Kolumne der Wortpiratin: Den Fummlern auf die Finger schauen
Stadien sind Orte voller wunderbarer Menschen, es sind aber leider immer ein paar Idioten darunter. Und so tummeln sich Fummler auch im Stadion. Die Aufforderung der Wortpiratin daher: "Greifen Sie ein!"
Von Mara Pfeiffer
Ein Mann greift einer Frau an die Pobacke.
(Symbolfoto: dpa)
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MAINZ - In den Neunzigern war ich mal als Schülerin mit einer Gruppe Freundinnen auf einem Konzert. Okay, ist nur die halbe Wahrheit, eigentlich war es ein Volksfest und in einem der Zelte spielte eine Coverband. Ganz eindeutig stand aber eine Band auf der Bühne und ich davor, tanzend, singend, vermutlich mit einem Bier bewaffnet. Dabei näherte sich mir immer wieder derselbe Typ. Anfangs hielt ich die sich häufenden Berührungen im Getümmel für ungewollt, schnell aber wurde klar, es waren keine zufälligen Zusammenstöße. Bald versuchte er zielstrebig, sich seinen Weg an Stellen zu fummeln, die ihn nichts angingen. Was tun?
Wir Mädels, vermutlich waren wir zu dritt, wie immer in jenen Tagen, rückten ab von ihm, ich drehte meinen Körper aus seiner Reichweite, vielleicht habe ich ihn auch weggeschubst. Nein, an alle Details erinnere ich mich gut zwanzig Jahre später nicht. Wohl aber an die Hilflosigkeit der Situation, die dadurch verstärkt wurde, dass ich merkte, die Jungs auf der Bühne bekamen mit, dass da eine Unruhe herrschte. Die Konsequenz? Ich schämte mich, im Gefühl, die Band womöglich abzulenken oder ihre Aufmerksamkeit zu stören. Absurd.
Eins in die Kauleiste
Der Typ, der nicht von mir abließ, lachte mit seinem Kumpel über die Situation, von der er gewiss war, sie voll zu beherrschen. Ich versuchte im dichten Gedränge erneut, mehr Platz zwischen mich und das feist grinsende Arschloch zu bringen, als sich plötzlich tatsächlich Raum auftat: Weil die Leute vor der Bühne mitbekommen hatten, der Sänger setzte zum Sprung an. Den führte er aus, landete, machte einen Schritt auf mich zu, den nächsten an mir vorbei – und ließ sich lässig vorkippen, um dem Typen eins in die Kauleiste zu zimmern. Dann nickte er mir mit einer angedeuteten Verbeugung zu, kletterte zurück auf die Bühne und die Show ging weiter, ohne den Fummler, der sich in Sekundenschnelle davongemacht hatte.
Vielleicht fragen Sie sich nun, was diese Geschichte mit Fußball zu tun hat und die Antwort ist: alles und nichts. Alles, weil Frauen überall auf der Welt permanent solche Geschichten erleben und nichts, weil sie weder ins Stadion noch sonst irgendwo hingehören. Klar ist aber, sie sind Realität und nur sehr selten steigt in dem Moment der üblen Bedrängnis, in dem Scham, Angst und Verwirrung die Reaktion der angegriffenen Frau lähmen, jemand von einer Bühne, um sie mit einem gezielten Faustschlag zu verteidigen. Stattdessen werden die Betroffenen viel zu oft alleingelassen mit der Situation, und wenn sie es schaffen, um Hilfe zu bitten, wäre da noch die Hürde zu überwinden, dass sie jemanden finden müssen, der ihnen glaubt.
Auch im Stadion gibt es solche Vorfälle. Nein, nicht weil Fußballfans unerzogene Asoziale sind, die nur an Alkohol, Pyro und Fummeln denken, sondern weil dort, wie überall, großartige und feine Menschen neben Vollidioten stehen, weil Stadien diese Gesellschaft in einer Nussschale sind. Selten erfährt man hinterher davon, nun aber ging der Fall einer 22-Jährigen, die von einem übergriffigen Erlebnis auf Schalke erzählt hat, durch einige Medien.
Seien Sie aufmerksam, offen und hilfsbereit
Die Reaktionen auf ihre Vorwürfe in den Kommentarspalten lasen sich teilweise wie eine klare Herleitung dafür, warum Frauen sich so verdammt schwer damit tun, auf derartige Situationen aufmerksam zu machen. Ob das so stimmt? Klingt nicht schlüssig. Warum hat sie sich nicht soundso verhalten, und hätte man nicht stattdessen, aber vor allem: Ob das alles so stimmt. Hm, hm, hm.
Auch die Angst davor, mit einem solchen Erlebnis nicht für voll genommen zu werden, spielt oft eine Rolle, wenn Frauen sich entscheiden, lieber nichts darüber zu sagen, was ihnen da passiert ist. Zumal, wenn Alkohol im Spiel ist, der in der perversen Logik einiger den Täter eher entlastet, das Opfer aber in eine Mitverantwortung zieht. Grober Unfug. Diese Angst also darf es nicht geben und jeder Ort ist ein guter, um damit anzufangen, sie aufzubrechen.
Das „Wie“ ist eigentlich sehr einfach. Seien Sie aufmerksam, offen und hilfsbereit. Schauen Sie hin, hören Sie zu, handeln Sie.
Ich sage das gern immer wieder: Fußballstadion sind Orte voller wunderbarer Menschen, es sind aber leider immer ein paar Idioten darunter. So, wie überall sonst auch. Wenn die sich in Ihrer Gegenwart danebenbenehmen, greifen Sie ein. Helfen Sie, machen Sie deutlich: „Das werden wir hier nicht dulden. So etwas lassen wir als Gemeinschaft nicht zu. Hier ist die Grenze.“ Die meisten von uns verbringen viel Zeit im Stadion und wir alle können daran mitwirken, dass es ein Wohlfühlort bleibt. Und Erlebnisse wie jene, die nun aus Schalke bekannt wurden, umgekehrt Einzelfälle, gegen die wir uns entschlossen stellen.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi".
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin