Ein Wechselbad der Gefühle beim Saisonausklang der Lilien

aus SV Darmstadt 98

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Letztes Spiel für die Lilien: Immanuel Höhn (Nummer 21) lässt sich für sein 3:1 von den Kollegen feiern. Foto: Kevin Voigt/Jan Hübner

Trainer Markus Anfang und der SV 98 verderben Holstein Kiel die Aufstiegsparty. Der Lilien-Trainer denkt derweil schon an die kommende Saison – allzu optimistisch ist er nicht

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KIEL. So richtig wohl war Markus Anfang nicht zumute. Der Trainer des Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98 wusste nach dem 3:2 (0:1)-Sieg bei seinem Ex-Verein Holstein Kiel nicht so recht, ob er sich freuen oder lieber zurückhalten sollte. Der 46-Jährige wählte einen Mittelweg – und damit traf er die richtige Entscheidung. „Es ist eine außergewöhnliche Situation für mich, emotional war es sehr schwierig“, gab Anfang zu. All die Coolness, die er in der vergangenen Woche bei entsprechenden Fragen an den Tag gelegt hatte, war komplett verschwunden.

Was kein Wunder war. Denn wegen des Lilien-Siegs im letzten Saisonspiel an der Förde verpasste Kiel den direkten Aufstieg, den stattdessen die Spvgg Greuther Fürth nach dem 3:2 gegen Fortuna Düsseldorf feierte. Hätte Kiel gewonnen, hätte Fürth das nichts genutzt. Haben sie aber nicht. Weil die Lilien eine bärenstarke zweite Halbzeit ablieferten. Und weil Kiel die Kräfte ausgegangen waren nach harten Wochen. Die Mannschaft war in Quarantäne, sie hatte ein Mammutprogramm zu absolvieren. Und jetzt leidet sie, das war nicht zu übersehen.

Janni Serra (18.) hatte die Gastgeber in Führung geköpft, weitere Gelegenheiten wurden vergeben. Die 1500 Fans, die sich böllernd und anfeuernd vor dem Stadion versammelt hatten, waren da noch guter Dinge. „Holstein hat verdient geführt“, erkannte Anfang, der die Kieler von 2016 bis 2018 trainiert hat, unumwunden an. „Sie hatten eine Phase, in der sie das Spiel hätten zumachen können.“ Nach der Pause war es aber vorbei mit der Kieler Herrlichkeit. Serdar Dursun (51./ 58.) und Immanuel Höhn (75.) stellten auf 3:1 für Darmstadt – beide verlassen den Verein. Fin Bartels verkürzte (87.), doch es war zu spät. Fürth gewann derweil in Unterzahl 3:2 gegen Düsseldorf – Kiel landete folglich auf Rang drei.

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Und spielt wieder einmal Relegation. 2015 scheiterte man als Drittligist an Zweitligist 1860 München, drei Jahre später als Zweitligist an Erstligist VfL Wolfsburg – unter Trainer Anfang. Jetzt geht es gegen den 1. FC Köln. „Zu beiden Mannschaften habe ich eine emotionale Bindung“, sagte der Lilien-Coach, der in der Saison 2018/19 den FC betreut hatte, bis er nach einem 1:2 gegen den SV 98 am 26. April 2019 trotz Tabellenführung freigestellt worden war. „Manchmal ist der Sport brutal. Wenn ich gefragt werde, zu wem ich halte, würde ich am liebsten weglaufen.“

Die Lilien haben derweil mit 33 Punkten die beste Zweitliga-Rückrunde ihrer Geschichte gespielt, zudem stellt man mit Serdar Dursun den Torschützenkönig (27 Treffer). „Ich freue mich riesig darüber, dass die Mannschaft das geschafft hat“, sagte Anfang. „Das macht uns stolz. Es ist gefühlt ein bisschen schade, dass die Saison zu Ende ist, weil wir gerade ein Schwung gekommen sind.“

Ob solch eine Erfolgsserie wiederholt werden kann? Anfang lehnt sich nicht allzu weit aus dem Fenster, wissend, dass in der kommenden Spielzeit viel Tradition und natürlich viel Qualität in Liga zwei zu finden ist. „Es wird schwer, diese Mannschaft in der kommenden Saison dementsprechend wieder aufzustellen“, sagte er – das klingt eher realistisch als euphorisch. „Wir wissen alle um die Abgänge, die wir haben, wir wissen alle, dass wir adäquate Spieler brauchen. Und wir wissen alle, wir schwer die Liga in der nächsten Saison wird.“ Anfangs Fazit: „Wir wissen alle, was auf uns zukommt. Und ich hoffe, dass wir das hinbekommen.“

Jetzt aber ist erst mal Urlaub, am 16. Juni trifft man sich wieder zu PCR-Tests, am 19. Juni will man erstmals wieder auf dem Trainingsplatz stehen. Dursun wird dann weg sein, Höhn auch. Und wohl auch Victor Palsson. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass der Isländer zu Schalke 04 geht. „Die nächste Saison wird eine sehr große Herausforderung, gerade weil wir in der Achse so viele Spieler verlieren“, sagte der Lilien-Trainer. Womit er auch Palsson gemeint habe könnte.

Mit Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Schalke 04 und Werder Bremen wird das Unterhaus auf jeden Fall aufgewertet, was die Namen angeht. „Es wird eine richtig schwere Liga, gerade für uns in Darmstadt“, stapelt Anfang tief. Um dann doch direkt wieder positiv zu denken: „Es ist aber auch eine Chance, denn wenn man da Leistung bringt, kann man gut und positiv auffallen als Verein.“