„Sechs Minuten des Wahnsinns“

aus Zeit-Lupe

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Torschützen unter sich: Am Ende hatte Luis Garcia (rechts) mehr Grund zum Jubeln als Milans Paolo Maldini.Archivfoto: dpa
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20 Jahre nach Heysel ist der FC Liverpool 2005 zurück auf dem Europacup-Thron – dank einer irren Aufholjagd im Champions-League-Finale gegen den AC Mailand.

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. Von Ulrich Gerecke

„Wenn du Fünfjährige und 90-Jährige siehst, die Tränen in den Augen haben, sind das Momente, die du nie vergessen wirst“, hat Dietmar Hamann vor ein paar Tagen auf der Internetseite der Uefa gebeichtet. An dem von ihm beschriebenen, generationenübergreifenden Freudenheulen war Hamann entscheidend beteiligt. Mit dem deutschen Nationalspieler kam die Wende im verrücktesten Champions-League-Finale aller Zeiten. Und die Wiederauferstehung eines mythischen Fußballklubs.

Hamanns FC Liverpool ist am 25. Mai 2005 in Istanbul krasser Außenseiter. Der AC Mailand hat in den 1990er und 2000er Jahren eine Weltauswahl geformt, die wie eine Maschine alle Gegner seziert. So eine Mannschaft gibt keinen 3:0-Vorsprung aus der Hand. Deshalb scheint das Finale zur Pause nach Toren von Paolo Maldini und zweimal Hernan Crespo entschieden.

Dann wird Hamann eingewechselt und das Wunder nimmt seinen Lauf: Innerhalb von „sechs Minuten des Wahnsinns“ (Milan-Trainer Carlo Ancelotti) machen Steven Gerrard, Vladimir Smicer und Luis Garcia aus dem 0:3 ein 3:3. Die Partie wogt danach hin und her, einen Sieger gibt es erst im Elfmeterschießen. Hamann („Wenn wir sie jetzt nicht schlagen, wann dann?“) verwandelt den ersten Strafstoß für die „Reds“, Andrej Schewtschenko scheitert mit dem letzten für die „Rossoneri“ an Liverpools polnischem Torwart-Tausendsassa Jerzy Dudek. Die Sensation ist perfekt.

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Für Liverpool ist es die sentimentale Rückkehr auf Europas Fußballthron. Fast auf den Tag genau 20 Jahre zuvor war der Klub nach der Katastrophe im Brüsseler Heyselstadion mit 39 Toten für sechs Jahre vom Europacup ausgesperrt worden. Nun feiern Hunderttausende das Team von Rafa Benitez bei der Rückkehr an die Merseyside. Nochmal Dietmar Hamann: „Es ist ein besonderer Klub und es ist eine besondere Stadt.“