Diesel-Fahrverbot: Kommunen in der Region sind stinksauer
Von Ralf Heidenreich und Roland Böhm
Viele Diesefahrzeuge stoßen wesentlich mehr Schadstoffe aus, als die Autohersteller angeben. Foto: dpa
( Foto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
WIESBADEN/MAINZ/DARMSTADT - In den Kommunen ist man sauer auf die Bundesregierung. Stinksauer. Läuft alles so wie gemeinhin befürchtet, werden Städte, in denen die Grenzwerte für die gefährlichen Stickoxide dauerhaft und deutlich überschritten werden, Verbotszonen für ältere Diesel einrichten müssen – obwohl sie das gar nicht wollen. „Wir müssen dann ausbaden, was von der Bundesregierung nicht geregelt worden ist“, sagt beispielsweise die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder. Denn Beschwerden und Unmut der Bevölkerung laufen im Fall der Fälle bei den zuständigen Stellen der Kommunen auf.
Vage Versprechen reichen Gericht nicht aus
Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart gegen das Land Baden-Württemberg sind Fahrverbote wahrscheinlicher geworden, davon ist man auch in Städten der Region überzeugt, die ebenfalls mit Klagen der Deutschen Umwelthilfe zu kämpfen haben. Denn die Entscheidung des Stuttgarter Richters Wolfgang Kern war klar und eindeutig: All die Millionen haben ihn letztlich nicht überzeugt. Drei Millionen Diesel-Fahrzeuge rüstet Daimler nach, um deren Schadstoffausstoß zu senken. Volkswagen gar vier Millionen. Auch BMW und Audi haben Nachbesserungen an ihren Dieseln angekündigt. Aber Kern blieb hart. Vage Versprechen einer nicht näher definierten Autoindustrie allein reichen dem Juristen nicht aus, um die chronisch schlechte Luft im Talkessel der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu verbessern.
Die geplanten Software-Updates, die beim nationalen Diesel-Gipfel am 2. August festgeklopft werden sollen, seien kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luft, argumentierte Kern am Freitag. Und er wurde deutlich: Der Gesundheitsschutz in der Stadt sei höher zu bewerten als die Interessen der Diesel-Fahrer. Das Land muss seinen Plan zur Luftreinhaltung in Stuttgart erheblich nachbessern. Die Frage der Unverhältnismäßigkeit von Fahrverboten ist eines der zentralen Argumente der Autoindustrie in der Debatte. Der Richter sieht in puncto Verhältnismäßigkeit allerdings kein Problem. Offiziell will man in den Städten den Teufel nicht an die Wand malen und gibt sich zuversichtlich. Beispielhaft steht hier die Stadt Wiesbaden. „Natürlich sehen auch wir die Möglichkeit, dass der Worst Case eintritt. Aber wir hoffen nach wie vor, dass es nicht dazu kommt. Denn wir tun alles, um möglichst schnell Maßnahmen zur ergreifen, die ein Fahrverbot verhindern“, sagt Jutta Braun, die Leiterin des Wiesbadener Umweltamtes.
STUTTGARTER RICHTER VERSUS BUNDESVERKEHRSMINISTER
Auf das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts blicken sämtliche Städte, die Probleme mit zu hohen Stickoxidwerten haben. Und das sind viele. Verwaltungsrichter Wolfgang Kern ließ am Freitag jedenfalls keinen Zweifel daran, dass seiner Ansicht nach ein ganzjähriges Verkehrsverbot für ältere Diesel die effektivste und derzeit einzige Maßnahme zur Einhaltung der oftmals erheblich überschrittenen Emissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid wäre. Komme das Land Baden-Württemberg der gesetzlichen Vorgabe – einer „schnellstmöglichen Einhaltung“ der Grenzwerte – nach, müsste das Verbot zum 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden. Unklar ist jedoch die Art der Umsetzung. Zur Not müsse das Land Zusatzschilder zur Umweltzone selbst gestalten, so der Richter.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt setzt ungeachtet des Stuttgarter Urteils auf Abgas-Nachbesserungen bei Diesel-Autos. Wenn man die Möglichkeit habe, schnell an der Quelle den Ausstoß von Stickoxiden zu reduzieren, spreche kein Argument dafür, es nicht zu tun, sagte er. Bisherige Erfahrungen mit verschiedenen Herstellern hätten gezeigt, dass mit solchen Software-Updates erhebliche Stickoxid-Einsparungen zu erreichen seien.
Eines der größten Probleme ist der Zeitdruck
Das Problem nicht nur von Wiesbaden ist allerdings der Zeitdruck. Denn sollten die ausstehenden Urteile die Städte in der Konsequenz dazu verpflichten, die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten, muss alles sehr schnell gehen (siehe Info-Kasten).
Auch in Darmstadt, Mainz und Frankfurt will man zunächst die schriftliche Urteilsbegründung des Stuttgarter Richterspruchs abwarten – und sich erst dann genauer zu den konkreten Konsequenzen für die Verfahren, die die eigenen Städte betreffen, äußern. Aber die Gefahr des Fahrverbots sehen sie alle. Der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch wird deutlich: Das Urteil mache klar, „dass die Notwendigkeit für ein Fahrverbot von Diesel-Fahrzeugen zum Wohle der Umwelt und der Gesundheit der Menschen immer näher rückt. Die Notwendigkeit dafür liegt jedoch nicht an der Untätigkeit der Städte oder ihrer Bürger in diesem Bereich, sondern an der Automobilindustrie“.
Und sollte der Worst Case eintreten, stehen die Städte vor einem Dilemma: Wie ein Fahrverbot umsetzen, wie überwachen und durchsetzen? „Wir haben nichts, an dem wir uns orientieren können“, sagt die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder und wirft der Bundesregierung Untätigkeit vor.