Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Eine Kurve sollt ihr sein!
Haupttribüne oder Stehblock, VIP oder Ultra - es gibt verschiedene Fanlager. Diese haben sich bei Mainz 05 in den vergangenen Jahren sehr weit voneinander entfernt, meint Wortpiratin Mara Pfeiffer.
Von Mara Pfeiffer
Die Opel Arena.
(Archivfoto: Michael Bermeitinger)
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MAINZ - Kürzlich entbrannte online eine Diskussion darüber, ob man als 05-Fan ein wenig neidvoll auf den großen Fußballnachbarn schaut, wenn der beim Auswärtsspiel in Europa von mehr Fans begleitet wird als unsere Buben in Frankfurt unterstützen. Die Reaktionen waren gemischt, manch einer konnte nicht nachvollziehen, wieso man sich überhaupt mit der SGE beschäftigt, es gab aber auch respektvolle, ja aufseufzende Reaktionen, frei dem Motto: Wieso ist das bei uns eigentlich nicht so? Ein Paartausend Mitreisende, die machen schon was her.
Es ist auf den ersten Blick ein Thema, das uns alle beschäftigt, auch wenn es mittlerweile fast jeden Stadiongänger nervt: Zuschauerzahlen. Man kann da pragmatisch rangehen und zum Beispiel feststellen, dass Mainz 05 erst große Zeiten erlebt hat, als in direkter Nachbarschaft bereits die Eintracht und der FCK alles abgeräumt hatten. Man kann aufzeigen, wie viele Menschen in Frankfurt und Umgebung leben und wie viele in Mainz, eine Vergleichsgröße, die von einigen stur belächelt wird, die sich aber nicht wegdiskutieren lässt, denn die Strahlkraft eines Vereins wie Mainz 05 ist nun mal vor allem eine regionale.
Nicht alle sind sich untereinander grün
Es ist auf den zweiten Blick auch ein Thema der Begeisterungsfähigkeit des eigenen Anhangs. Und es geht dabei im Kern vielleicht vor allem darum, wie vereint sich dieser Anhang selbst versteht. Wobei mit „vereint“ nicht homogen gemeint ist, denn die Fans, die einem Verein die Treue halten, zerfallen immer in Gruppierungen, von denen sich nicht alle untereinander grün sind. Die entscheidende Frage ist, was am Ende mehr wiegt, wenn es darum geht, zusammen im Block oder Fanflieger zu sitzen: Die Dinge, die einen trennen, oder das, was eint, also die Liebe zum Verein.
In Mainz haben sich die verschiedenen Gruppen für mein Gefühl in den letzten Jahren sehr weit voneinander entfernt, und das, ohne sich untereinander wirklich zu kennen. Die vielfach aufgekündigten oder schlechten Beziehungen haben in der Realität nie existiert, sondern nähren sich über Dinge, die man vom Hörensagen zu wissen glaubt und von Vorurteilen, die man der jeweiligen Gruppe entgegenbringt. Schubladendenken.
Natürlich gibt es auf der Haupttribüne Fans, die sich mehr für die Halbzeithäppchen als für das Spiel interessieren. Klar gibt es bei den VIPs solche, die eigentlich einem großen Verein die Daumen halten und nur aus regionaler Verbundenheit ins Stadion gehen. Sicher gibt es unter den Ultras Chaoten, die sich auf Auswärtsfahrten nicht benehmen können. Natürlich finden sich unter den 05ern jene, die Fußball nur als Anlass nutzen, um sich die Lichter auszupusten und grölend durch die Felder zu ziehen. Klar gibt es Leute im Familienblock, die an allem etwas auszusetzen haben, und auf jeder Tribüne Anhänger, die so viel dummes Zeug babbeln, dass man sich fast wünscht, sie wären zu Hause geblieben und würden den TV anbrabbeln.
Alle haben eines gemeinsam: 05
Na und? Es ist beim Fußball wie im sonstigen Leben, Menschen benehmen sich nicht immer so, wie man es selbst für richtig hält, sie vertreten unterschiedliche Werte und leben ihre Leben auf verschiedene Arten und Weisen. Man muss nicht alles daran gut finden, man darf das, was im eigenen Wertekanon aneckt, auch kritisieren, aber es sollte doch möglich sein, sich im Stadion bei einem gemeinsamen Bier über das auszutauschen, was man gemeinsam hat: Mainz 05.
Die Art und Weise, wie verschiedene Fanlager teils mit dem Finger aufeinander deuten, die Lust an der gewitterten Katastrophe, die Geringschätzigkeit dafür, wie andere ihre Liebe zum Fußball ausleben, vor allem aber die mangelnde Bereitschaft, sich tatsächlich auseinander zu setzen, im echten Leben, statt übereinander im Netz zu philosophieren, haben der Fanszene als Ganzes in den letzten Jahren definitiv geschadet. Dabei gibt es auch neben dem Platz viele Möglichkeiten, einander zu begegnen, sei es in Arbeitsgruppen der Fanabteilung, den Bussen der Supporters zu Auswärtsspielen oder bei den vielen großartigen Veranstaltungen im neuen Fanhaus, das allen, wirklich allen offensteht. Ihr lieben Leute, bitte nutzt diese Angebote. Baut Berührungsängste und Vorurteile ab, lernt einander kennen und entdeckt, wie sehr die Liebe zum Verein verbindet. Eine Kurve sollt ihr sein, ein Stadion, ein Verein. Für immer Mainz 05.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin