Mainz 05 im Trainingslager: Endlich Zeit für Slow-Dating
Während in den ersten Wochen bei Mainz 05 für Neu-Trainer Achim Beierlorzer oft das Sportliche im Vordergrund stand, schaut er im Trainingslager hinter die Fußballer-Fassaden.
Von Nils Salecker
Sportredakteur
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
ESTEPONA - Von jetzt auf gleich sollte Achim Beierlorzer performen. Nach seinem Amtsantritt bei Fußball-Bundesligist Mainz 05 Mitte November hatte der Trainer nur wenige Tage Zeit, seine Mannschaft kennenzulernen. Dann stand bereits das nächste Ligaspiel gegen Hoffenheim auf dem Programm. Seine allerersten Tage am Bruchweg verglich der neue Trainer von Fußball-Bundesligist deshalb mit „Speed Dating“. Jeden mal sprechen wollen, erste Eindrücke sammeln. Dass viele Gespräche anfangs erst mal oberflächlich blieben, lag in der Natur der Sache.
In Andalusien will er das nun intensivieren. Das Trainingslager in Estepona gibt dafür den Raum. Beierlorzers Draht zum Team ist zwar mittlerweile enger geworden. „Je länger man mit ihnen zusammen ist, desto mehr erfährt man über sie“, sagt er. Als Jeremiah St. Juste im Dezember Vater wurde, kam der Coach mit dem Niederländer beispielsweise automatisch tiefer ins Gespräch. „Über ihn weiß man dann auf einmal viel, viel mehr, weil man sich mit ihm unterhält: über das Baby, wo seine Frau herkommt und so weiter. Das ergibt sich dann einfach aus dem täglichen Miteinander.“
Das Trainingslager läutet dennoch die zweite Phase in der Beziehung zwischen Beierlorzer und Mainz 05 ein. „Ich werde die Zeit hier nutzen, um individuelle Gespräche zu führen“, sagt der 51-Jährige, „um den einen oder anderen auch privat, auf einer persönlichen Ebene besser kennen zu lernen.“ Während der penibel durchgetakteten Bundesliga-Wochen war das etwas auf der Strecke geblieben. „Bisher haben wir uns unheimlich viel mit der sportlichen Seite beschäftigt.“ Für den Pädagogen Beierlorzer geht es aber auch darum, hinter die Fußballer-Fassaden schauen. „Warum ist ein Spieler so, wie er sich gerade gibt“, führt der Trainer aus. Wer hat vielleicht privat Probleme? Wer ist mit Gedanken vielleicht woanders und deshalb vielleicht nicht fokussiert aufs Sportliche? Beierlorzer hat die Vielschichtigkeit seiner Spieler im Blick, weiß ganz genau: Wie Maschinen ticken sie nicht.
Mainz-05-Coach Achim Beierlorzer (links) im Trainingslager mit Jean-Philippe Mateta.
(Foto: rscp/ Heinen)
Die Abende gehören dem Team
Slow- statt Speed-Dating ist angesagt. Im Bundesliga-Alltag liefen die Gespräche eher beiläufig, in Spanien forciert er sie pro-aktiv. Auf dem Rasen nimmt sich Beierlorzer seine Schützlinge immer wieder mal beiseite, scherzt mit ihnen, erklärt gestenreich, herzt seine Spieler. Darüber hinaus bieten aktuell vor allem die Abende den Raum für Tuchfühlung. „Da kann man ganz locker mit dem einen oder anderen mal eine halbe Stunde reden, auch ohne dass es dazu einen speziellen Anlass gibt“, schildert der Franke. Auch Teambuilding-Maßnahmen gegenüber zeigt er sich offen. „Ich finde, das ist prinzipiell etwas Gutes. Es sollte nur nichts Gezwungenes sein wie Kartfahren.“ Das mache zwar Spaß, „mit Teambuilding hat das aber nichts zu tun.“ Wenn dann sollen solche Maßnahmen wirklich zusammenschweißen. Wie beispielsweise „Canyoning im Sommer“, führt Beierlorzer aus, „weil man sich da in der Gruppe hilft.“
Konkretes hat Beierlorzer dafür in Estepona noch nicht ins Auge gefasst, entscheidet das spontan. So außergewöhnlich, wie durch Schluchten zu wandern, muss es für den 51-Jährigen aber auch gar nicht zwingend sein. Spiele im Training „können genauso Teambuilding sein“, sagt er. Klar ist: Beierlorzer will nahbar sein für seine Spieler, sie nicht nur als solche kennenlernen. Dass Speed-Dating nur selten zum großen Liebesglück führt, weiß auch er. „Zu denken, die Frau fürs Leben darüber zu finden, ist schwierig“, sagt der Coach lachend. Privat ist Achim Beierlorzer selbst seit mehr als 20 Jahren mit seiner Frau Steffi verheiratet. Sein Vertrag bei Mainz 05 läuft bis 2022. Eine kurze Liaison soll auch das nicht werden.