Nachrücker David Nalbandian gewinnt ohne Vorbereitung 2005 sensationell den Tennis Masters Cup in Schanghai.
. Von Björn-Christian Schüßler
Was haben die dänische Fußball-Nationalmannschaft und der argentinische Tennisspieler David Nalbandian gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Und doch erlebten beide ihren größten Erfolg, als sie ihn eigentlich schon längst abgehakt hatten. Nach dem EM-Ausschluss Jugoslawiens rückten die Skandinavier 1992 unverhofft aus dem Urlaub direkt zum Endrundenturnier – und feierten sensationell den Titel. Auch der Argentinier saß 2005 quasi schon im Flieger in die Heimat, als der Anruf der ATP kam: Nach den verletzungsbedingten Absagen von Rafael Nadal, Andy Roddick und Lleyton Hewitt sollte die Nummer zwölf der Welt nun doch das Tennisjahr auf dem Court beschließen.
Gänzlich ohne Vorbereitung tauchte Nalbandian in Schanghai auf, konnte sich lediglich mit einem chinesischen Sparringspartner ein bisschen einspielen. Sein Coach reiste verspätet an, bekam die Auftaktpleite gegen Topfavorit Roger Federer nur erzählt. Zwei Erfolge gegen Landsmann Guillermo Coria und den kroatischen Nachrücker Ivan Ljubicic spülten den 23-jährigen Fasturlauber jedoch ins Halbfinale der ATP Finals, die vor 15 Jahren noch Tennis Masters Cup hießen. Nalbandian hatte nichts zu verlieren, auch nicht gegen Nikolaj Dawidenko aus Russland, den er 6:0, 7:5 abfertigte.
Aus dem Urlaub ins Finale – eine unglaubliche Geschichte. Die für den Argentinier nicht zu Ende war. Im Finale wartete eine Achterbahn der Gefühle, erneut gegen Federer. Der Schweizer hatte 24 Turniersiegen in Folge im Gepäck. Und es sah wenig danach aus, dass der 25. an diesem 20. November 2005 nicht dazukäme. 7:6, 7:6 legte Federer vor. Nachdem der Branchenprimus sein Halbfinale „zu Null“ gewonnen hatte, glaubte in Schanghai niemand mehr an den Außenseiter. Doch genau das machte Nalbandian in seiner Karriere immer stark – Aussichtslosigkeit.
Federer war mit einer Knöchelverletzung nach China gereist, die sich nun immer stärker bemerkbar machte, während der Argentinier einfach solide Bälle zurückspielte und davon zog. 6:2, 6:1, 4:0. Die Sensation bahnte sich an. Doch Federer biss auf die Zähne, glich aus, holte das Break zum 6:5, ging 30:0 in Führung. Zwei einfache Fehler des Favoriten holten Nalbandian nach mehr als 4,5 Stunden zurück, der Tiebreak war dann deutlich – und die Tenniswelt um eine erzählenswerte Geschichte reicher. Nicht nur in Dänemark.