Das neueste Schiff der Norwegian Cruise Line ist wie ihr Schwesterschiff demnächst in Alaska unterwegs. Sie gleicht der „Bliss“ auch sonst in vielem – dennoch gibt es Unterschiede.
. Wenn eine Band bei einem Konzert eine Zugabe spielt, vermeidet sie – das ist Musikerehre – einen bereits zuvor gespielten Song noch einmal darzubieten. In der Kreuzfahrtbranche scheinen jedoch andere Gesetze zu gelten. Das neueste Schiff der Norwegian Cruise Line (NCL), die Encore, ist vom (übersetzten) Namen her eine Zugabe – und gleichzeitig in vielen Punkten eine Kopie ihrer Vorgängerin Bliss, die seit 2018 für NCL unterwegs ist. Wer mit der Bliss gereist ist, findet sich mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit auch auf der Encore, 333 Meter lang und ausgelegt für knapp 4000 Passagiere, zurecht. Spezialitätenrestaurants wie „Cagney’s Steakhouse“ oder „Le Bistro“ haben ebenso auf denselben Decks wie bei der Bliss ihren Platz gefunden wie der „Social Comedy & Night Club“ oder „The Cavern Club“, wo, nicht nur eingefleischte Beatles-Fans ahnen es, eine Beatles-Cover-Band die Zeit der Fab Four wieder zum Leben erweckt. Vielleicht am Wichtigsten aber: Auch auf der Encore gibt es wie bei der Bliss die Observation Lounge, einen mehr als 250 Quadratmeter großen Aussichtbereich mit raumhohen Fensterfronten, der einen 270-Grad-Blick auf die majestätische Landschaft Alaskas bietet. Ja, Alaska, denn selbst beim Einsatzgebiet folgt die Encore der Bliss. In den Sommermonaten wird der NCL-Neuzugang ebenso wie das Schwesterschiff von Seattle aus in Richtung des größten US-Bundesstaates aufbrechen.
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Angesichts der Ähnlichkeit von Norwegian Encore und Norwegian Bliss zu behaupten, erstere sei eine exakte Kopie der letzteren, wäre allerdings nicht die ganze Wahrheit. In vielen Bereichen stecken die Änderungen im Detail und zeigen, dass sich die Welt auch in der Kreuzfahrtindustrie weiterdreht: Die Bowlingbahn auf der Bliss beispielsweise musste einem virtuellen Nachfolger weichen. Dem ist der mögliche Seegang herzlich egal. Das italienische Restaurant „La Trattoria“, ein jahrzehntelanger Favorit auf den Schiffen der NCL-Flotte, hat seine Türen geschlossen – allerdings nicht, ohne einem würdigen Nachfolger Platz zu machen: „Onda by Scarpetta“ heißt der neue Italiener an Bord. Der Name lässt es erahnen: Bei „Onda“ geht es etwas gediegener zu als in der eher rustikalen Trattoria. Eine gänzlich neue Attraktion auf der Norwegian Encore ist der Galaxy Pavillon, eine Ansammlung von Virtual-Reality-Erlebniswelten, die eine Achterbahnfahrt oder eine Runde auf einer Formel-1-Rennstrecke möglich machen.
Nicht, dass es der Norwegian Encore an „realen“ Attraktionen fehlen würde. Die von der Norwegian Joy und der Norwegian Bliss bekannte Kartbahn wurde gegenüber ihren Vorgängern noch einmal vergrößert und bringt es jetzt auf eine Länge von 350 Metern. Da müssen selbst einige Konkurrenten an Land passen.
Diese Aufzählung dessen, was an Bord geboten wird, ist an dieser Stelle alles andere als vollzählig. Zu den genannten Einrichtungen gesellen sich ein Theater, in dem das mit sechs Tony-Awards ausgezeichnete Broadway-Musical „Kinky Boots“ und die mitreißende Pub-Party-Mitsing-Show „Choir of Man“ aufgeführt werden, „Q“, eine Honkytonk-Bar mit allnächtlicher Country-Livemusik, die Abenteuer-Arena Lasertag, ein American Diner, ein Wasserpark, ein Privat-Sonnendeck nur für Erwachsene, ein Casino, und, und, und. NCL bezeichnet seit einigen Jahren seine Schiffe nicht nur als, nun ja, Schiffe, sondern als schwimmende Resorts, als Ferienanlagen, die man eigentlich während der kompletten Reise nicht verlassen muss.
Dabei setzt NCL nach wie vor auf Freestyle Cruising. Das Konzept, sich von festen Tischzeiten in den Restaurants zu lösen, wurde von der Konkurrenz anfangs belächelt und dann kopiert. Dennoch haben die Erfinder des Freestyle-Cruising in dieser Disziplin nach wie vor die Nase vorn. In Sachen gastronomischer Abwechslung kann der Reederei, die trotz des norwegischen Namens inzwischen durch und durch amerikanisch ist und ihren Sitz in Miami / Florida hat, wohl niemand das Wasser reichen. An Bord gibt es weit mehr als ein Dutzend Optionen, zu dinieren. Ohne Aufpreis am riesigen Buffet im Garden Café, in einem der drei Hauptrestaurants oder dem rund um die Uhr geöffneten „The Local Bar and Grill“. Oder à la carte zum Beispiel im „Ocean Blue“-Seafood-Restaurant und dem eklektischen „Food Republic“. Reisende, denen das alles zu viel Aufwand ist, können sich Speisen und Getränke auch auf die Kabine bringen lassen.
Der Blick in die Speisekarten der Spezialitätenrestaurants lässt indes ein wenig Wehmut aufkommen. Während es noch vor wenigen Jahren – auch bei NCL – üblich war, eine Einmalgebühr von etwa 20 bis 30 US-Dollar (Bordwährung) zu zahlen und dann aus dem Angebot beliebig auszuwählen (inklusive der Möglichkeit, ohne weiteren Aufpreis ein zweites oder gar drittes Dessert zu bestellen), wird nun wie in einem Restaurant an Land einzeln abgerechnet. Und das nicht zu knapp: Im französischen „Le Bistro“ kostet schon das Glas Champagner 35 Dollar – plus pauschale 20 Prozent Bedienungsaufpreis. Unter 80 bis 100 Dollar Rechnungspreis pro Person verlässt man die hochwertigen Spezialitätenrestaurants eher nicht.
Allerdings bietet NCL die Möglichkeit, unter dem Namen „Free at Sea“ ein Getränke- und Essenspaket bei der Reisebuchung mitzubestellen. Bei einer siebentägigen Kreuzfahrt kostet das 99 Euro pro Person – und beinhaltet zum Beispiel drei Besuche in den Spezialitätenrestaurants und sämtliche Glasgetränke bis 15 Dollar Einzelpreis.
Zwischen der Auslieferung der Norwegian Bliss und der Norwegian Encore liegen gerade einmal 18 Monate. Die aber hatten es – Stichwort Fridays for Future – in sich. Kreuzfahrtschiffe befinden sich mehr denn je im Visier von Umweltschützern. Die Konkurrenz setzt auf Flüssiggasschiffe (Aida), will den CO2-Ausstoß der kompletten Flotte durch Klimaschutzprojekte kompensieren (MSC Cruises) oder macht alle Schiffe bis 2023 landstrombereit (Mein Schiff). Der Umweltschutz an Bord der Norwegian Encore wirkt dagegen eigenartig uninspiriert. Zwar rühmt sich NCL, flottenweit keine Plastikstrohhalme mehr zu verwenden und statt Plastik-Wasserflaschen auf ein recycelbares Material zu setzen, im Buffetrestaurant aber werden die Getränke nach wie vor in Plastikbechern ausgeschenkt. Und allabendlich liegt in jeder Kabine bunt ausgedruckt das Programm für den Folgetag aus, obwohl die Informationen auch papierlos über die NCL-Bordapp abgerufen werden können.