Mainz 05-Boss Christian Heidel wird 60 Jahre alt

aus Mainz 05

Thema folgen
Christian Heidels Herz schlägt für Mainz 05.
© Sascha Kop

Die Hälfte seines Lebens hat Christian Heidel Mainz 05 gewidmet: Wie er Autohaus-Pläne in die Tat umsetzte, Welttrainer entdeckte und Reiner Calmund ein Schnippchen schlug.

Anzeige

Mainz. Kinder, wie die Zeit vergeht. Den Satz hörte man früher oft auf Familienfeiern. Dann schlug man als Jugendlicher die Hände über dem Kopf zusammen und wendete sich genervt ab. Wovon reden die nur? An diesem Freitag feiert Christian Heidel seinen 60. Geburtstag. Nach einem Wirken über gut 30 Jahre im Profifußball. Und er tut es immer noch. Wieder beim FSV Mainz 05.

Uli Hoeneß war und ist der FC Bayern, sagt man. Christian Heidel war und ist Mainz 05? Das würde der Sportvorstand nicht gerne lesen über sich. Doch auch hier steckt ein Körnchen Wahrheit drin. Von 1992 bis 2016 hatte der geborene Macher aus einem grauen Zweitligisten, der ewig gegen den Abstieg ankämpfte und dessen Geschäfte anfänglich in Heidels Autohaus am Fuße des Bruchwegs und in Containern am Bruchweg abgewickelt wurden, einen bundesweit anerkannten Bundesligisten werden lassen. A

Spontan-Rückkehr mündet im „Wunder von Mainz“

ls sich der Manager danach für dreieinhalb Jahre zum FC Schalke 04 verirrte, ging es am Bruchweg drunter und drüber. Bis Heidel an Weihnachten 2020 in seinem Domizil auf Mallorca die Entscheidung fällte, beruflich noch mal ein Comeback zu starten in seiner Heimatstadt. Binnen weniger Monate war wieder alles gut. Atmosphärisch, strukturell. Und auch sportlich.

Anzeige

Heidel holte als Trainer den einstigen 05-Profi und Jugendcoach Bo Svensson, als Sportdirektor den ehemaligen Trainer Martin Schmidt – und der damalige Tabellenvorletzte aus Mainz, der die Hinrunde mit desaströsen sieben Punkten abgeschlossen hatte, blieb nach einer sensationellen Rückrunde mit 32 Zählern Bundesligist. Man nannte das damals „Das Wunder von Mainz“.

Ein starkes Trio: 05-Vize Peter Arens, Präsident Harald Strutz und Manager Christian Heidel.
Hochemotional: Christian Heidel (rechts) mit Jürgen Klopp 2004 nach dem endlich geschafften Bundesliga-Aufstieg.
Christian Heidel (Zweiter von links) bei der Aufstiegsparty 2004 auf dem Mainzer Theaterbalkon.
05-Manager Christian Heidel (rechts) jubelt mit Stürmer Aristide Bancé über den Sieg am vorletzten Zweitliga-Spieltag der Saison 2008/09.

Der langjährige 05-Präsident Harald Strutz hatte den damals gerade 29 Jahre alten Heidel 1992 in den Vorstand geholt. Was wusste man über den neuen Funktionär? Er hatte schon als Kind mit 05-Fahne im Bruchwegstadion gejubelt, er war später ein technisch guter Landesliga-Libero, er war ein aufstrebender Geschäftsmann in der Autobranche, er bezog sämtliche regionale Ausgaben des Fachmagazins „Kicker“, er wollte den Fußballjob nur ehrenamtlich machen. In kurzer Zeit schwang sich der Neue nebenberuflich zum Transferchef auf. Markenzeichen: kreativ und preiswert einkaufen, möglichst teuer verkaufen.

Renommierten Managern ein Schnippchen geschlagen

Heidels Verhandlungskünsten und Menschenkenntnis erlagen später altgediente und renommierte Manager. Dem einstigen Schalke-Boss Rudi Assauer hat der Mainzer Vordenker mal einen überhaupt nicht gesunden Mimoun Azaouagh sehr teuer verkauft; den späteren Prozess vor der DFB-Gerichtsbarkeit gewannen die Mainzer. Dem mit allen Wassern gewaschenen Reiner Calmund hat er mal das Stürmertalent Benjamin Auer aus den Rippen geleiert, und Bayer Leverkusen zahlte das für Mainzer Verhältnisse utopisch hohe Gehalt weiter. Man könnte diese Liste beliebig erweitern.

Anzeige
2009 machte Christian Heidel (links) kurz vor Saisonbeginn den damaligen U19-Coach Thomas Tuchel zum Cheftrainer.
Verhandlungs- und Transfergeschick Christian Heidels machten Mainz 05 mit zu dem, was es heute ist: einen gestandenen Bundesligisten.
2016 verabschiedet sich Christian Heidel (mit Tochter Sanita auf dem Arm) tränenreich vom Mainzer Publikum. Er wechselte zum FC Schalke 04.
Seit 2020 ist Christian Heidel als Sportvorstand wieder zurück in Mainz: Mit Sportdirektor Martin Schmidt (rechts) und Trainer Bo Svensson schaffte er im Frühjahr 2021 das "Mainzer Wunder".

Wirtschaftliche Vernunft war Heidels oberstes Gebot. Unkalkulierbare Risiken? Die mied der Manager, der erst ab 2005 vom Verein bezahlt wurde, wie der Teufel das Weihwasser. Die dramatischen Nichtaufstiege 2002 und 2003 hatten die 05er mal in finanziell stürmische Gewässer geführt. Dennoch gelang 2004 im dritten Anlauf der erste Bundesligaaufstieg.

Seine Trainerentscheidungen? Meistens sehr speziell, manchmal auch wenig erfolgreich. Die Volltreffer glänzen umso mehr: Wolfgang Frank wurde am Bruchweg zum Retter, Taktik-Visionär, Erwecker und Anschieber, Jürgen Klopp und Thomas Tuchel sind heutige Welttrainer, Meistermacher und Champions-League-Sieger und in der Aktualität darf man Bo Svensson einen ähnlichen Weg prophezeien.

Pläne aus dem Autohaus sind mittlerweile Realität

Hat man Heidel in den 90er Jahren in seinem Büro im Autohaus besucht, dann durfte man den Eindruck haben, man sei Gast bei einem Architekten. Auf dem Schreibtisch lagen und an den Wänden hingen: Pläne für den Ausbau des Bruchwegstadions, Pläne für neue Sportplätze auf dem Bruchweggelände, Planskizzen für den Neubau einer modernen Arena. Alles wurde umgesetzt. Heidel war der Motor in den oft frustrierend langwierigen und komplizierten Verhandlungen mit der Stadt, mit Banken, mit Grundstücksverkäufern, mit Projektentwicklern. Man darf davon ausgehen: Auch der lange geplante Bau eines Geschäftsgebäudes nebst Jugendinternat auf dem Wolfgang-Frank-Campus wird noch in Heidels Amtszeit Realität werden.