Wortpiratin: Verantwortung für Worte, Taten – und Bilder
Die ersten Geisterspiele sind gelaufen - und die Bewährungsproben des Fußballs bestanden? Nicht ganz, schreibt Wortpiratin Mara Pfeiffer. Jeder Spieltag werde neue mit sich bringen.
Von Mara Pfeiffer
Blick in das Stadion während des Spiels der Kölner gegen Mainz 05.
(Foto: dpa)
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MAINZ - Nach dem ersten Geisterspieltag der 1. und 2. Bundesliga ist nun vielfach zu lesen, der Fußball habe seine Bewährungsprobe bestanden. Das ist nicht falsch, aber auch nicht vollständig: Im Grunde war es nur die erste. So lange Corona weiter zu den bekannten Einschränkungen führt und die Ligen mit dem dicken Paket an Sonderregeln laufen, wird jeder Spieltag eine erneute Bewährungsprobe für alle Beteiligten. Interessant wird dabei auch zu beobachten, wie sich bestimmte Themen verändern, beispielsweise, ob nur den Fans ihre Kurven fehlen – oder sie tatsächlich auch in den Stadien vermisst werden. Und wer wird jetzt die vermeintlich günstige Gelegenheit nutzen, um Deutungshoheiten an sich zu reißen? Es bleibt spannend.
Bilder haben in diesen Zeiten besondere Bedeutung
Was der nachgeholte 26. Spieltag auf jeden Fall auch gezeigt hat, ist, dass in Zeiten wie diesen neben Worten und Taten die Bilder eine besondere Bedeutung haben. Einerseits ist das nicht neu, muss aber doch an manchen Stellen neu gedacht werden. Das zuletzt so oft wiederholte Mantra von der Verantwortung des Fußballs gilt in dieser Hinsicht besonders. Und das heißt unterm Strich, in Sachen Vorsicht und Vorbild ist weniger derzeit definitiv mehr.
Wenn kleine Kinder landauf, landab noch immer auf den ersten Tag in der Kita warten und die älteren in der Schule nicht einfach auf dem Pausenhof kicken dürfen, kommt es beim Fußball vor den heimischen Fernsehgeräten ohnehin schon zu Erklärungsengpässen. Natürlich haben die Verantwortlichen Recht, wenn sie darauf verweisen, Fußball ist nun mal für viele Leute ein Job, den sie genauso wieder ausführen wollen, wie andere Berufstätige. Gerne wird dann auf die wieder öffnenden Kneipen und Läden verwiesen – und bis hierhin passt auch das Bild.
Es gerät aber in Schieflage, wenn Spieler sich, wie trotz anderweitiger Empfehlungen im DFL-Konzept in einigen Fällen geschehen, nach Toren selig in den Armen liegen, denn genau das soll eben nach wie vor nicht passieren; auch nicht in Kneipen oder Läden. Für wie sinnvoll der eine oder die andere es erachtet, dass beim Zweikampf Körperkontakt besteht, der Torjubel aber ausfallen soll, ist an dieser Stelle vollkommen irrelevant. Das eine ist der Job, das andere nicht, ganz einfach. Jedwede Diskussion darüber stellt nur die Abgehobenheit zur Schau, von der Verantwortliche im Fußball seit Wochen permanent beteuern, sie sei in der aktuellen Krise einer Portion Demut gewichen.
Besonders absurd wird das Thema dann, wenn Fußballer vor der Kamera erklären, die Sache mit dem Jubeln sei ihren Emotionen geschuldet und deshalb könnten sie den Impuls gar nicht unterdrücken. Mit den immer noch geltenden Abstandsregeln sind gerade alle Menschen in der Verantwortung, sich körperlich fernzubleiben, sofern sie nicht in einem Haushalt wohnen. Umarmungen mit Freund*innen, Großeltern, Geschwistern oder Kolleg*innen fallen also aus, was für viele Menschen schmerzhafte Einschnitte in ihr tägliches Leben bedeutet.
Die Emotionen, die dabei mitspielen, sind deutlich höher zu bewerten als die Freude über ein Tor, und wer das den Spielern nicht klarmachen kann, der hat ein Problem. Bilder von Spielern, die sich ausgelassen in die Armen fallen, während der Rest der Welt Sicherheitsabstand von Menschen aus dem engsten persönlichen Umfeld halten soll, um zu Schutz der Allgemeinheit beizutragen, sind wirklich das Letzte, was die Clubs aktuell produzieren sollten. Gut, dass sie bislang die Ausnahme waren, künftig sollten sie vollständig ausbleiben.
Im Übrigen würde es dem Gesamteindruck auch guttun, wenn sich die Vereine untereinander sowie intern auf einen einheitlichen Umgang mit den Masken einigen könnten. Der von vielen produzierte sprichwörtliche Halbmast, die sogenannte Kinnmaske oder auch die Maske mit freischwebendem Riechkolben bieten ein unnötiges optisches Kuddelmuddel. Da geht es nicht um Korinthenkackerei, sondern um die simple Macht der Bilder. Für die Bilder, die er von sich in die Welt sendet, ist der Fußball weiterhin in der Verantwortung – nicht nur auf dem Platz.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin