Flugzeugtür unterwegs öffnen, Absturzgefahr durch Luftlöcher: Der US-Pilot Patrick Smith räumt mit Halbwahrheiten auf.
Von Tinga Horny
Foto: Jag_cz - stock.adobe
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Patrick Smith ist Pilot, Autor, Blogger und Kolumnist für die New York Times. Seit 1990 fliegt er überwiegend Langstrecke für eine US-Airline. In seinem bislang nur auf engglisch erschienem Bestseller „Cockpit Confidential“ beantwortet er Fragen, die viele Fluggäste einem Profi schon immer stellen wollten:
Fliegen Flugzeuge heute quasi von selbst?
Piloten sind nicht die Babysitter von Autopilot-Systemen. Ein Hightech-Cockpit ist mit medizinischem Hightech-Equipment vergleichbar. Die Technologie verbessert bestimmte Fähigkeiten und vereinfacht gewisse Aufgaben, aber ein Jet kann von selbst genauso wenig fliegen wie ein hoch technisierter Operationssaal ein Organ verpflanzen kann. Es kommt immer darauf an, wie gut der Mensch die Technologie beherrscht. Im Übrigen werden 100 Prozent der Starts und die meisten Landungen noch per Hand ausgeführt.
Wo befinden sich die gefährlichsten Airports?
Wirklich gefährliche Flughäfen fliegt keine kommerzielle Airline an. Aber natürlich gibt es Rollfelder, die Piloten als Herausforderung betrachten. Die Landebahnlänge und die Beschaffenheit des Terrains bestimmen, wie schwierig Start und Landung sind. Bekannt sind die Airports von La Guardia in New York und dem Chicago-Airport Midway für ihre kurzen Pisten sowie die Anden und der Himalaja für ihr tückisches Gelände. Grundsätzlich wird nur gelandet, wenn der Flugzeugführer – alle Faktoren wie Wetter, Gewicht und so weiter eingerechnet – höchstens 85 Prozent der ihm zur Verfügung stehenden Pistenlänge benötigt, um zu halten.
Cockpit Confidential: Everything You Need to Know about Air Travel von Patrick Smith, 2018, Amazon-Buch, ISBN 978-1492663966, 13,10 Euro.
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Was passiert, wenn jemand die Flugzeugtür öffnet?
Gar nichts, weil sich die Türen oder Notausgänge in der Luft gar nicht öffnen lassen. Abgesehen von all den mechanischen und elektronischen Riegeln sorgt in über 10 000 Metern Höhe bereits das Luftdruckgefälle zwischen außen und innen dafür, dass die Tür nicht bewegt werden kann.
Ist Qantas wirklich die sicherste Airline der Welt?
Erst seit 1951 verzeichnet die Airline keine tödlichen Unfälle. Es gibt also nicht die eine sichere Fluggesellschaft. Passagiere vertrauen gerne Statistiken. Doch angesichts der seltenen Flugzeugabstürze und Millionen von Abflügen zugleich, ist das eine akademische Betrachtungsweise, die der Praxis nicht entspricht. Wird Airline A, die in den vergangenen 20 Jahren einen Absturz verzeichnet, in spe sicherer sein als Airline B, die im selben Zeitraum zwei Abstürze hatte? Wer lieber mit United Airlines als mit Aeroflot, lieber mit Lufthansa als mit China Airlines fliegt – kein Problem. Sind erstere sicherer? Vermutlich nur, wenn man auch noch die drei Stellen hinter dem Komma beachtet. Rational betrachtet, sind sie folglich alle gleich.
Wie gefährlich sind Luftlöcher?
Wenn der Flieger in zehn Kilometern Höhe aufgrund eng beieinanderliegender Kalt- und Warmluftzonen – etwa bei Gewitter – abrupt absinkt oder zu trudeln beginnt, dann ist das für überängstliche Menschen der pure Horror. Das Ende scheint nahe. Zwar gibt es deswegen immer wieder Verletzte, meist nicht angeschnallte Passagiere und vor allem Crewmitglieder, aber für Piloten sind Luftlöcher Routine. Abstürze, die direkt beziehungsweise indirekt auf Turbulenzen zurückzuführen sind, lassen sich seit Beginn der kommerziellen Luftfahrt an einer Hand abzählen. Das Phänomen Luftlöcher wird allerdings wegen des Klimawandels in Zukunft häufiger auftreten. Denn die weltweite Erderwärmung verändert das Wetter und verstärkt Stürme.
Wie wichtig sind die Sicherheitsinstruktionen?
Erklärt werden das Anlegen der Rettungsweste (nicht an Bord aufblasen!) und die Lage der Notausgänge. Doch der Kurs geht am Kern des Problems vorbei. Wer kann sich in der Panik eines Notfalls noch daran erinnern, wo bei der Rettungsweste vorne und hinten ist? Die Sicherheitsinstruktionen sollten also gekürzt werden und den Leuten vor allem eintrichtern, was sie auf keinen Fall tun sollten: nämlich Handgepäck oder Wertobjekte, mitnehmen. Denn wer noch schnell im Rucksack nach seinem Tablet sucht oder mit seinem Rollkoffer die engen Gänge versperrt, der bringt sich und andere in Gefahr. Für das Evakuieren eines Großraumjets sind nur neun Minuten vorgesehen, das heißt, jede Sekunde zählt.