Wortpiratin: Der gute Herr Hopp und die bösen Impfultras
Schmähplakate von Fans und ein verkannter Mäzen, der die Welt rettet - über Dietmar Hopp wurde in den vergangenen Tagen viel berichtet. Die Wortpiratin geht den Wirrungen auf den Grund.
Von Mara Pfeiffer
Dietmar Hopp.
(Foto: dpa)
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MAINZ - Wie schnell die Welt sich manchmal dreht, das ist dieser Tage natürlich nicht bloß im Fußball zu beobachten. Aber viele Schwierigkeiten, vor die unsere Gesellschaft durch die Corona-Krise gestellt wird, spiegeln sich auch hier wieder. Sorgen um die Gesundheit des Einzelnen, Fragen zu Vernunft und Panik, der Wunsch nach Solidarität, wirtschaftliche Herausforderungen und das Thema Abstand – zumindest körperlich. In Gedanken und Gesprächen dürfen wir alle uns glücklicherweise auch in diesen außergewöhnlichen Zeiten nahe sein.
Kaum zu glauben also, dass vor gerade zweieinhalb Wochen das große Thema im deutschen Fußball die Schmähplakate gegen Dietmar Hopp waren. Rückblickend auch etwas erstaunlich, dass dabei nicht wirklich über finanzielle Aspekte von möglichen Spielabbrüchen gesprochen wurde. Welche Ansprüche kann ein Sponsor eigentlich geltend machen, wenn seine Bande im Zuge eines Spielabbruchs im Stadion und an den heimischen Empfangsgeräten nicht über die vollen 90 Minuten gezeigt werden kann? Schwamm drüber, ging ja um Solidarität. Oder?
Wie und mit wem diese, auch im Fußball, gezeigt wird, das werden die kommenden Wochen zeigen, von denen wir aktuell nicht wissen können, wohin sie uns führen. Fest steht, in ersten Statements zu der Krise haben nicht alle Verantwortlichen gerade größerer Vereine besonders glücklich agiert oder solidarisch geklungen. Sie werden sich jedoch an ihren großen Worten messen lassen müssen: Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt kann nicht nur greifen, wenn es um Fanverhalten geht, sondern muss Maxime des Fußballs allgemein sein.
Natürlich ist die Frage erlaubt, inwieweit es sinnhaft ist, zwischen den Vorkommnissen rund um Hopp im Februar und der aktuellen Ausnahmesituation Zusammenhänge zu ziehen. Das passiert allerdings nicht erst in dieser Kolumne, sondern ist längst geschehen und wird deshalb hier aufgegriffen. Am Wochenende nämlich gab es Meldungen, wonach US-Präsident Donald Trump versuche, einen potentiellen Impfstoff gegen das Virus exklusiv für Amerika zu sichern. Dafür wolle er Wissenschaftler*innen in die USA locken, hieß es. Hierzulande forschen unter anderem Mitarbeiter*innen der Firma CureVac und des bundeseigenen Paul-Ehrlich-Instituts gemeinsam an der Herstellung eines solchen Impfstoffs.
Nun passierten eine Reihe bizarrer Dinge, die vor allem eines sicher belegen: Fußballfans im allgemeinen und Ultras im Besonderen haben in Deutschland keinerlei Lobby. Aber der Reihe nach. Haupteigner von CureVac ist Dietmar Hopp, über die Dievini Hopp BioTech Holding. Der ließ in einem Artikel des Manager Magazins, den die TSG Hoffenheim öffentlichkeitswirksam über ihre Social-Media-Kanäle streute, wissen: „Wenn es uns hoffentlich bald gelingt, einen wirksamen Impfstoff gegen das Corona-Virus zu entwickeln, soll dieser Menschen nicht nur regional, sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können.“
Daraus wurden vielfach zwei eilige Schlussfolgerungen gezogen, erstens: Dietmar Hopp rettet die Welt, zweitens: Ultras sind und bleiben scheiße. Geschenkt, dass die Welt nicht schwarz und weiß, ergo auch nicht ganz so simpel ist, es passte einfach zu gut in die Erzählung dieser Zeit. Der verkannte Mäzen bekämpft eigenhändig eine Pandemie, während die doofen Ultras und sonstige Fans mal wieder nicht kapieren, wie beschränkt ihre Handlungen sind. In den sozialen Netzwerken ging das so weit, dass Leute forderten, Fußballfans müsse der Impfstoff vorenthalten werden. Entschuldigen müssen sie sich natürlich eh, so der Konsens.
Gab es wirklich ein Angebot
Schenken wir uns erstmal die komplette Thematik, dass mehr als ein Unternehmen in Sachen Impfstoff forscht und niemand weiß, wer nun Erfolg haben wird. Lassen wir die Frage danach, wieso die TSG Meldungen dieser Art über ihre Fußballkanäle teilt, großzügig außer Acht. Und verkneifen wir uns den Hinweis aufs Credo: Tue Gutes und sprich nicht darüber. Bei all diesen Punkten schwingen schließlich Emotionen mit, bleiben wir also lieber bei den Fakten. Die sind nämlich überraschend eindeutig.
Die Firma CureVac selbst twittert zu den Vorgängen: „To make it clear again on coronavirus: CureVac has not received from the US government or related entities an offer before, during and since the Task Force meeting in the White House on March 2. CureVac rejects all allegations from press.“ – Es hat demnach also weder von der US-Regierung noch verwandten Stellen ein Angebot an CureVac gegeben, wohlgemerkt laut eigener Aussagen des Unternehmens. Dessen kommissarischer Chef Franz Haas beteuert in einer Telefonkonferenz mit internationalen Journalist*innen laut Berichterstattung der FAZ, es habe „weder für die Technik noch für das Unternehmen“ ein Angebot gegeben – und auch nicht für exklusive Produktionskapazitäten. Friedrich von Bohlen, der für Hoppsche Dievini im CureVac-Aufsichtsrat sitzt, ergänzte laut FAZ in derselben Konferenz, das Statement Dietmar Hopps sei „proaktiv“ gewesen – daraus möge sich nun jede*r selbst ein Bild machen.
Diese Fortsetzung der verworrenen Geschichte freilich lief von Topanklägern der Fanszenen gänzlich unbeachtet in medialen Wirtschaftsteilen ab, so dass für viele Zaungäste des Themas lediglich hängenblieb, dass Dietmar Hopp die Welt retten möchte, Ultras inklusive, obwohl die doch so böse sind. Und das dürfte auch genauso beabsichtigt gewesen sein. Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum die TSG in einem Interview auf ihrer Homepage immer noch die Mär weiterschreibt, Hopp habe Trump einen Korb gegeben.
Die unglückliche Vermischung von Hopps Engagement im Forschungssektor und der Kritik der Fanszenen an seinem Gebaren im Fußball wird so nicht aufgelöst, sondern vielmehr bewusst aufrechterhalten. Wem das nützt, ist offensichtlich. Die gescholtenen Fußballanhänger*innen starten derweil ohne großes Getöse an vielen Standorten Einkaufsangebote und Botendienste für Ältere und Risikogruppen, zeigen denen, die in Kliniken und Supermärkten arbeiten, ihre Wertschätzung, sammeln für Tafeln und engagieren sich auch sonst gewohnt sozial. Aber wie das nun mal so ist mit der Lobby: Die einen haben sie, die anderen nicht.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin