Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Die Saison war eine lebendige Erinnerung an harte Zeiten
Die Saison 2016/17 hat die Fans des FSV Mainz 05 demütiger gemacht, wieder daran erinnert, wie schlecht der Fußballgott den 05ern bisweilen schon mitgespielt hat. Nichtsdestotrotz fragt sich Wortpiratin Mara Pfeiffer in ihrer aktuellen Kolumne, wo der Punkt war, an dem einigen Fans die Euphorie stiften ging?
Von Mara Pfeiffer
Bange Minuten für die 05er-Profis nach dem Schlusspfiff gegen Eintracht Frankfurt. Das Bangen war ein Symbol der Saison 2016/17. Foto: Sascha Kopp
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MAINZ - Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn mir im letzten Sommer irgendjemand diesen Saisonverlauf prophezeit hätte, wäre meine Reaktion ein müdes Abwinken gewesen. Von der Europa League, aus der man blödestmöglich ausscheidet, runter in den tiefsten Abstiegskampf – und dann mit einem 4:2 nach 0:2 Rückstand doch bereits am vorletzten Spieltag (mehr oder weniger) gerettet (weil nur eine Explosion in der Tordifferenz uns noch stürzen kann). Am, äh, Boppes die Waldfee, wie das so schön heißt. Sowas passiert uns nicht. Kurzes Innehalten. Will sagen, passiert uns nicht mehr. Früher, ja, früher waren wir doch definitiv der Verein, an dem der Fußballgott sich ausgetobt hat, wenn er einen wirklich miesen Tag hatte. Oder aber einen besonders guten, an dem er dennoch einen gewissen Grund-Sadismus nicht stecken lassen konnte. Dann ging zwar alles gut aus, lief aber nicht ohne diverse Herzkasper ab.
Insofern wiederum eigentlich fast verwunderlich, wie hart Fans und Verantwortliche von den Entwicklungen der ablaufenden Saison getroffen wurden. War ja im Grunde nicht mehr als die Wiederherstellung des einstigen Normalzustandes. Sozusagen eine sehr lebendige Erinnerung daran, wo wir herkommen, welche Wegstrecke hinter uns liegt. Und die kam doch zur absolut rechten Zeit, hat den einen oder anderen Fan wieder etwas demütiger gemacht. Oder, um es positiver auszudrücken, dankbarer, dafür, dass die wilde, tragische, tolle, bunte, unfassbare Geschichte dieses Vereins uns allen eine Gegenwart beschert, die unsere Nachkommen einst mit leuchtenden Augen in 05-Geschichtsbüchern nachlesen werden. Weil wir, wie Christian Heidel es so schön zu sagen pflegte, unsere Tradition hier in Mainz selbst miterleben, Teil dessen sind, was zum Herz der Vereinsgeschichte gehört.
Wie konnte uns dieses Gefühl des Besonderen in den letzten Jahren verloren gehen? Klar, der Erfolg macht bisweilen satt und träge, und ja, in einem Geschäftszirkus wie die Bundesliga es nun mal ist verändern sich gewisse Dinge zwangsläufig. Die notwendige Professionalisierung schafft eben auch Barrieren und Distanzen, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Wo aber war der Punkt, an dem einigen Fans die Euphorie stiften ging?
Aufarbeitung im Verein und dem Umfeld ist dringend nötig
War es bereits, als Thomas Tuchel im Moment des größten Erfolges seine Koffer packte, sich nicht halten ließ, seine Liebe entzog und ins Sabbatical verschwand? Hatte der Bruch auch etwas mit dem Umzug in die Felder vor Bretzenheim zu tun, wo einige Fangruppen bis heute nicht heimisch geworden sind? War es der unerwartete Abgang des Don? Oder der sich verändernde Spielstil, der vielleicht doch nicht so für Mainz steht, wie viele das in den letzten Monaten aus alter Gewohnheit bestätigt hätten? War es die Causa Strutz, die seltsame Gier der überregionalen Medien nach Katastrophennews in dieser Phase des Chaos’, nachdem sich jahrelang im Erfolg niemand derart für die Mainzer Geschichte interessiert hatte?
Im tiefsten Detail wird sich das vermutlich nicht klären lassen. Eine Aufarbeitung der Saison im Verein und dem Umfeld ist aber zwingend notwendig, ebenso der Blick über die Spielzeit hinaus – in die Vergangenheit, um zu lernen und in die Zukunft, um sich zu entwickeln. Für uns Fans wurde mit dem emotional leidenschaftlich geführten Abstiegskampf, der sein Finale im euphorisierenden Heimsieg gegen die Eintracht fand, ein perfekter Grundstein gelegt. Der alte Zusammenhalt der Aufstiegsjahre war in neuem Gewand spürbar und diesen Schwung gilt es, mitzunehmen in die kommenden Monate, in denen wichtige Entscheidungen rund um den Verein anstehen. Mein Appell lautet deshalb: werdet Mitglied, engagiert euch in der Fanabteilung, bewerbt euch für den Aufsichtsrat, seid aktiv für euren Verein. Erst aber geht es ab nach Köln, per Boot, Zug, Auto oder von mir aus zu Fuß. Saisonabschluss feiern. Weil wir es uns verdient haben. #Mainzbleibt1 #100ProzentEinsatzfürunserZiel #niemehrzweiteLiga
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marabraun.de
Mara Braun bei Twitter: Wortpiratin