„Ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit“ - so nannte Trainer Adi Hütter die Testspiel-Blamage von Eintracht Frankfurt gegen Bern. Ante Rebic wird mit lethargischem Auftreten zum Problem.
Von Peppi Schmitt
Auch in Zeiten der Coronakrise stehen Eintracht-Trainer Adi Hütter (links) und Co-Trainer Armin Reutershahn (rechts) im täglichen Austausch.
(Foto: dpa)
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BIEL - In der Halbzeitpause war Adi Hütter sauer. 0:2 gegen Young Boys Bern. Der Trainer der Frankfurter Eintracht ist laut geworden in der Kabine. In der zweiten Halbzeit wurde die Leistung etwas besser, das Ergebnis aber nicht. Am Ende stand ein peinliches 1:5 des Europacup-Halbfinalisten gegen den Schweizer Meister. „Ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit“, sagte Hütter mit verkniffenem Gesicht.
Es war ihm anzusehen, dass die Art und Weise der „unangenehmen Niederlage“ ihn getroffen hatte. Der erste wirkliche Test dieser Vorbereitung war mächtig in die Hose gegangen. „Wir haben viele Sachen nicht richtig gemacht“, sagte er, „aber man muss als Trainer auch mal die Ruhe und Souveränität haben, den Ärger runterzuschlucken.“ So lächelte Hütter nach dem Spiel, obwohl ihm nicht zum Lachen zumute war.
Niederlagen in der Vorbereitung haben Tradition
Niederlagen in der Vorbereitung haben bei der Eintracht seit Jahren Tradition. Vor den letzten beiden Spielzeiten haben die Frankfurter in sage und schreibe neun Spielen während verschiedener Trainingslager in den USA und Italien kein einziges Spiel gewonnen. Gegen US-Profis wurde ebenso regelmäßig verloren wie zum Beispiel im letzten Jahr gegen Empoli (0:2) oder Ferrara (1:2).
Alles nicht so schlimm also? So einfach sollte es sich die Eintracht nicht machen. Der Warnschuss von Biel war laut und deutlich. Dieses 1:5 war mehr als eine Niederlage, es war eine Blamage. Die Erklärungen für Testspiel-Pleiten sind immer die gleichen: Der Gegner sei in der Vorbereitung weiter, was auf die Young Boys definitiv zutraf, die eigenen Spieler seien müde, was so auch zu sehen war. Und doch ist diesmal etwas grundsätzlich anders. Denn die Eintracht startet nicht erst in vier, fünf Wochen in die Saison, sondern genau in zwei Wochen. Dann geht es in der Europa-League-Qualifikation schon um viel. Bis dahin findet, Stand jetzt, lediglich noch ein ernsthaftes Testspiel statt, an diesem Freitag gegen Luzern. „Mir hat vieles überhaupt nicht gefallen“, räumte Hütter ein, „aber wir werden am 25.Juli gemessen“. Dann geht es gegen Nis oder Tallin.
Kohr: "So darf man sich nicht präsentieren"
Bis dahin muss der Trainer eine wieder halbwegs funktionierende Mannschaft gefunden haben. Diesmal hat er ohne Rücksicht auf Verluste aufgestellt, quasi alle durften je eine Halbzeit spielen, sogar jene, die nicht mehr erwünscht sind wie Marc Stendera oder Jetro Willems. Das mag gerecht wirken, macht freilich im Gesamtkontext der kurzen Vorbereitung wenig Sinn. Einspielen könnte die bessere Lösung sein, gerade weil aus den unterschiedlichsten Gründen sowieso viele eingeplante Spieler fehlen. Kevin Trapp und Martin Hinteregger sind immer noch nicht auf dem Weg, der prominenteste Neuzugang Djibril Sow fällt Monate aus, mit Erik Durm wurde ein weiterer Neuer gegen Bern wegen Adduktorenproblemen geschont. „So darf man sich nicht präsentieren, so darf man sich nicht abschlachten lassen, da muss sich jeder an die eigene Nase fassen“, sagte Dominik Kohr, auch ein Neuer, „ich kann verstehen, dass der Trainer sauer ist.“
Hütter steht nicht ganz unerwartet vor einem Berg von Problemen. Neben fehlender Form und Fitness, die nicht überraschen können, wird die Eintracht auch von den Unsicherheiten um wichtige Spieler belastet. Die ständig wiederkehrenden Wechselgerüchte um Sébastien Haller und Ante Rebic werden zunehmend zur Hypothek. Gerade bei Rebic müssen die Verantwortlichen aufpassen, dass er mit seinem lethargischen Auftreten, das in Training und Spiel zu beobachten ist, nicht andere mit nach unten zieht. Mijat Gacinovic ist so ein Anwärter, der gegen Bern schon eine ähnliche Körpersprache wie Rebic an den Tag gelegt hat, die fast schon Lustlosigkeit ausstrahlte. Der Trainer blieb diplomatisch. „Ich werde mich nicht auf einzelne versteifen, kein einziger Spieler ist an seine Normalform herangekommen“, sagte er.
Lange Mängelliste
Das stimmt sicher. Beispiele gab es genug. Der Däne Frederik Rönnow im Tor war bei den Gegentreffern machtlos, konnte aber nie Ruhe und Sicherheit ausstrahlen. Der junge Brasilianer Tuta war als linker Verteidiger sichtlich überfordert, der Franzose Almamy Touré konnte als rechter Verteidiger meist den flinken Schweizern nicht folgen. Der Spanier Lucas Torró hat gezeigt, dass er ein guter Kopfballspieler, aber ein nicht so guter Fußballspieler ist, das Sturmpärchen Goncalo Paciencia und Rebic hatte überhaupt nicht harmoniert. Die Mängelliste wäre fortzusetzen.
Freilich gab es auch ein paar Lichtblicke. Der Japaner Daichi Kamada konnte seine guten Ansätze aus dem Training ins Spiel hinüberretten, der junge Serbe Dejan Joveljic sein Talent für das Erkennen von Torgelegenheiten nachweisen. Und Makoto Hasebe spielte solide wie eh und je. Ein bisschen wenig noch. Der Trainer ist überzeugt, dass er das Große und Ganze trotzdem ziemlich schnell hinbekommen wird. „In naher Zukunft haben wir eine Mannschaft zusammen, mit der wir in die Saison gehen“, sagte er, „die haben wir jetzt noch nicht.“ Marco Russ sieht´s ähnlich: „Wenn wir fit sein müssen, sind wir da.“