Sonntag,
13.10.2019 - 12:21
4 min
Kolumne von Eric Scherer: Gedankenspiele in der Länderspielpause
Von Eric Scherer

Er beleuchtet das Geschehen rund um den Betzenberg: Eric Scherer. Foto/Grafik: Scherer/Wilinski
KAISERSLAUTERN - Vier Ligapartien hat der 1. FC Kaiserslautern seit der letzten Länderspielpause ausgetragen. Dabei vier Punkte geholt, bei einem Torverhältnis von 6:11. Dazu ein mittelprächtiges 3:0 gegen den SV Gonsenheim im Verbandspokal. Das 1:6 in Meppen, welches auch das Ende der Amtszeit von Trainer Sascha Hildmann markierte, kann aus einer eingehenderen Betrachtung dieses Abschnitts getrost ausgeschlossen werden. Interessanter sind die Aufschlüsse, die sich aus den ersten Spielen unter dem neuen Coach Boris Schommers ziehen lassen. Seine Mannschaft soll den Gegner künftig „bespielen“, „dominant auftreten“, „agieren“. Wenn ihr tatsächlich gelingt, dies umzusetzen, wäre das für die Verhältnisse der Dritten Liga eine kleine spielkulturelle Revolution.
Den langen Ball nur schlagen, „wenn er entsprechend vorbereitet ist“, vornehmlich aber das Leder mit gepflegtem Passspiel bis ins Angriffsdrittel tragen – so stellt sich Schommers das FCK-Spiel unter seiner Regie vor. Das bedeutet im Grunde das, was gemeinhin als „Ballbesitzfußball“ bezeichnet wird, oder, dämlicher ausgedrückt, „Tiki Taka“. Weshalb dieses Wort so verdammenswert ist, haben wir in diesem Blog schon mehrfach erläutert: Es wurde in Spanien erfunden, um diesen Stil zu verballhornen. Der korrekte Ausdruck lautet eigentlich „el toque“ – die Berührung.
Exkurs: Ballbesitz- und Vollgasfußball
Dessen vorgeblicher Hohepriester Pep Guardiola hat das Sich-Zurechtlegen des Gegners mit schnellen Passstafetten beim FC Barcelona seinerzeit zwar nicht erfunden, aber bis zum Exzess perfektioniert. Bei Manchester City setzt Guardiola mittlerweile allerdings längst nicht mehr so entschieden darauf. Ebenso wenig, wie Jürgen Klopp beim FC Liverpool heute ausschließlich den vermeintlichen Gegenentwurf praktizieren lässt, den „Vollgasfußball“ mit dem vielzitierten „schnelle Umschalten“, mit dem Klopp vor allem 2010/11, in seinem ersten Meisterschaftsjahr mit Borussia Dortmund, erfolgreich war.
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Guardiola und Klopp haben diese Ansätze zwar entscheidend geprägt, mit der Zeit haben sich beide aber in vielen Teilen angeglichen, und das aus gesunden pragmatischen Erwägungen, denn beides macht Sinn, je nach Spielsituation. Gut organisiertes Pressing und Gegenpressing dagegen sind sowohl bei Guardiola als auch bei Klopp entscheidende Elemente.
Generell gilt „Ballbesitzfußball“ als empfehlenswert für Topteams, die ihre Ligen aufgrund ihrer individuellen Klasse ohnehin dominieren müssen, da die meisten ihrer Gegner sich von vorneherein tief zurückziehen. In Deutschlands Zweiter und erst recht Dritter Liga heißt es im Allgemeinen, ausgedehntes Passspiel ließe sich da schon deswegen nicht praktizieren, da Spieler auf dem dafür notwendigen Niveau in diesen Klassen nicht zu finanzieren wären. Das sagte nicht zuletzt auch Lauterns Ex-Trainer Sascha Hildmann in diversen Interviews.
Doch wurde der herrschenden Meinung immer auch mal gepflegt widersprochen, sogar beim 1. FC Kaiserslautern, nämlich in der Ära Kosta Runjaic von September 2013 bis September 2015. Der gebürtige Wiener, der im Rhein-Main-Gebiet aufwuchs, hat als junger Coach beim FC Barcelona hospitiert und dabei intensiv Guardiolas Stil studiert. In Lautern, damals Zweitligist mit Aufstiegsambitionen, brach Runjaic diesen phasenweise sehr ansehnlich auf dessen Möglichkeiten herunter.
Das Lautrer Publikum indes fremdelte des öfteren mit dem „Ballbesitzfußball“, der ihm zu oft in Ballgeschiebe ausartete. Auch gilt Runjaic in weiten FCK-Fankreisen heute als „gescheitert“, weil er es nicht schlussendlich nicht schaffte, den FCK in die Erste Liga zurückzuführen. Dem muss entgegengehalten werden, dass vor allem die Saison 2014/15 äußerst unglücklich verlief, unter anderem wegen insgesamt vier gegen Lautern verhängten Elfmetern, die selbst Beobachter ohne Vereinsbrille als brutale Fehlentscheidungen bezeichneten. Selbst die Konkurrenz erkannte in dieser Spielzeit an, dass der FCK die fußballerisch beste Mannschaft stellte. Und: Lautern blieb unter Runjaic mal 21 (!) Heimspiele hintereinander ungeschlagen. Wer sich da heute dran erinnert, dem kommen leicht die Tränen.
Der FCN stürmte 2017/18 mit Ballbesitzfußball nach oben
Runjaic ging, als nach dem knapp gescheiterten Aufstieg der Kader im Sommer 2015 einen qualitativen Aderlass erfahren hatte, nachdem sich beim besten Willen kein erfolgreicher „Ballbesitzfußball“ mehr realisieren ließ. Unter anderem hatten die spielstarken Innenverteidiger Willi Orban und Dominique Heintz den Verein verlassen, beide sind heute Stammkräfte bei den Erstligisten Leipzig und Freiburg. Und Runjaic coacht mittlerweile den polnischen Erstligisten Pogon Stettin, den er im November 2017 auf einem Abstiegsplatz übernahm. Aktuell ist er Tabellenführer.
Auch Zweitligist 1. FC Nürnberg zelebrierte in der 2017/2018 ein technisch hochwertiges Passspiel, wie es dem Mainstream zufolge in dieser Klasse eigentlich kaum umsetzbar ist. Doch der „Glubb“ schaffte damit sogar den direkten Aufstieg. In der anschließenden Erstligasaison scheiterte er jedoch kläglich, weil er kein wettbewerbsfähiges Team zu finanzieren vermochte. Für den Schuldenberg, der den Verein bis heute drückt, wird in erster Linie ein bestimmter Ex-Funktionär verantwortlich gemacht, der im Moment noch… Okay, lassen wir das, das ist heute nicht unser Thema.
Jedenfalls: Als Cheftrainer dieses „Ballbesitz“-Teams fungierte Michael Köllner, der auch mit innovativen Trainingseinheiten auf sich aufmerksam machte, bei dem Ball- und Positionsspiel intensiv in den Mittelpunkt gerückt wurden. Und sein Assistent in dieser Zeit hieß – hört, hört – Boris Schommers.
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