Borussia Mönchengladbach kickt 1970 in Israel – und die Politik spielt schon vor dem Anpfiff mit.
Das bekannteste Bild zum Spiel: Günter Netzer (li.) und Mordechai Spiegler (re.) beim Wimpeltausch vor dem Anpfiff. Screenshot: wdr.de
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Von Ulrich Gerecke
Es ist ein Fußballspiel, von dem es fast keine Fotos und Filmaufnahmen gibt – und das dennoch Geschichte geschrieben hat. 22.000 Zuschauer sehen im ausverkauften Bloomfield-Stadion von Tel Aviv am 25.Februar 1970, wie Borussia Mönchengladbach die israelische Nationalelf mit 6:0 auseinandernimmt. Was wenige Monate vor der ersten WM-Teilnahme eine sportliche Katastrophe hätte sein können, wird von den einheimischen Fans gefeiert: Sie bejubeln den Spielrausch der Fohlen-Elf. Der deutsche Botschafter im gelobten Land ist sicher: Günter Netzer & Co. haben mehr für die Aussöhnung getan als alle Diplomaten zusammen.
Denn 25 Jahre nach dem Ende von Krieg, Nazi-Terror und Holocaust sind auch die Sportbeziehungen beider Länder noch ein Minenfeld. Dass das Freundschaftsspiel überhaupt stattfindet, ist allein den Trainern zu verdanken: Hennes Weisweiler und Eddy Schaffer kennen sich seit den 50er Jahren. Damals machte der gebürtige Berliner Schaffer, der vor den Nazis geflohen war, an der Sporthochschule in Köln bei Weisweiler seinen Trainerschein. Beide vereinbaren 1969 eine Partie.
Die scheitert jedoch beinahe an der hohen Politik und wird dann von ihr gerettet. Anfang der 1970er erschüttern mehrere anti-israelische Attentate Deutschland und die Welt. Flugzeuge werden entführt, in El-Al-Maschinen explodieren Paketbomben. Am 13. Februar 1970 verbrennen im jüdischen Gemeindezentrum sieben Menschen, die Attentäter werden nie gefunden.
Die Gladbacher Spieler wollen in dieser Situation nicht nach Israel fliegen. „Die Angst war permanent vorhanden“, erinnert sich Netzer einer aktuellen WDR-Doku. Der deutsche Botschafter berichtet allerdings aus Tel Aviv, Israel sehe das Spiel als „Prestigefrage“, eine Absage hätte „stark negative Auswirkung“. „Es wäre ein Gesichtsverlust der deutschen Politik gewesen“, meint Sporthistoriker Lorenz Peiffer. Deshalb stellt Bundeskanzler Willy Brandt eine Bundeswehrmaschine samt Crew zur Verfügung. Die Flugroute bleibt streng geheim.
Die „Fohlen“ fliegen, gewinnen das Spiel – und die Herzen der Fans. „Trotzdem hat auch in diesem Moment noch keiner von uns daran gedacht, was das politisch bedeuten könnte“, sagt Netzer. Das kam erst viel später.