Die US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos gewinnen bei den Olympischen Spielen in Mexiko-City Gold und Bronze über 200 Meter. Bei der Siegerehrung demonstrieren die Afroamerikaner mit zum Himmel gestreckter Faust für mehr Bürgerrechte - und fliegen aus dem Olympischen Dorf.
„Black Power“: Tommie Smith (Mitte) demonstriert auf dem Siegerpodest. Archivfoto: dpa
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Von Ulrich Gerecke
John Dominis war als Kriegsfotograf in Korea gewesen, 1969 drückte er beim Woodstock-Festival auf den Auslöser seiner Kamera. Sein berühmtestes Foto gelang ihm jedoch am Abend des 16. Oktober 1968 im Olympiastadion von Mexiko-City. Die afro-amerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos auf dem Siegerpodest während der US-Nationalhymne, die Fäuste mit schwarzen Handschuhen in den Himmel gestreckt, die Köpfe gesenkt, ohne Schuhe und in schwarzen Socken – kaum ein Bild des 20. Jahrhunderts ging so schnell um die Welt.
Politik und Olympia hatten sich schon immer vermischt, im Aufruhr-Jahr 1968 passierte es mit Ansage. Vor den Spielen hatte die mexikanische Polizei Hunderte demonstrierende Studenten erschossen. Im Leichtathletik-Stadion machten die dunkelhäutigen Athleten ihrem Ärger über Rassendiskriminierung in ihrer Heimat Luft. Wäre es nach dem einflussreichen Sportsoziologen Harry Edwards von der San Jose State University gegangen, wären sie in Mexiko gar nicht erst angetreten.
Smith und Carlos liefen doch – und zwar allen anderen davon. Smith holte über 200 Meter in der Weltrekordzeit von 19,83 Sekunden Gold, Carlos Bronze. Dazwischen schob sich der (weiße) Australier Peter Norman, der auf dem Siegerpodest einen Anstecker des von Edwards gegründeten „Olympic Project for Human Rights“ trug und somit seine Solidarität mit den anderen Medaillengewinnern zeigte.
Von Solidarität war ansonsten in Mexiko-City nichts zu spüren – im Gegenteil. Das Publikum buhte die Sprinter für ihre vermeintliche politische Unbotmäßigkeit gnadenlos aus. IOC-Präsident Avery Brundage, ein in seiner Karriere durch allerlei rassistische und antisemitische Handlungen und Haltungen aufgefallener Bauunternehmer aus Chicago, ließ das aufmüpfige Duo schon am nächsten Tag aus dem Olympischen Dorf werfen. „Wenn ich siege, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas Schlechtes mache, sagen sie, ich sei ein Neger“, schloss Tommie Smith verbittert. „Wir sind schwarz und wir sind stolz darauf. Das schwarze Amerika versteht, was wir heute gemacht haben.“ Zu Ikonen der Bürgerrechtsbewegung wurden er und Carlos jedoch erst viele Jahre später – ebenso wie das Foto von John Dominis.