Martin Steffes-Mies kritisiert Zentralisierungspläne des Verbands. Zudem vermissen er und die Interessengemeinschaft Leistungssport einen Sportvorstand und ein Kontrollorgan
Von Tommy Rhein
Freier Mitarbeiter
Ein MRV-Zweier mit Jason Osborne und Moritz Moos bei Olympia 2020 wie 2016 in Rio könnte auch an der geplanten Zentralisierung scheitern.
(Foto: dpa)
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MAINZ/MÜNSTER - Insgesamt drei WM-Goldmedaillen in Plovdiv. Weltspitze im Paradeboot. All das legt den Eindruck nahe, dass beim Deutschen Ruderverband (DRV) derzeit alles im Lot ist. Wenn vom 2. bis 4. November der 64. Deutsche Rudertag zusammenkommt, gibt es jedoch einiges zu diskutieren. Mittendrin: die Interessengemeinschaft Rudersport (IGL). Die Gruppe, die aus Rudervereinen aus ganz Deutschland besteht, übt seit längerem Kritik am DRV und will diese auch in Münster zur Sprache bringen. Martin Steffes-Mies, Vorstand des Mainzer Ruder-Vereins (MRV) und der IGL, sieht reichlich Grund dazu.
Ein Antrag bezieht sich auf den aktuell nicht besetzten Posten eines Sportvorstandes beim DRV. „Historisch gibt es den ja eigentlich schon, aber der DRV hat den Posten in den letzten Jahren beseitigt“, sagt Steffes-Mies. „Dadurch fehlt es aber an Sachverstand. Es fehlt ein guter Kopf, der Projekte initiiert, Visionen ausgibt und auch in der Lage ist, die Rudernation zu einen. Der aber auch verantwortlich ist für das, was er tut.“ Die IGL sei zudem nicht darauf aus, diesen Posten selbst zu besetzen. „Wir wollen etwas bewegen und nicht irgendwelche Stellen besetzen“, sagt Steffes-Mies.
Weit oben auf der Agenda der IGL steht auch die Ablehnung der Zwangszentralisierung der DRV-Kader-Athleten. Der Verband sieht vor, diese ab November an einem Ort zu bündeln, egal wo sie ursprünglich herkommen, wohnen und trainieren. Die Mainzer Leichtgewichts-Weltmeister Jason Osborne und Moritz Moos äußerten sich jüngst bereits deutlich dazu – und schlossen einen Umzug, etwa nach Ratzeburg, kategorisch aus. „In ganz Deutschland gibt es diese Fälle. Überall haben Athleten die Schnauze voll von dieser Bevormundung.“ Der MRV wird jedoch alles dafür tun, dass Moos und Osborne in Mainz und gleichzeitig Kader-Athleten bleiben können. „Wir sehen es aber nicht ein, zwei Mainzer nach Hamburg zu entsenden, wo nichts besser ist als hier. Stattdessen begrüßen wir gerne auch externe Athleten, die sich hier unserer Gruppe in Mainz anschließen. Wir öffnen dann natürlich auch den Zweier Osborne/Moos, um andere Konstellationen zu testen“, sagt Steffes-Mies, „am Ende geht es darum, die schnellste Kombination in Tokio am Start zu haben.“ Beim Rudertag wird sich ein Antrag der IGL darauf beziehen, zumindest Klein- und Mittelboote verbindlich von der Zentralisierung zu befreien.
Zudem beantragt die Interessengemeinschaft ein Kontrollgremium, das die Arbeit des DRV-Vorstandes berät und kontrolliert. „Wo gibt es das schon, dass ein Vorstand schalten und walten kann, wie er möchte, völlig ohne Kontrolle?“, fragt Steffes-Mies. „Auch ist es fragwürdig, dass den DRV ein gerade einmal dreiköpfiger Vorstand führt. Selbst beim MRV sind wir sechs Leute. Anders wäre die Führungsarbeit auch gar nicht zu bewältigen.“
Der DRV-Vorstand ist bisher einzig dem Rudertag rechenschaftspflichtig, der sich alle zwei Jahre trifft. In Münster geht es aus Sicht der IGL nun darum, Überzeugungsarbeit zu leisten. „Man kann es prinzipiell mit demokratischen Mechanismen in einem Parlament vergleichen“, sagt Steffes-Mies. Am ersten Tag finden Arbeitskreise statt, abends kommen alle bei dem einen oder anderen Gläschen zusammen. Samstags folgen die Aussprache und die Abstimmung über die Anträge. „Wir hoffen natürlich darauf, Mehrheiten für unsere Anträge zu bekommen“, sagt Steffes-Mies. „Das wäre ein Erfolg gegen die DRV-Strategie.“
Die Arbeit im vergangen Jahr, als die IGL in verschiedenen Arbeitsgruppen unterwegs war, sei mehr oder weniger verpufft. In einem Erfahrungsbericht war gar von Desillusionierung die Rede. „Es ist fast pervers, wie da mit Ressourcen umgegangen wurde. Aber wir haben von vielen Vereinen auch Zuspruch erhalten und zumindest winzige Teilaspekte haben es bis hinter die geschlossenen DRV-Türen geschafft. Aber da muss man schon sehr in den Brotkrumen suchen“, sagt Steffes-Mies. Nein, von heiler Welt kann beim DRV aktuell wirklich keine Rede sein.