Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Sexismus ist kein Herrengedeck
Unter dem Hashtag #metoo wird aktuell das Thema Sexismus diskutiert. Auch unsere Kolumnistin Mara Pfeiffer bleibt davon nicht verschont: "Warum ist Kritik bei Frauen selten sach- und oft geschlechtsbezogen?", fragt die Wortpiratin.
Von Mara Pfeiffer
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MAINZ - An meinem Job als Kolumnistin schätze ich speziell die wunderbare Möglichkeit, aus meiner persönlichen Perspektive über Mainz 05 und das Drumherum zu schreiben. Bei einem Thema, das so emotional ist wie Fußball, ist der Ansatz für mich perfekt. Mit dem Privileg geht eine Verantwortung einher, sich einzumischen, wenn man beitragen kann zum gesellschaftlichen Diskurs. Deshalb geht es heute nicht ums Heimspiel gegen Augsburg, sondern um Sexismus, genauer: die #metoo-Debatte. „Ach nö“, mag der eine oder andere denken. „Muss das sein?“ Und vielleicht wollen Sie dahin blättern, wo es wieder um Sport, und nur um Sport geht. Bitte unterdrücken Sie diesen Impuls und halten ein paar Minuten mit mir durch.
Unter dem Schlagwort #metoo wird aktuell das Thema Sexismus diskutiert. Wenn dieses bei Nötigung oder Vergewaltigung anlangt, herrscht in unserer Gesellschaft zum Glück Konsens, gepaart mit rechtlichen Mitteln, um dagegen vorzugehen. Schwierig im Sinne des persönlichen Umgangs ist Alltagssexismus, der oft unbemerkt bleibt. Er aber ist die Drehschraube, an der wir alle Sexismus in der Gesellschaft bekämpfen können. Was aber hat das mit der Kolumne zu tun? Ich bekomme viele Rückmeldungen zu meinen Texten, Lob ebenso wie Kritik, beides gehört dazu. Nur: Warum ist Letztere bei Frauen selten sach- und oft geschlechtsbezogen?
Zu doofen Sprüchen kommen Beleidigungen
Wenn ich das Loblied auf einen Spieler anstimme, was verleitet einen Leser, zu erklären: „Ich möchte keine Texte lesen, bei denen der Autorin beim Schreiben offenbar die Milch eingeschossen ist.“ Warum wird Kritik mit dem Hinweis versehen, die Hormone seien mit mir durchgegangen? Wieso nehmen sich Leute heraus, zu behaupten, ich bekäme im Fußball nur Aufmerksamkeit, weil ich Brüste habe? Zu doofen Sprüchen kommen Beleidigungen: Ultra-Hure, wenn Leser meine Ansicht gegenüber Fans nicht teilen. Fußballanhänger aus der Pfalz melden sich zu Wort, um mich nach TV-Auftritten als 05-Schlampe zu titulieren und zu sagen, sie würden es mir in diverse Körperöffnungen besorgen wollen.
Die Quotenfrau ist man sowieso überall, obwohl immer mehr Frauen über Fußball berichten. Bemerkungen zur eigenen Optik hat man auszuhalten, ebenso den Griff an den Hintern und, sofern man diesen wütend kommentiert, den Nachklapp, man solle doch froh sein, dass einen mal jemand anfasst. Am Ende war alles immer gar nicht so gemeint. Und doch hat es einen Effekt. Wie sehr einen diese Dinge angreifen, ist von vielen Faktoren abhängig. Ich bin heute lange genug dabei, um sie in den meisten Situationen abzuschütteln. Das macht sie aber nicht richtig. Und es gibt Berufsanfängerinnen, denen die Souveränität und der Mut fehlen, um jene in die Schranken zu weisen, die ihnen gegenüber ungehörig auftreten. Nicht nur im Fußball.
Meine Ansinnen? Aufmerksamkeit zu schaffen für Momente, in denen Grenzen überschritten werden. Mein Plädoyer? Erheben Sie die Stimme, wenn Sie solche Situationen miterleben. Meine Bitte: Überlegen Sie ergebnisoffen, wo Sie selbst übers Ziel hinausgeschossen sein könnten, ohne es vielleicht böse zu meinen. Mein Angebot: Schreiben Sie mir. Ich freue mich über Dialog, zu diesem Thema und zu allem anderen, was Mainz 05 betrifft. #metoo
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin