Als Trainerin einer Männermannschaft muss sich Imke Wübbenhorst viele dumme Fragen gefallen lassen. Für eine schlagfertige Antwort erhielt sie nun den Preis für den Fußballspruch des Jahres. Gut und wichtig, findet Wortpiratin Mara Pfeiffer.
Von Mara Pfeiffer
Imke Wübbenhorst, erste Trainerin einer Oberligamannschaft der Männer, erhält den Preis der Deutschen Akademie für Fußballkultur für den Fußballspruch des Jahres: "Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf."
(Foto: dpa)
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MAINZ - Es gibt Themen, die werden mit der Zeit nicht weniger komplex. Will heißen, auch wenn wir uns als Gesellschaft schon lange damit auseinandersetzen, gibt es immer noch keine einfachen Lösungen. Die Gleichberechtigung aller in dieser Gesellschaft vertretenen Gruppen ist so ein Thema. Denn davon sind wir aktuell weit entfernt, auch wenn die Situation natürlich besser ist als vor zehn, dreißig oder fünfzig Jahren. Aber die Veränderung wird nur weitergehen, wenn sich immer wieder Menschen finden, die für diesen Wandel einstehen.
Manche Dinge haben sich einfach so eingeschlichen. Als es zum Beispiel nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel als DFB-Präsident um seine Nachfolge ging, wurde hier und da die Frage gestellt, ob nicht auch eine Frau dafür in Frage käme. Die gängige Antwort war der Verweis, es gehe um Kompetenz, nicht Geschlecht. Das ist natürlich vollkommen richtig, der Hinweis impliziert dennoch ein wenig, eine Frau sei im Zweifel weniger kompetent. Oder wie anders ist zu erklären, dass bei den Vorschlägen für männliche Kandidaten niemand einbremste, um darauf hinzuweisen, erstmal ginge es doch bitteschön um Kompetenz?
Ärgerlich wird es, wenn das Geschlecht einer Person permanent bestimmendes Thema ist, wenn es eigentlich um ihre Arbeit gehen sollte. Das hat vor einiger Zeit Imke Wübbenhorst als Trainerin der Männer des BV Cloppenburg erfahren. Wübbenhorst war die erste Frau, die eine Männermannschaft in der Oberliga trainierte. Während dieser Schritt aber für die 30-Jährige eine rein berufliche Entscheidung gewesen war, stand in der Öffentlichkeit plötzlich nur noch die Tatsache im Fokus, dass sie – als Frau – diesen Job macht.
Mara Pfeiffer
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin
Stellen Sie sich mal vor, jede*r, di*er sich mit Ihnen über Ihre Arbeit unterhalten möchte, fragt permanent: „Wie fühlt es sich eigentlich an, diesen Job als Frau zu machen?“, „Was hat es für eine Bedeutung, diese Arbeit als Mann auszuführen?“, „Wie fühlst du dich als Frau in dieser Position?“, „Spielt es für die Aufgaben eine Rolle, dass du ein Mann bist?“. Statt also darüber zu reden, wie gut oder schlecht ein Spiel war, wieso Wübbenhorst eine bestimmte Aufstellung gewählt hat oder wie die Zusammenarbeit mit dem Trainerstab läuft, kamen ständig Fragen, die sich damit beschäftigen, dass sie eine Frau ist. Wie unfassbar nervig das sein muss.
Irgendwie verständlich, dass ihr eines Tages der Kragen platze. Auf die Frage, ob sie sich eine Sirene auf den Kopf schnalle, bevor sie die Kabine der Spieler betritt (um nur ja keinen nackt zu sehen, hihi, nackte Männer, hoho) antwortete sie trocken: „Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf.“ Diese Aussage schaffte es bei der diesjährigen Wahl zum Fußballspruch des Jahres in der Jurywertung unter die vier eindrücklichsten Fußballsprüche 2019.
Bei der jährlichen Gala der Akademie für Fußballkultur, die den Preis vergibt, setzte sich der Spruch im Halbfinale gegen Horst Hrubesch durch, der auf eine Frage zu seiner Tätigkeit als Trainer der Damen und Herren geantwortet hatte: „Alle fragen immer, was der Unterschied zwischen den Mädels und den Jungs ist: Es gibt keinen.“ Zweiter Finalteilnehmer war Nationalspieler Leon Goretzka, der nach rassistischen Äußerungen von Fans beim Spiel der Deutschen gegen Serbien gesagt hatte: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage nach der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum.“
Wübbenhorst nahm ihre Auszeichnung von Nationaltorhüterin Almuth Schult entgegen, die vor der Veranstaltung ohne größeren Rummel um ihre Person an der Bar gestanden hatte. Die so Ausgezeichnete erklärte offenherzig, sie habe nicht damit gerechnet, mit einem solchen Spruch mal einen Kulturpreis zu gewinnen. Im Netz überschlugen sich Leute, die ihren Spruch ohne Kontext bewerteten und schrieben, das sei ein Unding, man stelle sich nur mal vor, ein Trainer sagt, er stelle nach Körbchengröße auf. Aber genau das ist der Punkt, keiner der vielen männlichen Trainer von Frauenteams muss sich ständig die dummen Fragen anhören, denen Wübbenhorst begegnete – und es ist gut und wichtig, dass die Auszeichnung das aufzeigt.
Leon Goretzka hat das übrigens verstanden, weshalb er zu den ersten Gratulanten gehörte. In einem Tweet schrieb er: „Liebe Imke, herzlichen Glückwunsch zum Fußballspruch des Jahres. Neben dem Kampf gegen Rassismus ist Gleichberechtigung eines der großen Themen und Ziele unserer Zeit!“ Damit hat er zweifelsohne Recht. Insofern ist es Wübbenhorst auch sehr zu wünschen, dass ihr bei der nächsten Station als Trainerin Fragen zum Job gestellt werden – und die Tatsache, dass sie eine Frau ist, für ihre Arbeit keine Rolle spielt.
Liebe Imke, herzlichen Glückwunsch zum Fußballspruch des Jahres. Neben dem Kampf gegen Rassismus ist Gleichberechtigung eines der großen Themen und Ziele unserer Zeit! #fubakuphttps://t.co/m5yEacGTVF— Leon Goretzka (@leongoretzka_) October 25, 2019
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Disclaimer: Die Autorin war Teil der Jury für den Fußballspruch des Jahres.