Wortpiratin: Große 05-Momente bei der Mitgliederversammlung
Mit etwas Bauchgrimmen ging Wortpiratin Mara Pfeiffer zur jüngsten Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 - doch am Ende verließ sie den Abend mit einem guten Gefühl.
Von Mara Pfeiffer
Rouven Schröder (li.) spricht bei der Mainz-05-Mitgliederversammlung in der Opel-Arena.
(Foto: Sascha Kopp )
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MAINZ - Es gibt wenige Dinge, die mir so unangenehm sind wie ein Besuch beim Zahnarzt. Insofern ist es bezeichnend, dass mein Bauchgefühl auf dem Weg zur Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 am Montag dem ähnelte, das ich habe, wenn der jährliche Kontrolltermin ansteht. Irgendwie diffus besorgt und darauf eingestellt, es könnten schlimme Dinge passieren. Der Austausch mit anderen Teilnehmer*innen vor Beginn der Veranstaltung offenbarte, dass ich damit nicht alleine war. Die aktuelle Situation des Vereins bewegt natürlich alle, Sorge machte aber vor allem die Vorstellung, die Stimmung an dem Abend könnte kippen, Verantwortliche geteert und gefedert oder zumindest ein bisschen angebrüllt werden.
Und dann? Passierte einfach gar nichts. Also, falsch, es passierte natürlich eine ganze Menge, aber keine der umherwabernden Befürchtungen trat ein. Der Aufsichtsratsvorsitzende Detlev Höhne begrüßte das Trainerteam mit Sandro Schwarz sowie die Profis, die ebenso anwesend waren wie die Handballerinnen um Coach Thomas Seitz. Für beide Mannschaften applaudierte die Versammlung mehr als nur höflich. Der Vereinsvorsitzende Stefan Hofmann hielt eine klug aufgebaute Rede, in der er zunächst ausführlich auf die Niederlage im Pokal mit dem wichtigen Teilaspekt der Pyro-Würfe einging. Dabei sprach er viel über die Nachrichten, die ihn zu dem Thema erreicht haben, um zu signalisieren: Der Verein hört zu, ist im Dialog.
Überzeugt vom Mainzer Weg
Sportvorstand Rouven Schröder übernahm, analysierte offen die aktuelle sportliche Situation, gab sich bei aller Klarheit aber absolut überzeugt vom Mainzer Weg – und kämpferisch. Kein Verein habe so viele Nachwuchsspieler zu U21-EM entsendet wie die Nullfünfer, verdeutlichte er den Anwesenden und betonte, das Geheimnis sei, an den Verein zu glauben, auch während Durststrecken: „Die gab es auch letzte Saison.“ Aus Sicht des Sportchefs gibt es zwei mögliche Wege: sich gegen das Team richten, die Unterstützung versagen, pfeifen – was bedeutet, kein besonderer Verein mehr zu sein. Oder zusammenzuhalten, den Verein zu leben. „Wie wir das in Mainz immer getan haben.“ Als er sich mit den Worten: „Nicht vergessen, der Verein steht über allem und allen“ verabschiedete, brandete langanhaltender Applaus auf.
Die Zahlen, die der kaufmännische Vorstand Dr. Jan Lehmann anschließend präsentierte, sind unverändert rosig. Es spricht für sich, dass Rekordumsätze schon fast zur Normalität geworden sind, weshalb er bereits den Ausblick ins kommende Geschäftsjahr wirft, das die neuzeitliche Ausnahme sein wird. Es folgten der Bericht und die Entlastung des Aufsichtsrates, danach eine einzige Wortmeldung aus dem Publikum – und damit war der offizielle Teil, abgesehen von zwei Anträgen, über die zum Schluss noch abgestimmt wurde, um viertel vor neun vorbei.
Versöhnliche Zeichen
So richtig mag der eine oder die andere das kaum glauben, doch als anschließend anlässlich der geplanten Ehrung des Altvorstandes ein Film über deren Geschichte mit dem Verein über die Leinwand flackert, entspannen sich alle merklich. Großes Kino ist das, mit Schnauzbärten, O-Tönen und der perfekten Portion Nostalgie. Und die Verantwortlichen haben sich für ihre Inszenierung des Ganzen ein großes Kompliment verdient. Es war schon ein Balanceakt, der da gelingen musste, von Ehrenden wie Geehrten gleichermaßen, schließlich war da einiges zu Bruch gegangen zwischenzeitlich. Aber beide Seiten einte spürbar der Wunsch nach diesem versöhnlichen Zeichen für alle Beteiligten und das sagt viel aus über die 05-Familie.
Die stand an diesem Abend so deutlich und eng zusammen wie schon eine ganze Weile nicht mehr. Die Rede, mit der Harald Strutz sich für die Ernennung zum Ehrenpräsidenten bedankte, ließ die Temperatur im Saal mächtig ansteigen und in einigen Augen glitzerten Tränen. In just diese Stimmung kam der launige Videogruß von Jürgen Klopp, der „seine Jungs“ aus der Ferne für Ehren-Präsidentschaft und -Mitgliedschaft feierte – und auf diesen fruchtbaren Boden fiel auch die Nachricht von Christian Heidel, der mit Meer im Rücken aus der Reha auf Mallorca grüßte. Bezeichnender als seine Botschaft selbst war fast, was er ihr vorausschickte, nämlich, dass er lange darüber nachgedacht habe, ob er sagen solle, wozu er schließlich ansetzte, also, den Zusammenhalt der Fans zu beschwören. Er beweist mit diesem Zögern ein gutes Gespür, weil es zeigt, er möchte den aktuellen Verantwortlichen nicht dazwischenfunken. Er zeigt aber auch deutlich, wie sehr der Verein ihn weiterhin bewegt und wie intensiv er ihn verfolgt.
Weder Harald Strutz noch Christian Heidel oder Jürgen Klopp sind dafür bekannt, dass sie den Leuten nach dem Mund reden. Alle stehen für das, was sie sagen und was sie an diesem Abend über Mainz 05 gesagt haben, der zärtliche, zuversichtliche Blick auf den Verein, den ihre Worte offenbarten, all das kam von Herzen – und zur rechten Zeit. Die Gegenwart der 05er ist nicht losgelöst von der Vergangenheit, ihr derzeitiger Weg setzt konsequent die bisherigen Schritte fort. Und so gingen viele Nullfünfer*innen mit dem guten Gefühl nach Hause, wie positiv die Beiträge der ehemaligen und aktuellen Verantwortlichen ineinandergegriffen, wie klar sie sich ergänzt hatten. Es war ein sehr versöhnlicher und wichtiger Abend und die Geschlossenheit, die dabei spürbar wurde, macht Hoffnung für die schwierigen anstehenden Wochen.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin