Wie Biontech Verteilungskämpfe um Impfstoffe beenden will

aus Coronavirus-Pandemie

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Biontech-Produktionsvorstand Sierk Poetting. Foto: Sascha Kopp
© Sascha Kopp

Was am bahnbrechenden Konzept der verschiffbaren Container-Fabriken von Biontech besonders ist und warum Afrika schnell von der mobilen Corona-Impfstoffproduktion profitieren kann.

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MARBURG. Biontech will unter anderem mit verschiffbaren Containern, in denen komplette Produktionslinien für Corona- und andere Impfstoff auf Basis von mRNA untergebracht sind, Afrika schnell und einfach Zugang zu Biontech-Präparaten ermöglichen. Über das bahnbrechende Projekt sprachen wir mit Produktionsvorstand Sierk Poetting.

Herr Poetting, wann geht es los? Wann werden die ersten Container verschifft? Wir sprechen gerade mit drei Ländern - Senegal, Ruanda und Südafrika – über eine Lieferung und werden jetzt bald das erste Land festlegen. Im zweiten Quartal wollen wir dann den ersten Spatenstich machen, um dort die notwendige Halle zu bauen. Ende des Jahres soll der erste Container in der Halle stehen.

Gibt es schon weitere Bestellungen? Es gibt noch weitere Länder in Afrika, die unser System haben möchten. Die ersten drei Länder sind sozusagen eine Auswahl, die wir auf Empfehlung der Africa CDC (deutsch: Afrikanische Zentren für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen, d. Red.) getroffen haben. Das sind jene Länder, die technisch am weitesten und am besten vorbereitet sind.

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Wie viele Container-Produktionsstätten werden Sie in den nächsten Jahren ausliefern? Unser Ziel ist, in diesem Jahr das erste afrikanische Land mit unserer Container-Lösung bestückt zu haben und dann nächstes Jahr an weitere Länder auszuliefern. Ein größeres Rollout des Systems ist dann für das folgende Jahr geplant.

Wie viel hat Biontech in das neue System investiert? Dazu möchten wir uns nicht äußern. Aber eine herkömmliche mRNA-Fabrik kostet circa 100 Millionen Euro. Sie kann dann noch ausgebaut werden. Das Container-System ist natürlich günstiger. Aber auch dieses System verfügt über die neueste Reinraum-Technik.

Erklären Sie uns, warum Biontech ganze Produktionslinien verschickt anstatt abgefüllte Impfstoff-Fläschchen. Wir haben in dieser Pandemie gelernt, dass es sehr wichtig ist, lokal produzieren zu können. Verteilungskämpfe, wie wir sie jetzt erleben, hat es immer gegeben und wird es wahrscheinlich auch künftig geben. Um das zu durchbrechen, muss man nach Afrika gehen und dort lokale Produktion ermöglichen. Mit unserem System geht das sehr schnell und skalierbar. Mit einer Container-Einheit lassen sich zirka 50 Millionen Impfstoff Dosen pro Jahr produzieren. Zudem lässt sich die Container-Lösung beliebig erweitern: Einfach ein zweites System draufsetzen, dann hat man die doppelte Impfstoffmenge. Auch gewinnt man mit unserem System Zeit. So kann bereits während der Fertigung der Container die Halle errichtet werden, in die die Container gestellt werden.

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Welche Herausforderungen waren für das Projekt zu bewältigen? Wie bekommt man eine ganze Produktionslinie in Schiffscontainer? Mit herkömmlicher Biotechnologie hätten wir ein solches modulares System gar nicht umsetzen können. Erst die mRNA-Technologie hat das möglich gemacht. mRNA ist kompakt und lässt sich auf kleinem Raum produzieren. Wir haben mit der Entwicklung des Container-Systems vor etwas mehr als einem Jahr angefangen. Die Bauzeit für den Prototyp betrug rund fünf Monate, die Halle haben wir in dreieinhalb Monaten hochgezogen. In Zukunft wird das noch schneller gehen.

Das Modell eines „Biontainers“ von Biontech.    Foto: Sascha Kopp
Das Modell eines „Biontainers“ von Biontech.
© Sascha Kopp

Die Verschiffung von ganzen Produktionslinie: Gab es schon mal etwas Vergleichbares? Es gibt zum Beispiel Produktionsstätten in Fertigbauweise. Aber dass komplette Produktionslinien in Schiffscontainern verschickt werden, gibt es unseres Erachtens in dieser Form noch nicht. Und vor allen Dingen nicht für die Mengen von Impfstoff, die darin produziert werden können. Zudem können mit diesem System die verschiedensten Impfstoffe hergestellt werden – etwa gegen Malaria, Tuberkulose oder gegen Krebs. Es handelt sich ja im Grunde genommen um eine Fabrik für mRNA, die für verschiedenste Impfstoffe genutzt werden kann.