Nur wenige wissen, was die Ultas von Mainz 05 an sozialem Engagement leisten. Auch, weil sie selbst kaum öffentlich darüber reden. Wieso es sich lohnt, genauer hinzusehen.
MAINZ. Ein Phänomen, wenn es um Ultras geht, ist, dass sie sich oft dem Vorwurf ausgesetzt sehen, es ginge ihnen nur darum, sich selbst zu inszenieren – während sie bei einem ihrer Kernthemen genau das nicht tun. Gemeint ist das soziale Engagement, dem sich viele Szenen verschrieben haben. Das ist umso interessanter, als es dabei die Möglichkeit gäbe, quasi eine Art sichtbaren Ausgleich zu schaffen für das, was gemeinhin wahrgenommen wird, wenn es um Ultras geht: das Thema Pyrotechnik. Will heißen, eine PR-Agentur würde wohl den Ratschlag an die Szenen herantragen: „Tut Gutes und sprecht darüber“, auf dass sich das Bild der Allgemeinheit ändert, die bislang oft nur Stadionfeuerwerk mit ihnen verbindet. Die Ultras würden selbige Agentur aber zur Verzweiflung bringen, weil es ihnen völlig egal ist, was andere von ihnen halten.
Wer wissen will, was die Szene der 05er bewegt und wie sie Fußball auch abseits des Platzes lebt, denen sei die Blockbildung ans Herz gelegt. Die älteren Ausgaben dieser Fanpublikation sind online verfügbar und bieten Einblicke ins Selbstverständnis. Das ist interessant für alle, die sich darauf einlassen, dass die Welt nicht nur Schwarz und Weiß ist, weil sie so feststellen können, niemand ist nur doof oder nur toll – auch nicht die Ultras. Wobei im Q-Block auf der Stehtribüne ohnehin Fans unterschiedlicher Gruppen zusammenkommen. Was deren soziales Engagement angeht, so war eine begeisterte Reaktion darauf dieser Tage auf der Facebook-Seite des KKM nachzulesen. Dort stand nämlich das Folgende:
Was es damit auf sich hat, erzählt ein Vertreter des Q-Blocks bei einem kurzen Telefonat. Man habe nach Ausbruch der Corona-Krise überlegt, wie man sich einbringen könne. Da die Ultra-Gruppe Chaos Boys sehr schnell mit Bannern reagiert hatte, auf denen unter anderem jenen gedankt wurde, die im medizinischen Sektor arbeiten, war schnell die Idee geboren, Boxen an Kliniken zu spenden, in denen Nervennahrung für Mitarbeiter*innen steckt. Finanziert wurden die Boxen mit Spenden aus der Gruppe selbst, die Übergabe an den Krankenhäusern, in denen ja Besuchsverbot herrscht, jeweils durch eine Kontaktperson organisiert.
Die Boxen, die unter Einhaltung aller bestehenden gesundheitlichen Auflagen befüllt wurden, sollen nur der Anfang sein – weitere Ideen arbeitet die Gruppe noch aus. Ihr Ansinnen? Danke zu sagen bei denen, die in dieser Krise besonders gefordert sind. Weil Ostern vor der Tür steht und Mainz 05 Schokohasen von coronabedingt ausgefallenen Aktionen übrig hatte, sitzen die zwischen Kaffee, Chips und Zucker. Woher aber kommt die Bereitschaft, über diesen Einsatz – anders als sonst – auch zu sprechen? „Wir wünschen uns, dass andere es uns nachmachen. In der aktuellen Situation brauchen wir einfach ganz viel Solidarität.“
Die zeigt sich auch in einer weiteren Aktion des gesamten Q-Blocks, der eine Freundschaft mit Fans des italienischen Vereins Casertana F.C. in Caserta pflegt. Die Kontakte gehen zurück bis ins Jahr 2014, seit September 2015 hängen entsprechende Banner in den Blöcken. Längst wird die Beziehung, anders als in der Anfangszeit, nicht mehr nur von Ultras getragen: „Wenn man als Mainzer durch Caserta läuft, wird man von allen Fans sehr, sehr herzlich begrüßt“, erzählt ein 05er aus dem Q-Block. Gegenseitige Besuche gehören zum gut gepflegten Standard.
Nun hat die Corona-Krise Italien bekanntlich extrem hart getroffen. Der ärmere Süden warnt seit Wochen, die dortigen Krankenhäuser seien für die Pandemie nicht ausreichend gerüstet. Die Fans des Casertana F.C. haben deshalb dazu aufgerufen, das Krankenhaus in ihrer Stadt zu unterstützen. Dem sind auch die Mainz-Fans im Q-Block nachgekommen und haben 1000 Euro gesammelt und gespendet; über die Aktion und Summe gab es Berichte und die italienischen Freund*innen der 05-Fans bedankten sich auch via Facebook.
Von Mara Pfeiffer