Rudi Glöckner ist bis heute der einzige deutsche Schiedsrichter, der ein WM-Finale pfeifen darf.
Souverän: Schiedsrichter Rudi Glöckner (Mitte) mit den Kapitänen Giacinto Facchetti (links) und Carlos Alberto. Archivfoto: dpa
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Von Ulrich Gerecke
Lange, bevor aus dem Fußballverein Stahl Markranstädt der Bundesliga-Konzern RB Leipzig wird, bringt der Verein ein Eigengewächs in ein Weltmeisterschaftsfinale. Was keinem „Roten Bullen“ bisher gelang, schafft Rudi Glöckner: Am 21. Juni 1970 pfeift der Schiedsrichter aus dem Leipziger Vorort das WM-Endspiel im Aztekenstadion von Mexiko-City. Er ist bis heute der einzige Deutsche, der zu dieser Ehre kam.
Dabei gilt Glöckner, damals 41 Jahre alt, als unbeschriebenes Unparteiischen-Blatt. Vor der WM hat er erst ein Länderspiel geleitet, bei seinem Vorrunden-Einsatz in Puebla (Uruguay – Italien/0:0) fällt er auch nicht weiter auf. Dann aber kriegen sich die Endspielteilnehmer Brasilien und Italien in der Referee-Frage in die Haare. Am Freitagabend, keine 48 Stunden vor dem Anpfiff, spricht der britische Fifa-Boss Stanley Rous ein Machtwort und zaubert den gelernten Verwaltungskaufmann Glöckner aus der damaligen DDR aus dem Hut. Der ist selbst überrascht: „Es gab Prädestiniertere.“
Mit Skatrunden mit DDR-Trainer Georg Buscher und Reporterlegende Heinz-Florian Oertel schlägt Glöckner die Zeit bis zum Finale (und die Nervosität) tot. Dann hat er unter fast 110.000 Zuschauern den besten Platz, um die Supershow von Pelé & Co. zu bewundern. Die Brasilianer demontieren die überforderten und vom 4:3 über Deutschland ermüdeten Azzurri mit 4:1. Glöckner bekommt kaum Arbeit: Zwei Gelbe Karten für Rivelino auf der einen und Tarcisio Burgnich auf der anderen Seite, dazu ein paar Ermahnungen für Brasiliens legendären Masseur Americo, der zu oft mit seinem Wassereimer aufs Feld rennt. In der Presse wird er nur kritisiert, weil er eine Torchance von Pelé zu früh abpfeift.
Glöckner kann damit gut leben, er denkt wie alle Schiedsrichter: „Dass wenig geschrieben wurde, ist eine Anerkennung.“ Die mexikanische Zeitung „El Heraldo“ meint: „Der DDR-Unparteiische amtierte im Stile eines Klassemannes.“ Das bekommt längst nicht jeder Unparteiische nach einem WM-Finale zu lesen.