Duell der Ringer-Eliteklassen um Zuschauergunst schadet dem Sport
Auf der einen Seite der Deutsche Ringer Bund mit seiner Bundesliga, auf der anderen die Deutsche Ringer Liga – in Deutschland wird die älteste olympische Sportart in die Mangel genommen, weil sich die Verbände nicht einigen können. Das schadet dem Sport. Dabei haben beide Seiten gute Argumente – und sind sich einig in der Uneinigkeit.
Von Carsten Zillmann
Internationale Spitzenringer wie Mark O. Madsen, Silbermedaillen-Gewinner aus Rio, machen den Reiz des Sports aus. Doch auch der deutsche Nachwuchs muss zum Zug kommen.
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MAINZ/SCHIFFERSTADT - Ringen ist eine der ehrlichsten Sportarten. Ohne Hilfsmittel schreiten die Sportler auf die Matte. Um zu gewinnen müssen sie taktieren, täuschen und tricksen. Offensichtliche Angriffe enden in Kontern. Passivität bestraft der Kampfrichter. Kraft und Ausdauer sind entscheidend – und Härte. Nicht selten spritzt Blut. Seit den alten Griechen war es allerdings ein Kampf Mann gegen Mann. Nun bekämpfen sich zwei Organisationen. Der Deutsche Ringer Bund (DRB) mit seiner Bundesliga, in der am Wochenende die Play-offs starten, und die Deutsche Ringer Liga e.V. mit ihrer DRL. Beide haben den Anspruch, die deutsche Eliteliga zu sein. Es ist ein Kampf bis aufs Blut. Auch hier wird attackiert, aber oft stumpf und wenig taktiert. Als Verlierer wird am Ende der Sport dastehen.
Es besteht Einigkeit über die Uneinigkeit
Dabei überrascht es sehr, dass sich ehemalige Weltklasse-Ringer einig sind, dass zwei deutsche Spitzenligen nicht paralell existieren können. „Es müsste eine Topliga mit entsprechendem Unterbau geben“, sagt Markus Scherer, Olympia-Zweiter 1984 in Los Angeles. „Wir brauchen eine Liga, sonst wird es für keinen optimal laufen“, sagt David Bichinashvili, Olympia-Fünfter 2008 in Athen. Beide sind heute Trainer: Scherer coacht den VfK Schifferstadt, der zu den fünf DRL-Klubs gehört. Bichinashvili trainiert den ASV Mainz 88, der in der DRB-Bundesliga startet. Bichinashvili legt sogar nach: „Im Fußball gibt es eine Liga, im Handball gibt es eine Liga. Bei uns nicht. Das schadet doch unserem Sport.“
„Rebellen“ der DRL sind mit Trennung zufrieden
Die „Rebellen“ aus der DRL sind mit ihrer Entscheidung bisher glücklich. „Es war richtig – wirtschaftlich und sportlich“, sagt Thomas Hacker, der Vorsitzende des VfK. Die Schifferstädter haben ihre Profimannschaft in eine Unternehmensgesellschaft ausgegliedert, eine Gesellschaftsform mit Stammkapital von mindestens einem, maximal 25 000 Euro. „Zur Risikostreuung“, sagt Hacker. Denn das Projekt DRL hatte mit diversen Startschwierigkeiten zu kämpfen.
Internationale Spitzenringer wie Mark O. Madsen, Silbermedaillen-Gewinner aus Rio, machen den Reiz des Sports aus. Doch auch der deutsche Nachwuchs muss zum Zug kommen. Foto:
Fotos: René Vigneron, Montage: Zink Foto:
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Das Hauptproblem: Der Deutsche Ringer Bund erkennt den neuen Wettbewerb nicht an, verbietet seinen Kaderathleten einen Start in der DRL. Schifferstadt verlor damit seine Stars wie Denis Kudla, der nun für den SV Alemannia Nackenheim ringt, oder Etka Sefer (Red Devils Heilbronn). Beide trainieren noch in Schifferstadt. „Natürlich tut es uns weh, dass sie woanders kämpfen, aber das ist nunmal so“, sagt Scherer. Trotzdem sind die Schifferstädter zufrieden. Obwohl fast ausschließlich ausländische Ringer auf der Matte stehen – Quotenregelungen wie in der DRB-Liga gibt es nicht –, werden die Kämpfe aus ihrer Sicht gut angenommen. „Der Lokalkolorit leidet natürlich“, räumt Scherer ein. Dafür stimmt das Niveau. Die Kämpfe sind durchweg auf internationalem Level sehr ausgeglichen. „Wir versuchen außerdem, unsere Ringer aus Georgien in der Stadt zu verwurzeln“, sagt Hacker. „Diese Entscheidung hatten wir schon vorher getroffen.“
ZUERST AUSWÄRTS
Nach der Auslosung des Play-off-Achtelfinales um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft der Ringer hat Abteilungsleiter Ralf Wagner vom SV Alemannia Nackenheim noch am Sonntag die Termine festgezurrt: Am Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr, muss der SVA zunächst zum Hinkampf beim FC Erzgebirge Aue antreten. Am Samstag, 9. Dezember, 19.30 Uhr, empfängt das Team von Erfolgscoach Cengiz Cakici die Sachsen zum Rückkampf nicht in der heimischen Ringer-Halle im Brühl, sondern in der deutlich größeren Sporthalle Am Guckenberg im benachbarten Bodenheim.
„Wir sind froh, dass uns eine Mannschaft aus einer anderen Bundesliga-Gruppe zugelost wurde und dass wir auch nicht gleich einen der Titelfavoriten vor der Brust haben“, kommentierte Ralf Wagner. „Wir werden mit Aue auf eine gute Mannschaft treffen, die auch internationale Spitzenringer in ihren Reihen hat. Außerdem ziehen die Ringkämpfe in Aue immer viele Zuschauer an, so dass bestimmt eine tolle Stimmung in der Halle herrschen wird.“ Wagner kündigte bereits an: „Wir wollen mit unserem stärksten Kader in Aue gewinnen. Beide Mannschaften sind, denke ich, auf Augenhöhe. Ausschlaggebend wird die Aufstellung und die Tagesform sein.“ (MIH)
Ein Vorwurf, der der DRB-Bundesliga inzwischen massiv ins Gesicht bläst, ist die Unausgeglichenheit der Liga. „Da brauch’ ich nicht hin, wenn die Kampfzeit kürzer ist als die Pause“, schreibt ein Nutzer im populären Forum „Ringertreff“. In der Tat gab es viele deutliche Duelle – gerade wenn deutsche Nachwuchsringer auf internationale Topleute wie Mark O. Madsen treffen.
Für den Vorsitzenden des ASV Mainz 88, Tolga Sancaktaroglu, liegt allerdings auch hier ein Reiz: „Sie müssen die Frage anders stellen: Wann hätte so ein Ringer mal die Chance, gegen Weltklasse-Leute Erfahrung zu sammeln. Nämlich nie!“ Für den ASV war die DRL nie eine Option.
„Die Bundesliga ist alternativlos, weil sie die einzige Liga ist, die die deutschen Strukturen anbietet. Die DRL ist eine wilde Liga.“ Ihm geht es beim Sport auch um etwas anderes: „Wir wollen nicht nur ein Spitzenprodukt vermarkten, sondern vor allem den Nachwuchs fördern, damit unser Sport international gut dasteht.“ Der Ligenstreit wird dabei nicht helfen. Im Gegenteil: Er blutet das Ringen aus.