Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Saisonstart mit Liebe

aus Mainz 05

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"Unser Traum lebt" - 05-Fans und ihr Transparent beim Trainingsauftakt. Foto: René Vigneron

Das erste Pflichstpiel der Saison steht an. Und mit ihm kommt wieder das besondere Gefühl, das Wortpiratin Mara Pfeiffer als "glänzenden Schleier der Hoffnung" beschreibt.

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MAINZ. Ganz egal, wie die zurückliegende Saison gelaufen ist: Wenn es im Spätsommer endlich wieder losgeht mit Bundesligafußball, liegt da ein glänzender Schleier der Hoffnung über den Dingen. So will es das Gesetz. Jede Saison ist wie ein neues Kapitel in dem Buch, das wir einfach nicht weglegen können, auch wenn es uns schon so manches Nervenende zerfetzt und den Schlaf aus etlichen Nächten gesaugt hat. Wir haben eben eine ganz besondere Beziehung zu dieser speziellen Lektüre und haben auch schon viele wunderschöne Stunden damit verbracht, darin zu schmökern. Genauso gab es aber Passagen, die uns aufgebracht, enttäuscht, unsere Wut gekitzelt haben und in uns das Bedürfnis weckten, das Buch gegen die Wand zu klatschen, am besten gleich mehrfach. Es ist eine fürwahr wechselhafte Geschichte.

Letztlich aber ist es eine über Liebe; die ist nicht immer einfach und muss es auch nicht sein, dafür aber echt, echt und wahrhaftig. Diese Liebe berührt uns und lässt uns auch in Zeiten, die kompliziert sind oder schmerzhaft, spüren, da ist etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt und woran wir festhalten möchten. Weil es Saiten in uns zum Schwingen bringt, die sonst stumm blieben und deren Töne wir in der Melodie unserer Tage schmerzlich missen würden.

Glaube, Vertrauen, Zuversicht

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So ist das mit der Liebe und so ist das mit dem Fußball. So ist das erst Recht mit der Liebe zum Fußball, genauer, unserem Verein, dem wir immer wieder unser Herz und Vertrauen schenken – selbst, wenn wir dabei zuletzt Federn und Nerven gelassen haben. Es ist ja doch wieder gut ausgegangen, na klar: Weil wir daran geglaubt haben und dabeigeblieben sind.

Glaube, Vertrauen, Zuversicht. All das gehört ins leichte Gepäck, in die kleinste Tasche, wenn wir uns diese Saison wieder aufmachen zu Heim- und Auswärtsspielen. Besonders deftig muss die Portion sein, wenn es am Samstag nach Aue geht. Haha. Aue. Das sind die, die Mainz 05 als FC Mainz angekündigt haben. Schöne Idee der 05er, diese Panne in die selbstironische Kampagne zur neuen Saison einzubeziehen. Hoffen wir nur, dass wir nach dem Spiel auch noch etwas zu lachen haben – und nicht in ostdeutsche Schächte schluchzen.

Liebe macht uns unbesiegbar

Denn die Pokalhistorie des FSV könnte man durchaus verwenden, um kleine Kinder vom Fußball fernzuhalten. Sofern man das denn wollte. Aber wir haben ja Glaube, Vertrauen und Zuversicht im Gepäck. Liebe sowieso, die tragen wir fest im Herzen. Diese Liebe macht uns unbesiegbar, selbst in Momenten der bittersten Niederlage. Wie ein Umhang, der unsichtbar um unsere Schultern liegt. Und den wir doch am Samstag nicht brauchen werden. Huch? Genau. Einfach mal behaupten, wir kommen weiter. Auswärts. Gegen einen Zweitligisten. Prust. Hihihi.

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Ins dunkle Tal der Verzweiflung marschieren können wir ja immer noch. Falls doch alles läuft wie sonst, wobei „sonst“ mehr ein Gefühl ist, das von peinlichen Niederlagen bestätigt, von Erfolgen aber nicht dauerhaft entkräftet wird. Niemand hat vor, sich von Fakten verwirren zu lassen. Was wir sehr wohl vorhaben, ist, mit all unserer in der Sommerpause wiedererwachten Euphorie und Vorfreude in die neue Saison zu starten. Jedes Spiel als fantastische Chance zu begreifen. Dabei zu sein. Anzufeuern. Uns positiv überraschen zu lassen. Aktiv zu werden im Verein. Die Klasse zu halten. Und: zu lieben, als wär’s – so singt es Gisbert zu Knyphausen – das Leichteste der Welt. Denn ist es das nicht? Auf geht’s.

Wissen Sie, was ein Hashtag ist? Dieses ursprünglich als Raute bekannte Zeichen spielt eine wichtige Rolle in sozialen Netzwerken. Wer dort zum Beispiel etwas zu Mainz 05 schreibt, kann mit #Mainz05 dafür sorgen, dass die Beiträge in einer Suche besser auffindbar sind. Beim Spiel der 05er gegen Stuttgart waren die Beitrage auf Twitter unter #m05vfb zu finden. Hashtags zu Spielbegegnungen sind standardisiert, Heimteam vorne, Auswärtsverein hinten, mit je drei Buchstaben. Grundsätzlich sind bei dem Thema der eigenen Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Im Prinzip gilt natürlich, je kürzer und einprägsamer, umso besser, aber es spricht auch nichts dagegen, es mal richtig krachen zu lassen. Ich habe beschlossen, diese Saison bei Heimspielen der Mainzer mindestens einmal den Hashtag #dieZuschauerzahlwirdpräsentiertvonistmirbumsegalwievieleLeutedasindwernichtkommtistselbstschuld zu benutzen. Man könnte den auch als #dZwpvimbwvLdswnkiss abkürzen, vielleicht lasse ich meine Follower auf Twitter darüber abstimmen. Fest steht, ich werde den Hashtag benutzen, wenn aus den Stadionlautsprechern die Zuschauerzahl klingt. Mich währenddessen mit dem Handy zu beschäftigen, ist der erste Schritt auf dem Weg dahin, die Zahl vollständig zu ignorieren. Denn ich finde, darüber, wie viele Leute ins Stadion kommen, haben wir genug geredet.

Was für eine unfassbar geile Choreografie

Klar, der Verein hat da eine Aufgabe vor der Brust, die er aktuell auch mit allerhand kreativen Aktionen angeht. Aber darüber hinaus ist das Thema einfach durch. Wir reden dabei nämlich am Ende über die völlig falschen Leute. So ähnlich wie Gastgeber, die auf ihren eigenen Partys bei den Anwesenden immer nur jammern, wer alles nicht gekommen ist. Möp. Viel passender wäre es, nach dem Saisonauftakt beispielsweise über den Q-Block zu reden und die unfassbar geile Choreografie, die von den Jungs und Mädels auf die Beine gestellt wurde.

Wussten Sie, dass die Nummer 14.569 Euro gekostet hat? Deswegen ist die aktive Szene auch mit Spendeneimern durchs Stadion gelaufen, die hoffentlich von allen Seiten ordentlich gefüllt wurden. Wer es bislang nicht geschafft hat, kann seinen Beitrag auch nachträglich überweisen (Infos hier). Statt also in Zukunft die Leute zu beklagen, die nicht auftauchen, lieber öfter mal den Blick auf jene richten, die nicht nur da sind, sondern sich auch immer wieder neue Sachen einfallen lassen.

Der Blick auf die Neuzugänge

Über die falschen Leute wird ein Stück weit auch in Sachen Transfers geredet. Klar, Spieler, die den Verein verlassen, sind uns teuer und vertraut, aber Tatsache ist doch auch, in den meisten Fällen gehen Spieler, weil das ihr ausdrücklicher Wunsch ist. Wenn ich in den Kommentaren zum Abgang von Pablo de Blasis die Empörung einiger Leute lese, wie man den Mann gehen lassen könne, schüttelt sich mein Kopf fast von selbst. Verstehen Sie mich nicht falsch, mir ist der Kampfkobold auch ans Herz gewachsen in seiner Mainzer Zeit, aber viel deutlicher kann ein Spieler den unbedingten Wechselwunsch doch nicht äußern. Und das ist völlig okay, sei es, weil der Mann am Ende seiner Karriere noch eine andere Liga kennenlernen möchte oder weil seine Familie in ein Land will, in dem sie die Sprache versteht – Pablo wollte sehr eindeutig weg und der Verein hat seinen Wunsch respektiert. Guter Move von beiden Seiten, überhaupt kein Grund, sich tagelang damit aufzuhalten.

Aufhalten oder vielmehr beschäftigen könnte man sich hingegen mit der Wagenladung Jungs, die Rouven Schröder in frisch nach Mainz gelockt hat. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir schlackern da ein wenig die Ohren. Klar, Mainz ist eine schöne Stadt und der FSV der beste Verein, aber man darf lobend feststellen, der Sportchef kann das offenbar auch glaubhaft vermitteln. Insofern geht der Blick ab hier nach vorn: In eine neue Saison, voller Chancen und Zaubermomente, von denen wir heute noch nichts ahnen, die aber ganz sicher auf uns warten.

Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem des Mainz-05-Krimis "Im Schatten der Arena". Homepage: www.marapfeiffer.de Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin

Von Mara Pfeiffer