05-Schals wird man beim Bundesliga-Auftakt in Leipzig nicht sehen.
(Archivfoto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Wenn Fans von ihrem Verein sprechen, meinen sie eigentlich nicht den Verein. Sie meinen das, was sie im Verein sehen, was der Verein für sie bedeutet. Es geht also um eine emotionale Beziehung, genauer: um Liebe. Das ist jetzt nicht neu. Es ist aber wichtig, sich daran ab und an zu erinnern und ein paar Gedanken darauf zu verwenden, was es bedeutet. Als Erstes einmal dies: Liebe ist individuell. Das gilt für jede Liebe, sei sie zu einem anderen Menschen oder eben zum Verein. Wenn wir in einer Partnerschaft unseren Gegenüber lieben, tun wir das auf eine Weise, die nur diesen zwei Menschen gehört. Jede Liebe zu einer Person ist anders, auch wenn diese Person dieselbe bleibt. Weil Liebe das Außen und das Innen der Beteiligten berührt.
Das ist vollkommen in Ordnung und für Beziehungen zwischen Menschen ist es uns vielleicht klarer als für die zu einem Verein. Sprich, niemand zweifelt ernsthaft an, dass die eigene Liebe zum Partner eine andere ist als die des Menschen, die sie oder ihn zuvor geliebt hat. Und wir wissen alle, dass unsere Freundschaft individuell ist und andere eben Anderes in diesen Menschen sehen. Diese Grundannahme auf ein Thema wie die Liebe zum Fußballverein zu übertragen, ist da schon komplizierter, aber gerade jetzt: wichtig.
Die Gründe, einen Verein zu unterstützen, sind vielfältig. Die Gründe, um am Wochenende ins Stadion zu gehen, auch. Viele kleine Dinge spielen dabei eine Rolle, zu denen sicher gehört, in welcher Phase der Vereinshistorie jemand zum Fan geworden ist. Allein, welcher Verein unser Herz erobert, sagt schon etwas aus. Und die Werte, die wir in diesen Club hineindenken, haben immer auch etwas mit unseren eigenen zu tun. Manches davon passt da besonders gut, daran halten wir uns gern fest. Manches sehen wir anders, von einigem fühlen wir uns vielleicht auch gestört und lernen so, es zu akzeptieren – oder wir versuchen, etwas daran zu ändern.
Wenn es in einer Liebe gravierende Einschnitte gibt, geht es immer auch ein bisschen um die Deutungshoheit. Das mag albern anmuten, hat aber damit zu tun, dass jede Erschütterung im Menschen den Wunsch nach Halt und Sicherheit auslöst. Die Ausdeutung der Ereignisse kann ein wenig dieser verlorenen Sicherheit zurückgeben. Wenn die Beziehung zu einem Menschen endet, bringt das Fragen mit sich, wer man ohne diese Beziehung ist und was der neue Status am eigenen Leben verändert. Wenn es im Verein einen deutlichen Cut gibt, wirft das die Frage auf, wie diese Bruchstelle den Verein verändert und was sie aussagt über die Personen, die in dieser Phase das Schicksal des Vereins lenken. Die Antwort darauf ist wieder: individuell.
Klar ist aber, dass sich gerade etwas verändert und dass diese Veränderung auf Jahre folgt, in denen es im Verein mehr Veränderung als Konstanz gab. Damit verbinden sich Emotionen, die wiederum in jedem Fan und seiner Beziehung zum Verein begründet sind. Für manche wiegt der Abschied zunächst schwerer und sie erleben eine Art Trauerphase. Für andere überwiegt der Schwung im Neuanfang. Für manche passt der Aktionismus zum Bild, das sie vom Verein haben – andere empfinde es als einen Bruch mit dem, wie sie den Club sehen.
Jedes dieser Gefühle hat seine Berechtigung. Niemand muss sich eine Erwartungshaltung von-welcher-Seite-auch-immer überstülpen lassen oder irgendetwas liefern. Veränderung braucht Zeit. Auf dem Platz stehen Menschen, die einen Job ausüben und die aus ihrer Verantwortung heraus Wege finden müssen, sich schnell an die neue Situation zu gewöhnen. Im Block stehen Menschen, deren Einsatz für den Verein freiwillige Herzensangelegenheit ist. Wünschenswert ist natürlich Offenheit für das, was nun kommt. Alles andere darf durchaus Zeit brauchen, weil Liebe zwar in ihren besten Momenten bedingungslos ist, aber vielleicht ist das gerade einfach kein perfekter Moment. Und das ist vollkommen in Ordnung.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin