Der 1. FSV Mainz 05 hat seit Kurzem einen Wirtschaftsbeirat. Dieser besteht nur aus Männern - darüber ärgert sich Wortpiratin Mara Pfeiffer. Und wünscht sich mehr Vielfalt.
MAINZ. Im autobiographischen Dokumentarfilm „The Beaches of Agnes“ sagt die im vergangenen Jahr verstorbene französische Filmemacherin Agnès Varda: „I tried to be a joyful feminist. But I was very angry.“ Wer könnte es ihr verübeln? Es ist anstrengend, gesellschaftliche Ungleichheiten aufzuzeigen, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen. Und ja, es macht wütend, dabei gegen die immer gleichen Wände zu laufen, die immer selben Ausreden zu hören. Varda, diese stets undogmatische Querdenkerin, ist 90 Jahre lang unbequem geblieben – zum Glück.
Denn natürlich hat es viel mit Bequemlichkeit zu tun, bestehende Verhältnisse zu erhalten. In unserer patriarchalen Gesellschaft bedeutet das unter anderem, immer neue Männerzirkel zu den existierenden hinzuzufügen. So, wie der 1. FSV Mainz 05 das just mit dem Wirtschaftsbeirat getan hat. Der hat formal keine Mitglieder, es treffen darin aber einige Male im Jahr Menschen zusammen, die mit ihren Kompetenzen die Vereinsverantwortlichen unterstützen sollen. Und wenn ich Menschen schreibe, meine ich natürlich: Männer.
Dr. Manfred Alflen (Aareon), Ulrich Dexheimer (ISB Rheinland-Pfalz), Daniel Gahr (Mainzer Stadtwerke), Frank Gey (ENTEGA Energie), Sebastian Gooding (Ditsch), Dr. Engelbert Günster (IHK Rheinhessen), Harald Hamprecht (Opel), Alfred Keschtges (invenio Group), Stefan Magel (REWE Group), Dr. Peter Mrosik (profine), Thorsten Mühl (Sparkasse Mainz), Hans Georg Schnücker (VRM), Dr. Kai Vollhardt (Unternehmensberater), Frank Windau (Bitburger) sowie seitens der 05er Detlev Höhne, Stefan Hofmann und Dr. Jan Lehmann.
Zählt nur die Kompetenz?
Laut Verein wurden die Persönlichkeiten aktiv seitens der Gremien (Aufsichtsrat, Vorstand) angesprochen. Es handle sich „um hochrangige Vertreter unserer wichtigsten Partner sowie wichtiger Unternehmen aus der Region.“ Und da war es nicht möglich, auch Frauen zu finden? Das kann wohl kaum ernstgemeint sein. Um aber erstmal inhaltlich zu bleiben: In Diskussionen zu diesem Thema in den sozialen Netzen kam am Dienstag das beliebte Argument auf, es gehe bei einem solchen Beirat ja nicht ums Geschlecht, sondern die Kompetenz. Daran ist vor allem die Annahme ärgerlich, wenn es um Kompetenz gehe, fänden sich eben nur Männer.
Richtig ist, nach Frauen müssen die Verantwortlichen in diesen Bereichen genauer suchen. Es ist anstrengender, keine Frage, der Grund dafür sind aber eben die genannten patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, die mit sich bringen, dass der Frauenanteil in deutschen Vorständen bei gerade Mal 10,4 Prozent* liegt. Deswegen die offensichtlichen Männer auszuwählen, ohne sich die Mühe zu machen, geeignete Frauen zu finden, verstärkt das überholte System. (Und wer einwirft, ich könne nicht wissen, ob es Anstrengungen gab, Frauen zu rekrutieren: Stimmt. Es ist auch möglich, dass es Bemühungen gab, die eben nicht intensiv genug waren.)
Längst ist bekannt, dass Diversität bei der Besetzung nicht nur von Gremien Vorteile bringt, weil es sie leistungsfähiger macht. Dennoch werden die immer selben zusammengetrommelt – Vielfalt? Fehlanzeige. Von diesem Missmanagement sind längst nicht nur Frauen betroffen. Wieso ein Verein, der es sich gerne auf die Fahnen schreibt, anders zu sein als andere, größer und unkonventioneller zu denken, immer eigene Wege zu gehen – und dies an vielen Punkten durchaus einlöst – ausgerechnet hier so schwerfällig ist, bleibt sein Geheimnis. Erneut, muss man sagen, denn das Auftaktvideo zur Imagekampagne „Mainz bleibt“ kam leider auch schon ohne Frauen aus. Daraus hätte man lernen können.
Es gibt viele fähige Frauen
Sehen die Verantwortlichen tatsächlich einen Mangel an fähigen Frauen? Das wäre fatal. Um nur einige zu nennen, die beim ersten Brainstorming einfallen: Mainz hat mit Manuela Matz aktuell noch eine Wirtschaftsdezernentin. Die Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Anja Obermann, zuvor Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Frankfurt, fällt beim Blick auf Engelbert Günster von der IHK ebenso ein wie die SWR-Landessenderdirektorin Simone Schelberg als inhaltliches Pendant zu Medienmann Hans Georg Schnücker von der VRM. Aareon wird im Beirat von Manfred Alflen vertreten, mit Sabine Fischer sitzt aber auch eine Frau im Vorstand. Profine, mit der Marke Kömmerling bekanntlich Hauptsponsor der 05er, hat mit Ursula Kretzschmar eine Frau unter zwei vertretungsberechtigten Geschäftsführer*innen.
Auch der Blick zu „Mainz Congress“ und den dort 2019 berufenen „Congress Experts“ lohnt: Hilke Nagel, Geschäftsführerin „VDP.Die Prädikatsweingüter“ und die Geschäftsführerin der „SCOPE Messestrategie GmbH“ Anette Petzold. Natürlich sagt eine kurze Namensrecherche nichts aus darüber, ob diese Frauen Lust hätten auf eine Mitarbeit in dem Gremium. Klar ist aber, es gibt keinen Mangel an weiblicher Wirtschaftskompetenz, verbunden mit einer Nähe zu Stadt und Region – und darum soll es doch gehen, oder nicht? Zudem sitzen im Aufsichtsrat des Vereins zwei Frauen, eine davon als zweite Vorsitzende. Wurden die gefragt?
In Mainz tummelt sich zudem eine aktive Gründer*innenszene, über die man bei 05 frische Perspektiven zuzulassen könnte, auch wenn diese Unternehmen kleinere Brötchen backen als jene, die nun mit ihren Vorstandsmitgliedern vertreten sind. Diese Art von Kooperation wäre ein Zeichen für die gern gepredigte Innovation, das vermeintlich andere Denken. Und auch ein starkes Signal im von Männern dominierten Fußballbusiness. Wieso der Verein sich die Chance entgehen lässt, eben das zu setzen, ist so unverständlich wie zum Haare raufen.
Zumal Frauen, wenn sie sich auf diese Art vertreten sähen, auch als Zielgruppe nochmal neu angesprochen würden, beispielsweise, um das nur selten ausgelastete Stadion zu füllen. Denn Frauen stehen bei Mainz 05 in der Kurve, sie verkaufen Shirts und braten Würstchen. Frauen arbeiten in der Fanbetreuung und als Ordnerinnen, übernehmen Kernaufgaben in der Presse und beim Corporate Social Responsibility, spielen Handball. Frauen sind auf vielen Ebenen ein Teil von Mainz 05 – und das ist gut so. Es wird Zeit, sie auch in der Außendarstellung und den höchsten Positionen konsequent mitzudenken und einzubeziehen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, dass sie sich irgendwann von ihrem Verein abwenden.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi". Homepage: www.marapfeiffer.de Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin
Von Mara Pfeiffer