Zehnkämpfer Niklas Kaul beendet EM in Berlin nach großartiger Aufholjagd auf Rang vier
Von Tommy Rhein
Freier Mitarbeiter
Unter den ganz Großen: Niklas Kaul (Mitte) feiert mit (v. li.) Ruben Gado, Europameister Arthur Abele, Romain Martin und Tim Duckworth.
(Foto: dpa)
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BERLIN - Es war kein Geheimnis, dass Niklas Kaul seine Stärken am zweiten Wettkampf-Tag der Zehnkämpfer hat. Was der 20-Jährige bei der Leichtathletik-EM in Berlin allerdings abrief, war ein Meisterstück. Auch wenn er die Bronzemedaille am Ende knapp verpasste, unterstrich Kaul sein außergewöhnliches Talent und gab einen Vorgeschmack darauf, was in den kommenden Jahren von ihm zu erwarten sein wird.
Der Athlet des USC Mainz startete mit ähnlicher solider Leistung in den zweiten Tag, wie er den ersten beendet hatte. 14,78 Sekunden über 110 Meter Hürden – ordentlich, aber eben doch ein Stück weit unter seinen Möglichkeiten. Mit der siebten Disziplin kam Kaul dann aber endgültig bei der EM und schließlich auch in der Weltklasse des Zehnkampfes an. Den Diskuswurf beendete er mit persönlicher Bestleistung von 46,30 Meter und als bester Athlet im Teilnehmerfeld. Allmählich rückte er damit auch in der Gesamtwertung in den Bereich der besten Acht vor. 4,70 Meter im Stabhochsprung – zehn Zentimeter unter dem bisherigen Bestwert – brachten ihn dann endgültig heran. Rechtzeitig, denn mit dem Speerwurf und 1500-Meter-Lauf standen die Paradedisziplinen des 20-Jährigen noch aus. Sichtlich zufrieden stand Kaul am Nachmittag vor dem ZDF-Mikrofon. „Diskus war natürlich super“, kommentierte er nüchtern.
67,72 Meter mit dem Speer brachten den gebürtigen Saulheimer am frühen Abend schließlich bis auf den sechsten Rang der Gesamtwertung. Ein großer Sprung also, auch wenn Kaul schon deutlich weiter geworfen hat. Bitter, denn nur ein, zwei Meter mehr hätten ihm am Ende des Tages sogar Silber oder Bronze beschert. „Die wirft er normal im Training mit verkürztem Anlauf“, sagt Vater und Trainer Michael Kaul. „Aber so ist das im Zehnkampf. Man hat eigentlich immer eine Disziplin dabei, die nicht optimal läuft.“
Nur 70 Punkte Rückstand auf Bronze-Gewinner Zhuk
Den abschließenden 1500-Meter-Lauf beendete Kaul dann ebenfalls auf dem zweiten Rang. 4:23,67 Minuten waren zudem Saisonbestleistung. In der Endabrechnung standen somit 8220 Punkte und der vierte Rang. 70 Zähler hinter Bronze-Gewinner Vitali Zhuk (Weißrussland). Hauchdünn. Bitter. Aber letztlich auch doch nicht so wichtig, denn Kaul hatte sich kein Ziel gesetzt, wollte lediglich Erfahrung sammeln und Spaß haben. Das ist ihm mehr als geglückt. „Wir werden jetzt nicht meckern. Das war Wahnsinn hier. Das Stadion war voll, die Stimmung riesig“, sagt Michael Kaul. Vor dem Hintergrund, dass der 20-Jährige erst vor einer Woche überraschend in den Kader nachgerückt ist und entsprechend eine deutlich verkürzte Vorbereitung hatte, ist der vierte Rang bei seiner Premieren-EM ohnehin eine Spitzenleistung. 8220 Punkte sind zudem seine Bestleistung bei den Erwachsenen. Der U 20-Welt- und Europameister und U 20-Weltrekordhalter ist also auf der nächsten Stufe angekommen.
Für die kommenden Jahre dürfte Kaul ein Stern am deutschen Zehnkampf-Himmel sein – auch wenn die nationale Konkurrenz um den neuen Europameister Arthur Abele weiter hochkarätig besetzt ist. Womöglich wird man also schon 2019 sehen, wozu Kaul fähig ist, wenn er eine komplette Vorbereitung absolviert hat. Seine Premiere hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht. Und Niklas Kaul hat ganz nebenbei sein persönliches Ziel erreicht: Er hatte jede Menge Spaß.