Bill Nieder knackt 1960 die Kugelstoß-Schallmauer von 20 Metern. Im Boxring allerdings verlässt ihn das Glück.
Kraftpaket: Bill Nieder bei seinem Olympiasieg in Rom. Zwei Wochen zuvor hat er die 20-Meter-Marke geknackt. Archivfoto: imago
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Von Ulrich Gerecke
Verletzungen pflastern den Weg des William Henry Nieder. Im Jahr 1960 ist der 1,90-Meter-Riese bereits zwölf Mal am linken Knie operiert worden, 148 Stiche zieren es seit einem Sportunfall beim American Football. Den Traum von der Profikarriere hat der 26-jährige Student an der University of Kansas längst begraben müssen. Aber Bill Nieder kann etwas Anderes, bei dem er nicht Herumrennen muss: Er stößt die Kugel wie kein Zweiter. Sein College-Trainer Bill Easton meint, entweder erhole sich Nieder nie von seinen Blessuren – oder er stoße Weltrekord.
Letzteres tut Nieder 1960 gleich drei Mal: 19,45 Meter am 19. März in Palo Alto, 19,99 am 2. April in Austin und am 12. August fällt eine weitere Traumgrenze der Leichtathletik: Im kalifornischen Walnut stößt Nieder die Kugel als erster Mensch über 20 Meter weit – genau 20,06.
Für Trainer Easton ist der Mann, der als Markenzeichen immer eine dicke Ledermanschette am linken Knie trägt, bereits die zweite große Entdeckung jener Jahre, nach dem Diskuswerfer Al Oerter, der von 1956 bis 1968 viermal in Serie Olympiasieger wird. Die Goldmedaille holt Nieder auch, zwei Wochen nach seinem großen Wurf von Walnut, der in seinem Heimatland wenig beachtet wird, weil dort immer noch das angelsächsische System mit Fuß und Inches dominiert. Am 31. August schafft Nieder im Olympiastadion von Rom 19,68 Meter und wird Olympiasieger vor seinen Landsleuten und Weltrekord-Vorgängern Parry O'Brien und Dallas Long.
Lange kann sich Nieder über diesen Sieg allerdings nicht freuen. Nach den Spielen wechselt er zu den Profiboxern, geht aber gleich in seinem ersten Kampf nach zwei Minuten K.o. Sein Trainer Easton führt 1964 noch den Indianer Billy Mills zum Olympiasieg über 10.000 Meter. Drei Jahre später jagt ihn die Universität vom Hof, weil man den Meilen-Star Jim Ryun verpflichtet und der seinen eigenen Trainer mitbringt. Anders als Nieder, Oerter und Mills wird Ryun nie Olympiasieger.