Sprit- und Heizölpreise steigen und steigen: Wie hoch denn noch?
Die Fahrt zur Zapfsäule wird zum Horrortrip, die Heizölrechnung sorgt für Schwindelattacken. Die Schuld dafür schieben sich Donald Trump und die Opec gegenseitig in die Schuhe.
Von Ralf Heidenreich
Leiter Redaktion Wirtschaft
Vor einigen Monaten noch waren die Kraftstoffpreise wegen Corona extrem niedrig. Doch mittlerweile kennen die Preise für Benzin und Diesel nur noch eine Richtung.
(Symbolfoto: dpa)
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REGION - Bei der Fahrt zur Tankstelle traut man sich schon nicht mehr, auf die Anzeigentafel zu schauen. Und die nächste Heizöllieferung dürfte für Schwindelattacken sorgen. Denn so viel wie derzeit mussten Verbraucher für Sprit und Heizöl schon seit Jahren nicht mehr hinblättern. Die Preise steigen und steigen, Entspannung ist nicht in Sicht.
Nach Angaben des Messgeräte-Herstellers Tecson durchbrach der deutschlandweite Bruttodurchschnittspreis für 100 Liter Heizöl (bei Abnahme von 3000 Litern) die 80-Euro-Marke. Anfang August waren es noch knapp 69 Cent. In der Region ist die neue Höhe schon länger gerissen worden. An der Frankfurter Börse notierte Heizöl am Freitag für die genannte Abnahmemenge in einer Spanne von 83,18 bis 86,75 Euro pro 100 Liter. Für viele Kunden wird es ein böses Erwachen geben. Zwar legten die Bestellungen im September nach Branchenangaben um einiges zu, aber während des Sommers hatten die Besitzer von Öl-Heizungen fast nichts geordert. In der Branche sprach man zum Teil schon vom einem „Käufer-Streik“. Viele hofften auf eine Trendwende.
Tanken so teuer wie seit vier Jahren nicht mehr
Diese Hoffnung hat sich auch an den Zapfsäulen nicht erfüllt. Zwischenzeitlich ging es zwar ein wenig rückwärts, doch der Trend zeigt weiter nach oben. Dem ADAC fallen schon keine Superlative mehr ein. Mitte September gab er eine Meldung raus mit der Schlagzeile: „Tanken so teuer wie seit vier Jahren nicht mehr.“ Anfang Oktober wurde das Preisniveau von Mitte September noch übertroffen. „Dieselpreis erreicht Jahreshoch“, lautete die Überschrift. Im bundesweiten Schnitt durchbrach der Preis für einen Liter Super E10 Anfang Oktober die Marke von 1,50 Euro. Diesel lag bundesweit zum Stichtag bei 1,354 Euro.
Russland legt Spritpreise fest
Man kann es so machen wie Russland: Dort legt der Staat die Grenze für den Anstieg der Spritpreise fest. Die Regierung hält es für ausgeschlossen, dass dieses Jahr noch etwas draufgeschlagen wird; die obere Grenze sei bereits festgelegt worden. Am 1. Oktober kostete ein Liter Benzin in Russland maximal 45,40 Rubel, das sind 59 Cent. In Deutschland hingegen bleibt den Autofahrern nichts anderes übrig, als dem Rat des ADAC zu folgen: Man soll preisbewusst tanken. Zwischen 15 und 17 Uhr sowie zwischen 19 und 22 Uhr seien die Spritpreise in der Regel am niedrigsten.
Auch in der Region zogen die Preise stark an. In Wiesbaden zum Beispiel kostete ein Liter Diesel am Freitag (Stand 18 Uhr) zwischen rund 1,34 und 1,36 Euro, Super E10 gab es für 1,46 bis 1,48 Euro. In Mainz wurden für Diesel am Freitagabend zwischen 1,32 bis 1,36 Euro je Liter fällig, für Super E10 rund 1,47 bis 1,48 Euro. Ähnliche Diesel-Preise hat Gießen, Super E10 kostete dort in der Spitze 1,50 Euro. Darmstadt liegt über dem bundesweiten Durchschnitt. Die Spanne bewegte sich dort am Freitagabend bei Super E10 zwischen rund 1,52 und 1,54 Euro. Diesel kostete von 1,36 bis 1,39 Euro. Die Werte sind nicht mehr weit entfernt von den Höchstständen des Jahres 2012, als im bundesweiten Jahresdurchschnitt der Liter Super E10 knapp 1,65 Euro kostete.
Hintergrund ist der Höhenflug des Rohölpreises. Am Freitag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund 84,50 US-Dollar, ein neues Vierjahreshoch. Und das ist offenbar noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Worüber viele Analysten zunächst nur spekuliert haben, wird nun offen von Marktteilnehmern ausgesprochen. So hält Russlands Energieminister Alexander Nowak einen Anstieg der Rohölpreise auf 100 Dollar noch in diesem Herbst für denkbar. Das wäre fast das Doppelte wie vor einem Jahr. „Der Markt ist sehr nervös und sehr emotional“, sagte Nowak. Russland ist der Hauptlieferant für den deutschen Markt.
Nowak macht die „angespannte Angebotslage“ auf dem Rohölmarkt für den Höhenflug verantwortlich. Dies führt ein wenig in die Irre, denn Öl gibt es auf dem Planeten noch reichlich. Vielmehr geht es wieder einmal um politische Interessen. Donald Trump, Iran und Opec heißen die Protagonisten.
Die Angst vor der Blockade der Straße von Hormus
Es ist ein paar Jährchen her, dass der Rohölpreis in Regionen jenseits der 100 US-Dollar vorstieß. 2011 stieg er auf über 125 US-Dollar, als in Libyen der Krieg begann und die Ölförderung aus dem Land von 1,6 Millionen Barrel pro Tag zum Erliegen kam. Die Konditionen für Sprit und Heizöl kletterten seinerzeit auch danach noch weiter (siehe Grafik), weil Anfang 2012 die Spannungen zwischen dem Iran und westlichen Ländern wegen des iranischen Atomprogramms zunahmen. Damals wuchs am Markt die Sorge, dass der Golfstaat die Straße von Hormus sperren könnte. Durch die Meerenge am persischen Golf werden pro Tag 16 Millionen Barrel und damit große Teile des gehandelten Öls transportiert. Und genau vor dieser Situation stehen wir heute wieder.
Aktuell steigt der Rohölpreis auch deshalb so stark, weil das Opec-Mitglied Venezuela in einer schweren Krise steckt. Wegen Korruption, Misswirtschaft und verschleppter Investitionen in Technologie und Fachwissen hat sich die Erdölproduktion in Venezuela mehr als halbiert. Doch am Ende ist es Machtpolitik, die den entscheidenden Ausschlag gibt.
Die Befürchtungen der Marktteilnehmer sind bereits zum Teil eingetreten. Im Vorgriff auf weitere US-Sanktionen gegen den Iran Anfang November, die die Öllieferungen aus dem Golfstaat gen Null drücken sollen, verkauft der Iran bereits weniger des schwarzen Goldes. Nun droht man erneut mit der Blockade der Straße von Hormus. „Wenn sie den iranischen Ölexport stoppen wollen, lassen wir keine Öllieferung durch die Straße von Hormus laufen“, erklärte ein Regierungsvertreter Irans.
“Donald Trump zettelt fossile Energiekriege an”
Nach Ansicht von Claudia Kemfert, Leiterin der Energieabteilung beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zettelt US-Präsident Donald Trump „fossile Energiekriege“ an. Die USA hätten „ein hohes Interesse daran, ihre Machtinteressen auf den Ölmärkten durchzusetzen, um ihre eigenen Förderungen zu hohen Preisen zu verkaufen und Fracking-Öl aus den USA wirtschaftlich zu machen“, sagte die Professorin für Energieökonomie. Auch für Russland und Saudi-Arabien sitzt der Übeltäter in den USA. „Donald, wenn du den Schuldigen finden willst, musst du in den Spiegel schauen“, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin in Richtung des US-Präsidenten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn eine tragende Rolle spielt auch die Organisation erdölexportierender Länder (Opec).
Der Opec gehören Staaten vor allem aus dem Nahen Osten und Afrika an. 2016 legten sie den Grundstein für Förderkürzungen, mit denen sie den Ölpreis aus seiner Depression bei unter 30 Dollar pro Barrel holten. Vor zwei Wochen traf man sich erneut in Algier, der Druck war groß. Offiziell wettert Trump gegen teures Öl. „Wir schützen die Länder des Nahen Ostens, und dennoch setzen sie sich immer weiter für höhere Ölpreise ein“, twitterte er.
Die Opec ließ das kalt. Sie unternahm keine Schritte, ihr Angebot auszuweiten. Das „Joint Ministerial Monitoring Committee“ der Organisation zeigte sich zufrieden mit der Marktlage. Es bestehe eine „gesunde Balance zwischen Angebot und Nachfrage“. Doch angesichts der wachsenden Probleme auf dem Ölmarkt reagieren nun Russland und Saudi-Arabien. Die beiden Länder pumpen derzeit täglich rund eine Million Barrel Öl extra in die Pipelines, um die Ausfälle aus Venezuela und dem Iran zumindest teilweise aufzufangen. Und verdienen daran bombig.
Wie geht es längerfristig weiter? Genaue Prognosen sind schwierig, weil auch die Spekulanten ein Wort mitreden. „Es ist zu erwarten, dass die starken Ölpreis-Schwankungen anhalten werden, solange die geopolitischen Spannungen bestehen bleiben“, sagte Energieökonomin Kemfert. Der Ölkonzern BP hält es für möglich, dass Trump selbst mit seinem Handelskrieg gegen China und andere Staaten die Trendwende einleitet. Diese Auseinandersetzungen könnten nämlich zu einem weltweiten „Nachfrageschock“ führen, der dem Höhenflug des Ölpreises ein Ende setze.