Becker, Graf und RTL - Tennis-Fans gucken in die Röhre
London, 9. Juli 1989: Es ist ein historischer Tag für das deutsche Tennis. Steffi Graf und Boris Becker triumphieren innerhalb weniger Stunden in Wimbledon. Doch die Mehrheit der deutschen Fans muss auf Fernsehbilder verzichten.
Steffi Graf und Boris Becker mit ihren Wimbledon-Trophäen. Archivfoto: dpa
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Es ist in jeder Hinsicht ein historischer Tag, doch die Hälfte der Deutschen kriegt ihn nicht mit, weshalb am Ende die Volksseele kocht. Dass beide Einzel-Finals in Wimbledon an einem Tag stattfinden, liegt am Londoner Dauerregen, der bis zu diesem 9. Juli 1989 den Terminplan wieder einmal durcheinandergewirbelt hat. Dass mit Steffi Graf und Boris Becker erstmals zwei Deutsche triumphieren, liegt an der Klasse des Duos, das sich gerade auf seinem sportlichen Zenit befindet. Und dass nur die Hälfte aller deutschen Haushalte in den Genuss von TV-Bildern dieses einzigartigen Ereignisses kommt, liegt am guten Riecher von RTL.
"Was das bedeutet, werden die Leute erst merken, wenn wir beide Großvater und Großmutter sind", sagt Becker später über den Doppelsieg, der unter ungewöhnlichen Umständen zustande kommt. Die sonst so supercoole Gräfin schlägt ihre Erzrivalen Martin Navratilova nach einem Achterbahnmatch mit 6:2, 6:7, 6:1 und bricht anschließend in ungewohnte Freudentränen aus. Becker, damals 21 und bereits mit einem Hang zumExzentrischen, ist gegen den Vorjahressieger Stefan Edberg die Ruhe selbst. Sein Spiel nähert sich im ersten Satz der Perfektion. 6:0, 7:6, 6:4 - nach nicht einmal zwei Stunden streckt der Leimener langsam seinen Zeigefinger in den wolkenverhangenen Himmel. Es ist sein dritter Triumph in London.
Der große Durchbruch des Privatfernsehens
Unterdessen tobt daheim bereits eine veritable Sommerloch-Debatte, denn das tennisverrückte Volk guckt mehrheitlich in die Röhre. Erstmals hat sich der Vermarkter Ufa die Wimbledon-Übertragungsrechte gesichert und diese an RTL Plus vergeben, das aber nur von rund 50 Prozent der Haushalte zu empfangen ist. "Da wurde vielen Menschen erst richtig bewusst, dass sich das Privatfernsehen durchsetzt", erinnerte sich der verstorbene RTL-Reporter Gerd Szepanski.
ARD und ZDF bekamen für ihren Verzicht auf bewegte Bilder vor allem in der Boulevardpresse reichlich verbale Dresche. Polit-Hinterbänkler forderten gar ein Verbot der öffentlich-rechtlichen Sender, Hardcore-Fans im Rhein-Main-Gebiet flüchteten zum US-Soldatensender AFN. Der lieferte über Antenne Schwarz-Weiß-Bilder ohne Ton, aber besser als nichts. Das ZDF zeigte schließlich eine Woche später beide Matches als Alternativprogramm zur Wunschfilmaktion. Doch da waren beide Partien längst Teil der Geschichte.
Highlights des Damen-Finales Steffi Graf - Martina Navratilova: