LEIPZIG - Das Hübsche an RB Leipzig ist nicht zuletzt, dass sie noch Rekorde erleben. Und zwar derzeit im Wochentakt. Hieß es vor drei Wochen noch, der Brause-Klub habe den europäischen Rekord im Blick – nur Villarreal schaffte es vor 14 Jahren als Euro-Neuling direkt ins Halbfinale –, purzeln derzeit die, falls man es so ausdrücken darf, Negativ-Bestmarken.
Zwölf Bundesliga-Gegentore gegen Hoffenheim, das jüngste 2:5 eingerechnet – gegen kein Team fingen sich die Ostdeutschen mehr Treffer. Das 0:4 im Hinrundenduell war schon die deftigste Bundesliga-Pleite „aller Zeiten“. 15 Gegentore in den jüngsten vier Pflichtspielen seit dem 1:0-Hinspielerfolg gegen Marseille – kaum zu fassen für das lange Zeit so virtuose Pressing-Orchester. Dabei hatte diese Saison, die zweite in der Liga-Geschichte der Leipziger, schon mehrere dürftige Phasen.
Und das darf man den „Bullen“ nun wirklich nicht verdenken. Es mag noch so viel Geld unterwegs sein. Erfahrung kommt von Erfahrung. Und die Leipziger setzen eben auf Talente und nur selten auf fertige Spieler. Dass die Europa-League-Belastung sich irgendwann auswirken würde, dürfte keine Überraschung sein. Und doch: Erster, Vierter, Dritter, Erster, Zweiter, Fünfter, Zweiter, Zweiter – seit der Vereinsgründung 2009 ging es im Sauseschritt durch fünf Spielklassen. Und Misserfolg will gelernt sein.
In Leipzig wird derzeit fleißig geübt. Ralf Rangnick legte kurzerhand Vertragsgespräche unter anderem mit Trainer Ralf Hasenhüttl auf Eis. Der stellte seine Mannschaft öffentlich in den Senkel – und beschwor zugleich den Zusammenhalt. Dabei gibt es gute Gründe für den krachenden Absturz aus der Reihe der Champions-League-Anwärter. Die Verletzten sind ein gravierender, nur 16 Feldspieler waren im ersten Mannschaftstraining diese Woche noch übrig. Die vielen Englischen Wochen zehren die auf frischen Vollgas-Stil abonnierte, junge Truppe aus. Ein Plan B fehlt. Spaß haben derzeit vor allem die anderen. Fünf Tore für Hoffenheim, vier für Leverkusen, fünf für Marseille – dem unverändert entschlossenen Offensivspiel fehlt die Verankerung in der kollektiven Defensiv-Arbeit. Die Räume, die die Leipziger schon immer anboten, die der dauergehetzte Gegner aber nicht zu finden vermochte, liegen nun sperrangelweit offen.
Für Emil Forsberg, Scorerkönig der glänzenden Vorsaison, ist die Runde nach seiner Tätlichkeit gegen Bremens Grillitsch und der folgenden Drei-Spiele-Sperre vorüber. Das „Zusammenschweißen“, von dem Hasenhüttl redet, ist derzeit rein quantitativ eine leichte Übung. Andererseits: Die vielen Gegentore nach Standards haben wohl weniger etwas mit müden Beinen als mit fehlender Konzentration zu tun. Und die ist Einstellungssache.
Leipzigs Sturm an die Spitze, zur Vizemeisterschaft, ins Euro-League-Viertelfinale erfolgte im Vollsprint. Doch auch der noch so methodisch trainierte Sportler braucht mal eine Pause. Das Gute aus Sicht der Sachsen: Gegen die 05er gewann Hasenhüttl, die Saison als Ingolstadt-Trainer eingerechnet, vier seiner fünf Spiele, nur das 2:2 in der Hinrunde fällt aus dem Rahmen. Rettungsanker Mainz? Am Sonntag steht das 100. Bundesligaspiel des Österreichers als Chefcoach an. Noch so ein Jubiläum. Ob es ein freudiges wird oder weitere Negativ-Bestmarken purzeln, wird sich erweisen.