TSV Schott Mainz besiegt Chinas U20 mit 3:0 - Eklat um...

Necmi Gür (l) und Nenad Simic von Schott Mainz sprechen mit Zuschauern, die aus Protest gegen die chinesische Tibet-Politik Fahnen des Nachbarlands von China auf der Tribüne hochhalten. Foto: dpa

Mit einer 0:3-Niederlage beim TSV Schott Mainz und einem Fahnen-Eklat begann die Testspielserie der chinesischen U20-Fußballer gegen insgesamt 16 Südwest-Regionalligisten.

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MAINZ. Mit einer 0:3-Niederlage beim TSV Schott Mainz und einem Fahnen-Eklat begann die Testspielserie der chinesischen U20-Fußballer gegen insgesamt 16 Südwest-Regionalligisten. Eine sechsköpfige Gruppe, die sich als „Tibet-Initiative Stuttgart“ vorstellte, hatte sechs Flaggen des von der Volksrepublik China annektierten Hochlandes entrollt und mithilfe der Chinesen maximale Aufmerksamkeit erzielt. Denn als ein verletzter Spieler nach rund 20 Spielminuten unweit der Protestierer behandelt werden musste, entdeckten die Chinesen die Fahnen überhaupt erst – und drohten prompt mit Spielabbruch.

Rückblende. Es war eigentlich alles angerichtet für einen harmonischen Fußballnachmittag. VIP-Zelt-Chefin Margit White hatte die Speisen mittels Online-Übersetzer eigens auch auf Chinesisch beschriftet, die vom Verband erbetene Anzahl Teesorten war vorrätig, Proteste von Ultra-Gruppierungen blieben komplett aus. Der frühere FCK-Trainer Milan Sasic, der sich um die Unterbringung der chinesischen U20 kümmert, erläuterte beim Anpfiff im Sport1-Interview die deutsch-chinesische Fußballpartnerschaft. Die Polizisten und die 30 Ordner blickten einem entspannten Nachmittag entgegen, im Gästeblock wehte als einziger Gast eine große chinesische Flagge. Angefeuert wurden die Kicker ganz in Rot von einer Schar Landsleute in Zivil, angetrieben von einem Vorsänger, der neben einem Kinderwagen stehend als Trommel zwei Wasserflaschen benutzte. Unter den 400 Zuschauern bildeten die Journalisten gemeinsam mit jenen mit offenkundig fernöstlichen Wurzeln die Mehrheit.

Abmarsch in die Kabine

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Doch auf einmal wurde es turbulent. Die einen haben beobachtet, dass U20-Manager Jiayi Shao auf Abbruch drängte, die anderen, dass er ebenjenen verhindern wollte. Ein chinesischer Zuschauer versuchte, eine Tibet-Fahne abzureißen, was die heimischen Ordner verhinderten. Die Gäste weigerten sich weiterzuspielen. „Wir hatten erst befürchtet, dass sich der Spieler schwerer verletzt hat“, berichtet TSV-Trainer Sascha Meeth. Stattdessen ging es allen Ernstes um die Fahnen. Abmarsch in die Kabine, während sich alle Journalisten und Kamerateams auf die Protestierer stürzten. Tenor bei Hausherren und Polizei: Es gibt weder Anlass noch Handhabe, die Fahnen unter Zwang zu entfernen. Der frühere chinesische Nationaltrainer und Verbandsberater Klaus Schlappner schimpfte in die Fernsehkameras, es gehe hier um ein Fußballspiel, das die Tibet-Initiative zweckentfremde.

Nach rund 20 Minuten rollten die Protestierer ihre Fahnen freiwillig ein. „Genau das, was die Chinesen wollen, machen wir jetzt. Das sagt alles über diesen Staat“, erklärte ein Sprecher, „wir wollen nur auf die Problematik in Tibet aufmerksam machen, den anderen aber nicht das Fußballvergnügen nehmen.“ Zwischenzeitlich hatte sich eine Gruppe Chinesen mit der Fahne aus dem Gästeblock genähert, war dann aber, als Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes anrückten, wieder in Richtung Gästebereich gewichen.

Vergnüglich wurde es anschließend vor allem für die Mainzer. Janek Ripplinger traf nach der Unterbrechung zum 1:0 (35.), Ilias Soultani legte nach Vorlage Ripplingers das 2:0 nach (37.). Die DFB-Delegation brütete derweil über einer Stellungnahme, wollte sich ohne Rücksprache „mit Frankfurt“ nicht äußern. Zum Wiederanpfiff erläuterte Eckhard Krautzun, ebenfalls Mitarbeiter und Trainer beim chinesischen Verband, vor den Sky-Kameras, wie im Reich der Mitte das deutsche Nachwuchsleistungsmodell adaptiert werden soll. Der Erfolg wird sich erst noch einstellen müssen, legt man Durchgang zwei zugrunde. Denn nun war der Regionalliga-Vorletzte deutlich überlegen. Khaled Abou Daya (65.) legte das 3:0 nach, hinten brannte gar nichts mehr an, U19-Keeper Marc Schöne erlebte sein Debüt in der ersten Mannschaft quasi beschäftigungslos.

"Wir können es leider nicht verhindern, da gilt deutsches Recht"

Unterdessen verließen die sechs sichtlich verängstigten Tibet-Protestierer das Gelände in Begleitung von fünf Securitys und dabei aufmerksam beäugt von einem chinesischen Delegationsmitglied. Nach dem Abpfiff trat dann DFB-Vize Ronny Zimmermann vor die Kameras. „Wir werden im Nachgang das Gespräch mit der chinesischen Delegation suchen. Wir leben in Deutschland, da gelten bestimmte Gesetze. Dazu gehört die Meinungsfreiheit und das Zeigen einer solchen Flagge.“ Er sagte auch: „Wenn der Gast sich durch so eine Aktion provoziert fühlt, hat man ein schlechtes Gefühl. Schade, aber wir können es leider nicht verhindern, da gilt deutsches Recht.“ Schließlich: „Wir verurteilen es, den Fußball für bewusste Provokationen gegen unsere Gäste zu missbrauchen.“

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„Uns als Verantwortlichen ist wichtig, dass wir keinerlei Druck ausgeübt haben. Die Tibeter haben dasselbe Recht, ihre Fahne aufzuhängen, wie die Chinesen“, stellte TSV-Manager Till Pleuger klar. „Wenn Sport und Politik sich vermengen, hat das immer ein Geschmäckle“, hielt Meeth fest. Ansonsten enthielten sich die Mainzer jeder Stellungnahme zu dem Fahnen-Eklat – und strahlten nach dem Abpfiff über die gelungene Eigenwerbung vor dem immensen Medienaufkommen.

Ripplinger, in der vergangenen Oberligasaison noch Torschützenkönig, die komplette Hinrunde aber ohne Regionalligator, feixte nach seinem „Länderspieltreffer“: „Wenn's drauf ankommt, bin ich da.“ Meeth erklärte: „Auch wenn es eigentlich um nichts geht, kannst du was gewinnen – ein gutes Gefühl, Selbstvertrauen. Laufkundschaft waren die Chinesen sicher nicht.“ Sein chinesischer Amtskollege Shun Jihai erklärte nach Spielschluss auf den Fahnen-Eklat angesprochen, er habe eigentlich erwartet, dass über Fußball geredet werde. Das wäre ohne die zwischenzeitliche Verweigerung, weiterzuspielen, gewiss auch der Fall gewesen.