstklassige Fußballklub dort ist Astoria Walldorf und spielt in Liga vier, der Regionalliga Südwest. Herz und Geld von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp haben eben bei der TSG Hoffenheim ihr Heimspiel. Dass die Darmstädter Software AG einst ein Zusammengehen mit SAP abgelehnt hat, daran will heute keiner mehr gerne erinnert werden.
Der Abstand Walldorfs zu München mit berücksichtigten 13 Unternehmen – darunter die Schwergewichte Siemens, Allianz und BMW – ist zwar kleiner geworden, aber immer noch riesig. Mit Walldorf kann andererseits Wolfsburg, Stadt des weltgrößten Autobauers VW und Heimat des Bundesligisten VfL, bei 75,4 (69) Milliarden nicht mithalten.
Bonn hat Rang drei verteidigt mit 106,5 (91,1) Milliarden, wofür die beiden Dax-Unternehmen Post und Telekom verantwortlich sind. Nur noch auf Platz 11 (8) findet sich Ludwigshafen wieder, wo mit BASF der größte Chemiekonzern der Welt als Solist gewertet wurde. Der Börsenwert freilich ging deutlich auf 58,6 (71,4) Milliarden zurück.
Der Blick aufs ökonomisch bärenstarke engere Rhein-Main-Gebiet dagegen ernüchtert eher. Die Bankenstadt Frankfurt behauptete sich auf Rang sechs, freilich ist das kein Verdienst von Deutsche Bank und Commerzbank, deren gesunkener Börsenwert auf die tiefe Krise dieser Institute einzahlt. Hinter der Deutschen Börse ist dagegen die Deutsche Wohnen – wen wundert’s angesichts des Immobilienbooms – am wertvollsten. Insgesamt stehen 75,1 (84,7) Milliarden bei sechs Unternehmen zu Buche. Darmstadt hat sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz von 20 auf 19 verbessert. Die Technologiefirma Isra Vision, die Software AG – gerade 50 geworden und damit ältestes Programmierhaus Deutschlands – sowie vor allem der Dax-Konzern Merck bringen hier gemeinsam 18,2 (16) Milliarden auf die Waage. Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden kommt nur noch auf 1,7 (8,9) Milliarden, weil der zweitgrößte Gabelstapler-Hersteller der Welt, die Firma Kion, nach Frankfurt umgezogen ist. Nunmehr hält die Aareal Bank allein die Fahne hoch: Rang 37 (26). Mainz hat in dieser Disziplin überhaupt nichts zu bieten, während Neubiberg Platz 18 belegt mit 20,7 Milliarden durch den Chiphersteller Infineon und Aschheim bei München durch den Zahlungsdienstleister Wirecard mit 17,1 Milliarden Rang 20. Oder Holzminden Platz 24 mit 11,5 Milliarden durch den Duft- und Essenzenhersteller Symrise, Wettbewerber der verschlossenen Darmstädter Döhler-Gruppe auf diesem Markt mit seinem Angebots-Oligopol.
Ganz nebenbei: Die Bundeshauptstadt Berlin ist weiter Sechzehnter, habe aber Potenzial schnell aufzusteigen, wie es bei Simon-Kucher heißt. Denn die digitale Welt ist nun mal rasch skalierbar. Dahinter stehen neben Axel Springer Namen wie Zalando, Delivery Hero und Rocket Internet.
Berücksichtigt wurden bei der Rangliste alle Unternehmen, die im Dax, M-Dax und Tec-Dax gelistet sind. Die Daten wurden am 16. Mai bei finanzen.net abgerufen.
Die Börsenliga 2019 zeigt deutlich, dass der Süden weiter das Schwergewicht der deutschen Wirtschaft darstellt. Neun Städte kommen auf einen Gesamtwert von knapp 740 Milliarden Euro. „München als Wirtschaftshochburg wird auch in den kommenden Jahren weiterhin Bestand haben. Hervorragende Hochschulen, gut ausgebildete Talente, starke Unternehmen, eine attraktive Stadt und die pragmatische, zielorientierte Wirtschaftspolitik Bayerns sind die Zutaten für diesen dauerhaften Erfolg“, so Dr. Georg Tacke, CEO von Simon-Kucher.
Eine positive wirtschaftliche Entwicklung zeigt sich aber auch in Nordrhein-Westfalen: Mit Bonn, Essen, Düsseldorf, Leverkusen und Bochum schafft es das Bundesland auf einen gemeinsamen Börsenwert von rund 353 Milliarden. „Die Neuausrichtung der alteingesessenen Unternehmen hin zu Digitalisierung, neuen Technologien und neuen Energien wird auch in den nächsten Jahren weiter für einen wirtschaftlichen Aufschwung der Region sorgen“, so Tacke weiter.
Essen bemerkenswert, aber Köln enttäuschend
Bemerkenswert ist die Entwicklung von Essen: Die Großstadt im Ruhrgebiet konnte die Anzahl der Dax-Unternehmen innerhalb der Stadtmauern binnen drei Jahren fast verdoppeln. Durch den Zuzug des Chemie-Handelsriesen Brenntag beherbergt man nun sieben Dax-Adressen und belegt mit einem Wert von rund 91,7 Milliarden Platz vier. Darunter befindet sich auch der im M-Dax gelistete Spezialchemiekonzern Evonik, der in Darmstadt stark vertreten ist, auch wenn er sich vom Plexiglasgeschäft und dem Werk Worms mit 1000 Arbeitsplätzen trennt. Das geht für drei Milliarden an den Finanzinvestor Advent.
Lediglich Köln passt nicht zum positiven NRW-Bild. Es ist die einzige Millionenstadt Deutschlands, die nicht in den Top-20 der Börsenliga vertreten ist – ein Zustand, der sich ändern müsse, denn ohne starke Unternehmen habe eine Großstadt keine Perspektive, heißt es. Sichtbarkeit und Image der jeweiligen Kommune werden dadurch zweifellos gestärkt. Und meist freut sich auch der Stadtkämmerer.
