Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Den Untergangspropheten...

aus Mainz 05

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Weiter auf der Brust der 05er: Kömmerling. Archivfoto: dpa

Beobachter, Experten, Moderatoren: Sie alle handeln Mainz 05 regelmäßig als Abstiegskandidaten. Eine schöne Tradition - denn unterschätzt zu werden hat noch nie geschadet.

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MAINZ. Mit der Wahrnehmung des 1. FSV Mainz 05 außerhalb unserer schönen Region ist das so eine Sache: Schon amüsant, wie viele Fußballbeobachter, Fans und überregionale Medien die 05er vor jeder Saison in die Abstiegsregion hineintippen. Darin liegt eine sture Regelmäßigkeit, die irgendwie auch etwas Beruhigendes hat. Mit der Realität hat das nur scheinbar etwas zu tun, denn es ist zuletzt zwar durchaus mal knapp geworden in Sachen Klassenerhalt, aber wie alle wissen, stand Mainz am Ende über dem gefürchteten Strich, sogar über dem zur Relegation.

Zur Tradition, Mainz in den Tabellenkeller zu philosophieren, gehört dann fast zwangsläufig die Überraschung, wenn der Verein sich hartnäckig in gänzlich andere Regionen vorspielt. Völlig überrascht blinzeln Nachrichtensprecher auf sonntägliche Spielergebnisse, die den Club als Sieger ausweisen, während Sportmoderatoren vorsichtshalber nochmal mit der Regie im Hintergrund Rücksprache halten, bevor sie eine Tabelle runterrattern, auf der die Rheinhessen im oberen Drittel auftauchen. Das muss einem aber auch verdächtig vorkommen!

Seitenlinie bei Liverpool gegen Paris gibt Aufschluss

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Auch im persönlichen Gespräch mit Fans und Kollegen aus dem Umfeld anderer Vereine wird schnell klar, so richtig viel trauen die wenigsten Mainz 05 zu. Immerhin, dass der Club gerade in der zehnten Saison in Folge erstklassig spielt, haben viele mitbekommen und goutieren das mit einer amüsanten Mischung aus Respekt und Verwunderung. Bekannt sind auch immer die Namen der abgewanderten Spieler, was es mit den Neuzugängen auf sich hat ist dagegen eher ein weißes Blatt. Klar, ich befasse mich auch nicht intensiv mit der Vorbereitung anderer Clubs und würde ich tippen, die Liste basierte vermutlich ebenfalls auf viel Bauchgefühl.

Allein warum das Bauchgefühl des Fußballfans an sich in den letzten zehn Jahren bezogen auf Mainz 05 keine Änderung erfahren hat, verwundert doch ein bisschen. Es ist aktuell vielleicht kein guter Zeitpunkt, um ausgerechnet darauf hinzuweisen, dass Christian Heidel und die 05er sich jahrzehntelang gegenseitig befördert und befruchtet haben, aber schon die Seitenlinie bei der Partie FC Liverpool gegen Paris St. Germain in der Champions League am Dienstag sollte doch ein klein wenig Aufschluss darüber geben, was in Mainz geleistet wird. Da standen nämlich gleich zwei Männer an der Seitenlinie, die ihre ersten Erfolge auf der 05-Trainerbank gefeiert haben, wenn auch erst spätere Stationen das große Rampenlicht brachten.

Lange Entwicklung mit soliden Grundfesten

Die hervorragende Arbeit des NLZ, die sehr regelmäßigen Auftritte Mainzer Spieler in den U-Nationalmannschaften, Kurzbesuche in Europa, Trainer, die nach oder sogar während ihrer Mainzer Zeit Begehrlichkeiten bei anderen Clubs wecken, Spieler, die auch heute noch gerne an den Rhein wechseln, obwohl der dafür berühmt gewordene Einflüsterer Heidel seine Magie längst anderswo wirken lässt, all das ist kein Zufall sondern Ergebnis einer Entwicklung, deren Grundfeste derart solide sind, dass sie sogar die Mainzer Chaostage der vergangenen Serien in der Führungsetage überstanden haben, nicht unbeschadet, aber ohne Totalverlust.

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Das ist die eigentliche Sensation, trotz alledem nicht abgestiegen zu sein, wieder und weiter mitzumischen im Konzert der Großen, den Untergangspropheten selbst dann ein Schnippchen geschlagen zu haben, als auch den 05ern selbst kurzzeitig angstvoll das Gebiss klapperte. Und was hat es außerhalb von Mainz geändert? Nichts. Erneut landen die 05er in Tippspielen auf den letzten Rängen, ist ihr guter Saisonstart von Verwunderung begleitet, fliegen Trainer und Team unter dem Radar. Es liegt etwas Beruhigendes in dieser stoischen Haltung, ein gewisser Humor auch, wie bei einem Witz, den nur Eingeweihte verstehen. Und ganz sicher ist sie kein Anlass zur Verärgerung, denn: Unterschätzt zu werden, das hat noch niemanden ins Unglück gestürzt, ganz im Gegenteil. Keks? #nurderFSV

Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi". Homepage: www.marapfeiffer.de Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin

Von Mara Pfeiffer