Der Saisonstart für Mainz 05 wird holprig. Nach dem Pokalaus in Kaiserslautern ist die Vorfreude auf die Saison gedämpft. Wortpiratin Mara Pfeiffer arbeitet die Ereignisse...
MAINZ. Wenn am Samstag die Partie der Mainzer in Freiburg angepfiffen wird, ist das kein normaler Start in die Saison. Die Vorfreude vieler Menschen, denen dieser Verein am Herzen liegt, hat am vergangenen Wochenende einen gehörigen Dämpfer bekommen und es wird einige Zeit dauern, die Geschehnisse in Kaiserslautern aufzuarbeiten. Dabei tun alle Beteiligten gut daran, Ruhe zu bewahren und sich von Störgeräuschen nicht beirren zu lassen.
Aber der Reihe nach. Als der 1. FCK als Erstrundengegner der Mainzer im Pokal gelost wurde, war die Begeisterung groß. Mir persönlich hat sich das nicht erschlossen. Wieso sollte man vom abgestürzten Rivalen etwas Anderes wollen, als ihn sich so weit wie möglich vom Hals zu halten? Klar, den Drittligisten auch noch im Pokal zu demütigen, wäre eine schöne Geschichte gewesen, Spiele gegen Teams aus dieser Liga sind allerdings undankbar, weil eine Mannschaft frisch aus der Vorbereitung auf ein schon eingespieltes Team trifft. Im Zweifel blamiert man sich als Erstligist in derlei Pokalbegegnungen halt nach Kräften.
Huch, schon passiert. Nach gut einer halben Stunde ließ die Mainzer Mannschaft sich plötzlich beeindrucken, in der Phase der Überlegenheit war zudem kein Tor geglückt, dazu der unnötige und durchaus umstrittene Elfmeter. Das sind die Momente, in denen man sich vorm Fernseher denkt: Da passiert heute nichts mehr. Und plötzlich geht’s eigentlich, nicht vor Ort zu sein, sondern dank frühzeitiger Urlaubsplanung auf einem griechischen Sofa zuzusehen.
Wer aber ist an einem solchen Tag vor Ort? Gut 6.000 Leute. Darunter jene, die immer da sind. Fans, für die ihr Verein viel mehr bedeutet, als alle 14 Tage in die Arena in den Bretzenheimer Feldern zu spazieren, die sich definieren über diesen Club, engagiert sind im Verein, ihn leben, die Choreos planen und umsetzen und Aktionen wie den Erinnerungstag mittragen. Die Szene wird von vielen Leuten, die nicht regelmäßig im Stadion sind – und wenn überhaupt, dann weit weg von der Stehtribüne – auf wenige negative Merkmale reduziert. Das allerdings wird ihr keinesfalls gerecht und für diese Feststellung muss hier Platz sein.
Im Block wie auf dem Platz: Leistung fällt ab
Es hatten sich auch viele aufgemacht, die lange nicht mehr auswärts waren. So viele Leute in einem 05-Block in der Fremde, das ist eine Seltenheit. Warum eigentlich? Auch für diese Frage muss hier Raum geschaffen werden. Liebe, wunderbare Anhänger der 05er, wieso kommt ihr nicht häufiger mit auf große Fahrt, warum braucht es ein Duell mit dem ehemaligen Rivalen, um euch aus der Sofaritze zu kitzeln? Es wäre schön euch öfter auswärts zu sehen.
Zunächst war das ein fantastischer Auftritt von den 05ern, die sich in Mainz bereits auf ihren Auftritt eingeschworen und alle ganz in Weiß nach Kaiserslautern gekommen waren. Muss es sein, dass einige unter ihnen ihren Müll beim Einsingen in der Innenstadt zurücklassen? Sicher nicht. Aber vielleicht können wir uns darauf einigen, dass es die Tendenz gibt, Fußballfans in vielen Situationen besonders kritisch gegenüberzustehen, sonst würden sich auch mehr Leute über Dreck nach dem Marktfrühstück oder am Rosenmontag aufregen.
Letztlich war es im Block wie auf dem Platz: Die Leistung fiel im Spielverlauf ab. Letztlich ist es im Block manchmal wie auf dem Platz: ein wenig unerklärlich. Dass bei einer Partie mit dieser Bedeutung hier und da Pyro abgebrannt wird, ist keine wirkliche Überraschung. Das bedeutet nicht, es ist in Ordnung. Gleichzeitig bringt es aber auch nichts, bei diesem Thema jedes Mal den Untergang des Abendlandes zu beschwören. Pyrotechnik in Stadien hat einen durchaus sonderbaren Wandel hinter sich, wurde einst die tolle Stimmung gefeiert, die dabei entsteht, wird heute häufig der Eindruck von bürgerkriegsähnlichen Szenarien verbreitet.
Die Wahrheit liegt, nicht ganz überraschend, dazwischen. Persönlich halte ich es nach wie vor für sinnvoll, dass Verbände und Szenen sich auf Regeln zum kontrollierten Abbrennen einigen. In Österreich wurden damit sehr gute Erfahrungen gemacht, die belegen, es geht dabei (längst nicht nur) um die Lust am Verbotenen. Nichts destotrotz: Aktuell existieren die Verbote. Wer dennoch zündelt, muss sich anschließend auch den Konsequenzen stellen. So oder so ist klar, niemals darf eine Fackel die Hand verlassen, die sie entzündete. Was diesbezüglich in Lautern passiert ist, war nicht bloß im konkreten Moment eine Gefahr für die Anwesenden, es birgt auch die Gefahr, dem Verein nachhaltig zu schaden. Dafür ist sowohl irrelevant, ob die Fackeln von 05ern oder Fans befreundeter Vereine geworfen wurden, als auch, was genau den Ordner geritten hat, der eine unters Banner des Q-Blocks getreten hat. So etwas darf nicht passieren. Diese Minimalvereinbarung aller Beteiligten darf nie gebrochen werden.
Eine Handvoll Idioten reißen unfassbar viel Arbeit ein
Was aber wäre nun der beste Weg, mit solchen Situation umzugehen? Im konkreten Moment gibt es nicht viel, was irgendjemand tun könnte. Nicht umsonst geht die Polizei da nicht in den Block, sondern verlässt sich aufs Videomaterial. Brennende Gegenstände sind nun mal ihrer Natur nach heiß und die Vorstellung, man könnte jemandem, der im Moment der nun sicheren Pokalniederlage die Nerven verliert, seinen Brennstab abnehmen, um ihn, was, auszupusten? ist einfach naiv. Und wer glaubt, man könne verbal noch sinnstiftend auf Personen einwirken, war in einem Moment wie diesem, wenn alles laut und emotional ist, noch nie im Block.
Das Kind war da längst in den Brunnen gefallen. Das wusste auch der große Anteil der Szene, der nicht erst an diesem Tag sein bestes Gesicht gezeigt, sondern schon im Vorfeld des Spiels zu einem friedlichen Ausflug aufgerufen hatte. Hunderte aktiver Fans, die jeden Tag für diesen Verein da sind, werden in dem Moment Zeugen, wie eine Handvoll Idioten in einem dummen Moment unfassbar viel Arbeit einreißen, die in den letzten Monaten und Jahren passiert ist. Arbeit, das heißt vor allem: Gespräche, mit allen Fangruppen, mit der Fanabteilung und dem Verein, das heißt Choreografien, das heißt Veranstaltungen wie den Weihnachtsmarkt und weiteres soziales Engagement, das von all diesen Fans ausgeht.
AfD schießt den Vogel ab
Nichts davon findet in der Öffentlichkeit einen Widerhall, der nur ansatzweise vergleichbar ist mit dem Echo, das auf die idiotische Aktion einiger Trottel an dem Samstag folgte. Nochmal. Fackeln werfen geht gar nicht. Da habe sich ein paar Halbstarke unfassbar dumm aufgeführt. Darüber muss geredet, das muss aufgearbeitet werden. Es wäre aber so fatal wie unfair, daraus abzuleiten, die Szene sei ein gefährliches Sammelbecken zündelnder Halbstarker. Das entspricht einfach nicht der Realität und von allen Niederlagen, die letzten Samstag in Lautern eingefahren wurden, ist jene die schlimmste, das dieses Bild neue Nahrung bekommt.
In diesem Sinne war der traurige Höhepunkt der 05-Woche erreicht, als im Nachgang dessen, was beim Pokalspiel passierte, Stimmen laut wurden im Versuch, den neuen dritten 05-Fan-Beauftragten zu diskreditieren, da dieser zuvor in der Szene aktiv war. Besonders blöde stellte sich dabei erwartungsgemäß die AfD an, die forderte, Zuschüsse fürs Fanprojekt zu streichen – eine Institution, die nicht nur bekanntermaßen unabhängig vom Verein ist, sondern die in der Vergangenheit mehrfach für ihre herausragende Arbeit ausgezeichnet wurde.
Im Dialog bleiben
Tatsächlich war es eine sehr kluge Entscheidung des Vereins, Vincent zum Fanbeauftragten zu machen. Er spricht, vereinfacht gesagt, die Sprache beider Seiten, kennt die Leute in der Szene und weiß, wie er mit ihnen umzugehen hat, war aber auch schon lange vor seinem neuen Job immer wieder im konstruktiven Dialog mit dem Verein und verfügt über eine hohe soziale Kompetenz. Das wissen alle, die je mit ihm zu tun hatten und in diesem Sinne wäre es fair und wünschenswert, ihm die Chance zu geben, seinen Job ordentlich zu machen.
Was ansonsten die Nachwehen des Pokalsamstags angeht, stünde es allen Beteiligten gut zu Gesicht, im Dialog miteinander zu bleiben. Weder über acht Ecken, noch mit Getöse oder im Wunsch, Härte unter Beweis zu stellen, lassen sich hier Lösungen finden. Die letzten Monate haben gezeigt, wie gut Fans, Verein und Verantwortliche in Sachen Kommunikation wieder zueinander gefunden haben. Von diesem Weg sollte nun nicht abgewichen werden.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn). Aktuell erschienen: "Im Schatten der Arena - der Mainz-05-Krimi". Homepage: www.marapfeiffer.de Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin
Von Mara Pfeiffer