Uwe Hohn: Als den Speerwerfern die Stadien zu klein wurden
Ost-Berlin, 20. Juli 1984: Ein Speer fliegt über 100 Meter weit. Nach Uwe Hohns Weltrekord muss der Weltverband das Material ändern - den Speerwerfern werden die Stadien zu klein.
Zu weite Würfe fürs Stadion: Uwe Hohn übertrifft am 20. Juli 1984 die 100-Meter-Marke. Foto: BArch , Bild 183-1984-0513-018/ J. P. Kasper
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Zweiter Versuch, 18 Schritte Anlauf, Stemmschritt, brutaler Abwurf - in diesem Moment weiß Uwe Hohn schon, dass ihm gerade Historisches gelingt. "Ein Wurf ist dann gelungen, wenn der Speer von hinten nur noch wie ein Punkt in der Luft erscheint", hat der Speerwerfer aus Neuruppin einmal festgestellt.
Am Abend dieses 20. Juli 1984 ist es im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark soweit: Hohn, gerade 22 Jahre alt geworden, gelingt der Traumwurf, auf den die Leichtathletik-Szene schon eine ganze Zeit gewartet hat: "04,80" steht nach längerem Messen auf der für diese Weite nicht ausgelegten Anzeigetafel. Gemeint sind 104,80 Meter - die Schallmauer ist durchbrochen.
Überraschend kühl-analytisch kommentiert Hohn, 1982 schon Europameister und mit einer Bestweite von 99,52 Metern notiert, seinen Superwurf hinterher: "Ist schon eine schöne Weite. Zuerst frontal gegen den Wind, das gab ihm Höhe, und dann hat er sich hinten schön lang gemacht." Dass er sich keinen urigen Freudenausbruch gönnt, liegt nicht nur an seinem zurückhaltenden Charakter. Vielleicht ahnt Uwe Hohn, dass er trotz dieser Bestweite auf der Verlierseite der Sportgeschichte enden wird.
Olympiagold holt ein Finne - seine Siegesweite ist 18 Meter kürzer
Seinen Weltrekord kann er 1984 nicht vergolden, weil die DDR die Olympischen Spiele in Los Angeles boykottiert. Dort gewinnt der Finne Arto Härkönen mit einem Wurf, der rund 18 Meter kürzer ist als jener von Hohn. Dessen Weltrekord wird auch bald aus der Bestenliste gestrichen, weil der Weltverband IAAF um die Sicherheit in den Stadien fürchtet. Zum 1. April 1986 wird ein neuer Speer eingeführt, dessen veränderter Schwerpunkt für eine steilere und kürzere Flugkurve sorgt. Deshalb hat bis heute niemand mehr den Speer über 100 Meter weit geschleudert.
Uwe Hohn, der für den ASK Vorwärts Potsdam startet, wird 1985 noch Welt- und Europacupsieger, muss aber zwei Jahre später seine Karriere wegen Bandscheibenbeschwerden frühzeitig beenden. Während er nach der Wende als Trainer in Katar, China und Australien arbeitet, taucht sein Name in Unterlagen zum DDR-Staatsdoping auf.
Wegen all dieser Dinge mag sich Uwe Hohn über seinen großen Wurf inzwischen nicht mehr äußern. Dem Journalisten Erik Eggers erklärt er 2009: "Am liebsten will ich gar nicht reden darüber, auch wegen der aktuellen Dinge." Sein Rekord für die Ewigkeit spricht somit weiter für sich.
Der Weltrekord-Wurf von Uwe Hohn 1984 in Ost-Berlin: