Mit der Niederlage gegen den letzten "Angstgegner" schmilzt der Vorsprung der Frankfurter zusammen. Erklärungsansätze für die Niederlage gegen Leverkusen gibt es genug.
Von Peppi Schmitt
Filip Kostic tanzt Karim Bellarabi aus.
(Foto: dpa)
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FRANKFURT - Der Dortmunder Sieg in Wolfsburg am Nachmittag hatte die Frankfurter Eintracht noch mehr unter Druck gesetzt. Ein Druck, dem die Mannschaft am Abend in Leverkusen nicht gewachsen war. Nach einem über weite Strecken schwachen, uninspirierten, ja mutlosen Spiel, verloren die Frankfurter bei ihrem letzten verbliebenen „Angstgegner“ mit 1:3 (0:0). Nach nur drei Niederlagen in 28 Spielen hat die Eintracht nun zwei Niederlagen in drei Spielen, innerhalb einer Woche, hinnehmen müssen. Zusammengefallen ist die Formdelle mit dem verkündeten Abschied von Trainer Adi Hütter. Ob das Zufall ist oder nicht, die Beteiligten weisen einen Zusammenhang weiter weit von sich, lässt sich nicht belegen. In jedem Fall hat die Eintracht ihre Form verloren, schließlich war ja auch der Heimsieg am letzten Dienstag gegen den FC Augsburg sehr glücklich zustande gekommen. Der Vorsprung auf Borussia Dortmund ist auf einen einzigen Punkt zusammengeschnurrt, das Momentum liegt auf Seiten des BVB, die große Unbekannte im Dreikampf um die beiden Champions-League-Plätze ist der VfL Wolfsburg. „Wir machen uns jetzt sicher nicht in die Hose“, sagte Sportvorstand Fredi Bobic.
Für die Niederlage gegen die „Werkself“ gab es viele Erklärungsansätze. Der Wahrheit am nächsten gekommen ist Martin Hinteregger. „Vor ein paar Wochen hatten wir das Gefühl, wir können die Champions-League gewinnen, jetzt haben wir den Gedanken, wir können sie verlieren“, sagte der Abwehrchef. Das Gefühl, etwas Historisches für diesen Klub erreichen zu können, hat die Mannschaft wochenlang beflügelt. Das Gefühl, das fast schon Erreichte doch noch aus der Hand zu geben, scheint sie nun zunehmend zu lähmen. Nicht einmal der Fakt, dass die Eintracht sich ja für die Europa-League schon sicher qualifiziert hat, scheint da helfen zu können. Viele Spieler sind mental nicht mehr auf der Höhe.
Das ist ein Teil der Erklärung für die rätselhafte Formschwäche. Es gibt aber auch rein sportliche Gründe. Da muss sich auch der Trainer an die eigene Nase fassen. Und dies nicht nur wegen des Zeitpunkts der Bekanntgabe seines Wechsels, der für viel Unruhe gesorgt hat. In Leverkusen hat Hütter sich auch mit Auf- und Einstellung verzockt. Das sei ihm durchaus zugestanden, denn es war ja in den allermeisten Fällen in dieser Saison anders. Aber Fragen müssen gestellt werden: Warum ändert er ausgerechnet jetzt noch einmal das System, geht vorsichtiger ans Werk als zuletzt? Warum hat er das Experiment mit Aymen Barkok gewagt, der komplett überfordert wirkte? Warum hat er mit Auswechslungen gewartet, bis seine Mannschaft in Rückstand geraten war? Warum spielt Amin Younes, Personifizierung des zwischenzeitlichen Aufschwungs, keine Rolle mehr?
An den Fragen werden die Probleme deutlich, die die Eintracht in Leverkusen mit sich herumgeschleppt hat. Von der ersten Minute an war das Spiel rückwärtsgewandt und vor allem fehlerbehaftet. „Uns hat die letzte Durchschlagskraft und Sauberkeit gefehlt“, legte Sportvorstand Bobic den Finger in die Wunde, „wir haben es nie geschafft Ruhe reinzubringen und haben ihnen zu viel Raum gelassen.“ Barkok hatte sein ganz persönliches Fehlerfestival bereits nach vier Minuten begonnen, als Kevin Trapp mit zwei Glanzparaden einen Rückstand noch verhindern konnte. Doch es war nicht Barkok alleine, dem Präzision und Selbstvertrauen fehlte. Mit Ausnahme von Makoto Hasebe gelang es kaum einem Spieler Angriffe vernünftig einzuleiten. Daichi Kamada stand neben sich, Filip Kostic wurde von Jonathan Tah geschickt aus dem Spiel genommen, Djibril Sow war fleißig wie immer, aber wenig effizient. André Silva machte was er am besten kann. Er köpfte das Frankfurter Tor zum 1:2, sein 25.Saisontreffer.
Der beste Mann war der Torwart. Das macht deutlich, wie schlecht die Eintracht in Wahrheit wieder gespielt hatte. „Kevin hat uns in der ersten Halbzeit im Spiel gehalten“, sagte Hütter, kritisierte den Keeper aber in Zusammenhang mit dem 0:1. Da hatte Leon Bailey Trapp den Ball durch die Beine gespitzelt. Der Nationalspieler war sich keiner Schuld bewusst. „Wie kann man da von einem Torwartfehler sprechen“, blaffte er einen ZDF-Reporter nach einer Nachfrage an. Da wusste Trapp nach seinem 200.Bundesligaspiel noch nicht, dass auch sein Trainer so seine Zweifel hatte. „Es war ein ganz billiges Gegentor, da haben wir naiv verteidigt“, ärgerte sich Hütter, „Kevin schaut da nicht so gut aus, Daichi Kamada hätte konsequenter verteidigen können und Filip Kostic hätte den Flankengeber mehr unter Druck setzen können.“
Was ist mit Younes?
Doch dieses 0:1, „aus dem Nichts“, wie Bobic feststellte, war nicht das eigentliche Problem. Vielmehr hatte die gesamte Statik des Spiels nicht gestimmt, der Gegner wirkte frischer, mutiger, entschlossener, „handlungsschneller“, wie Hütter bemerkte. Und das ist das eigentliche Problem. Kaum hatte die Eintracht das Risiko erhöht, die Abwehr zugunsten einer verstärkten Offensive gelockert, war mit dem Kontertor von Lucas Alario im Grunde schon alles vorbei. Nach 77 Minuten waren mit Timothy Chandler, Amin Younes und Luka Jovic drei frische Kräfte gekommen. Erstaunlich ist des Trainers Zögerlichkeit bei Younes. Der Nationalspieler laboriert seit seinem Comeback in der DFB-Auswahl an Adduktorenproblemen, sicher. Aber wer dreizehn Minuten spielen kann, hätte sicher auch 30 oder 45 Minuten spielen können. Oder ist da etwas anderes vorgefallen zwischen Coach und Spieler?
Das Heimspiel gegen Mainz am 9. Mai wird nun zum ersten Endspiel. „Wir haben weiter alles in der eigenen Hand“, sagt Hütter fast schon trotzig, „es sind drei Spiele, die wir gewinnen können und gewinnen wollen.“ Es geht gegen Mainz, Schalke und Freiburg. Und schließlich, und da hat der Trainer recht, haben auch die Konkurrenten aus Dortmund und Wolfsburg noch harte Brocken vor der Brust, spielen beide auch noch gegen Mainz und beide gegen Leipzig. „Wir dürfen jetzt nicht alles schwarzmalen, sondern müssen mit Freude an die Aufgaben herangehen“, gibt Anführer Trapp den Ton vor.