Interview: MAN-Vorstand Joachim Drees glaubt an Elektromobilität
MAN-Chef Joachim Drees: „Wer einmal mit Trucks gearbeitet hat, der liebt sie.“ Foto: Sascha Kopp
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MAINZ - Welche Rolle spielt der Elektroantrieb künftig bei Nutzfahrzeugen? Wir sprachen darüber mit MAN-Vorstandschef Joachim Drees.
Herr Drees, bei Ihrem Amtsantritt bei MAN galt Ihr Job als Himmelfahrtskommando. Jetzt haben Sie schon 1026 Tage. Chapeau…
Naja, Himmelfahrtskommando ist dann doch recht übertrieben. Es ist eine tolle Aufgabe, ein tolles Unternehmen und es sind tolle Menschen. Und wer einmal mit Trucks gearbeitet hat, der liebt sie. Sie sind halt ein hochemotionales Produkt.
Warum haben sich Ihre Vorgänger nicht so lange halten können?
Über Vorgänger möchte ich nicht reden. Aber MAN wurde in der Öffentlichkeit als Marke lange nicht ausreichend wahrgenommen. Dann gab es 2009 das Compliance-Thema bei MAN (eine große Schmiergeldaffäre, d. Red.), was dazu geführt hat, dass der komplette Vorstand ausgetauscht wurde. Es folgte die Übernahme durch VW und dadurch bekamen wir auch ein neues Schwesterunternehmen, Scania. Es gab immer wieder große Veränderungen. Und auch die wirtschaftliche Performance war nicht auf dem gewünschten Niveau.
ZUR PERSON
Joachim Drees (53) ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender von MAN SE und MAN Truck & Bus. Der studierte Betriebswirt war unter anderem in Führungspositionen bei Daimler Truck und Mercedes-Benz Lkw sowie von 2012 bis 2015 als Finanzvorstand bei der Drees & Sommer AG tätig.
Mit der Klagewelle der Deutschen Umwelthilfe ist der Ruf nach Alternativen zum Diesel lauter geworden. Was kann die Nutzfahrzeugindustrie leisten?
Zunächst einmal ist mir wichtig: Als Hersteller von Lkw und Bussen verstehen wir uns als Teil der Lösung und nicht des Problems. Was der Dieseltechnologie da von der einen oder anderen Seite unterstellt wird, ist ja nicht richtig. Auf den Lkw-Diesel bezogen schon mal gar nicht. Unsere modernen Euro-6-Lkw sind die saubersten Dieselfahrzeuge, die es gibt.
Eine schnelle Durchsetzung des Marktes mit Lkw, die die Euro-6-Norm erfüllen, wäre wichtig. Wie kommen Sie da voran?
Wir verkaufen in Europa jährlich knapp 60 000 Lkw, da braucht der Durchsatz mit Euro 6 seine Zeit. Vor allem im örtlichen Verteilerverkehr, wo die Fahrzeuge nur eine geringe Kilometerleistung aufweisen und entsprechend später ersetzt werden. Bei Lkw für den Fernverkehr kann das natürlich schneller gehen, vielleicht in fünf bis sechs Jahren. Im Busbereich könnten mehr Euro-6-Fahrzeuge einen schnellen Beitrag zur Stickoxid-Reduzierung leisten.
Thema Kohlendioxid: Bei Pkw gibt es künftig schärfere CO2-Grenzwerte. Für Lkw gibt es solche Vorgaben nicht. Warum?
Der Treiber zur Verringerung des CO2-Ausstoßes ist bei Lkw ein ganz anderer: nämlich unsere Kunden, die ja alle selbst Unternehmer sind. 30 Prozent der Kosten eines Lkw entfallen auf den Sprit, ein geringer Kraftstoffverbrauch ist ein Wettbewerbsvorteil. Die Industrie ist also von sich selbst getrieben.
Also brauchen Lkw gar keine CO2-Grenzwerte …
Ich habe Verständnis dafür, dass die Politik hier Grenzwerte anstrebt. Und wir verschließen uns dem auch gar nicht. Aber wir sagen auch: Es ist ja in unserem eigenen Interesse, den Verbrauch immer weiter zu senken. Lasst uns daher etwas Vernünftiges machen, das erreichbar ist. Ich plädiere hier für einen integrierten Ansatz, bei dem nicht nur isoliert der Lkw betrachtet wird, sondern auch Anhänger und Infrastruktur berücksichtigt werden.
Welche Rolle wird E-Mobilität im Nutzfahrzeugbereich spielen?
Am Ende wird es ein Mix sein. Nur auf einen Antrieb zu setzen, funktioniert nicht. Im städtischen Personennahverkehr ist E-Mobilität wirklich sinnvoll. Hier wird langfristig rein elektrisch gefahren, davon bin ich überzeugt. Mit der richtigen Infrastruktur können die Busse nachts im Depot geladen werden und tagsüber auf die Strecke gehen. Auch im städtischen Lkw-Verteilerverkehr sehe ich großes Potenzial – von leichten Transportern bis hin zu mittelschweren Lkw bis 22 Tonnen.
Was ist mit dem 40-Tonner? Ist eine Elektrifizierung hier überhaupt realisierbar?
An den batterie-elektrischen 40-Tonner für den Fernverkehr glaube ich nicht. Wir müssten in den Lkw eine sieben Tonnen schwere Batterie einbauen, was die Nutzlast einfach zu stark reduzieren würde. Ich glaube fest daran, dass der Diesel-Motor hier langfristig die nötige CO2-Minderung bringt. Auch in Verbindung mit E-Fuels. Das sind synthetische Kraftstoffe, die aus durch Elektrolyse gewonnenem Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden. Vorzugsweise natürlich mithilfe regenerativer Energie.
Mit welcher Nachfrage nach Elektro-Lkw rechnen Sie?
Da gibt es verschiedenste Szenarien. Vielleicht werden es in Europa bis 2022/23 rund 5000 E-Lkw sein, vielleicht nur 3000. Es ist ungemein schwierig, das vorauszusagen. Wir gehen davon aus, dass 2023 bis 2025 die Lebenszyklus-Kosten für einen mittelschweren E-Lkw ähnlich denen eines vergleichbaren Diesel-Lkw sein werden. Dann wird der Markt sicher anziehen. Aktuell ist die Nachfrage noch relativ verhalten. Entscheidend ist: Die Kunden müssen mit ihren Fahrzeugen Geld verdienen können. Ansonsten werden sie nicht umsteigen.
Wie sieht die Bus-Nachfrage aus?
Die großen Bestellungen von 100 bis 200 Stück kommen jetzt so langsam. Ich glaube, dass europäische Städte 2025 fast nur noch E-Busse bestellen werden.
Ihr Mutterkonzern VW ist durch den Diesel-Skandal in die Schlagzeilen geraten. Wo hat das bei MAN Spuren hinterlassen?
Als Lkw-Hersteller sind wir davon nicht direkt betroffen. Aber natürlich hat dadurch das Image des Dieselmotors insgesamt gelitten. Das hat dazu geführt, dass die E-Mobilität auch bei uns stärker in den Vordergrund gerückt ist. Ich sehe das als Chance.
Das Interview führten Friedrich Roeingh, Michael Bermeitinger und Ralf Heidenreich.