John Heenan und Tom Sayers boxen im Jahr 1860 um den ersten WM-Titel. Danach wird ein verbindliches Regelwerk entwickelt, das in Teilen bis heute gültig ist.
Von Björn-Christian Schüßler
John Heenan und Tom Sayers symbolisieren eine ganz besondere Sportlergeneration. Denn der 33-jährige US-Amerikaner Heenan und der acht Jahre jüngere Brite Sayers kämpften am 17. April 1860 nicht nur um den ersten WM-Titel der Boxgeschichte. Sie schrieben mit ihrem blutigen Fight über zweieinhalb Stunden auch indirekt die Regeln der Kampfsportart mit.
Heenan, ein Werftarbeiter aus Kalifornien, und Sayers, ohne Schulbildung in den Brigthoner Slums aufgewachsen, stiegen ohne Handschuhe in den Ring, wissend, dass sie den WM-Gürtel nur erringen würden, wenn sie den Gegner ausknockten. Eine Runde verlief ohne Zeitlimit, bis ein Boxer am Boden lag. Ein Rundenlimit gab es ebensowenig. Zudem waren Profikämpfe dieser Art vor 160 Jahren illegal. Die knapp 3000 Zuschauer, die sich die inoffizielle WM-Schlacht dennoch live im kleinen englischen Örtchen Farnborough anschauten, standen mit Messern unter dem Mantel Spalier, um sich bei einer möglichen Polizeikontrolle verteidigen zu können, überliefern Quellen von Zeitzeugen.
Schon nach wenigen Runden waren beide Kontrahenten heftig gezeichnet. 1,87 Meter-Hüne Heenan schlug sich mit einem nahezu zugeschwollenen rechten Auge herum, der schmächtigere Sayers kugelte sich die rechte Schulter aus. Auf beiden Gesichtern klafften breite blutende Wunden. An Aufgeben dachte aber keiner von beiden Boxern. Auch nicht, als Heenan in der 32. Runde seinen Gegner gegen die Ringseile drückte, ihn würgte und weiter auf den Briten eindrosch. Sayers-Fans zückten ihre Messer und schnitten die Seile durch. Die enthusiastische Menge stürmte den offenen Ring. Nur mit Mühe brachten die nun doch anwesenden Polizisten die Lage wieder unter Kontrolle – und die „Schlacht von Farnsborough“ ging weiter.
Erst nach Runde 42 setzte sich der Ringrichter durch, beendete den Kampf – ohne Sieger. Heenan und Sayers erhielten je einen WM-Gürtel und 200 Pfund Prämie. Die Tragik des Kampfes folgte wenige Jahre später: Beide Boxer konnten nicht an frühere Erfolge anknüpfen, beide starben jung an Jahren und verarmt. Ihr Erbe: Die „Queensberry-Regeln“, die noch heute im Boxsport gelten: Rundenlimits, die Begrenzung der Rundenzeiten auf drei Minuten, der Zehn-Sekunden-Countdown vor dem Knockout und das Tragen von Handschuhen.