Der Klimawandel hat die Reisebranche fest im Griff. Doch trotz Greta, Flugscham und höheren Flugsteuern werden wir weiterhin verreisen. Wohin geht die Reise?
Von Tinga Horny
Drei Usbekinnen in Samarkand.
(Foto: Tinga Horny)
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Auch 2019 ist die Zahl der Fluggäste wieder angestiegen. Der internationale Airline-Verband Iata rechnet mit rund 4,6 Milliarden Passagieren weltweit, 200 Millionen mehr als im Vorjahr. Wenn die Branche klagt, dann nicht über den Greta-Effekt, sondern über die steigenden Kerosin- und Betriebskosten. Dennoch bringt der deutlich spürbare Klimawandel viele Verbraucher zum Nachdenken. Aus diesem Grund sind die Trends in Sachen Urlaub so widersprüchlich wie selten zuvor und schwanken zwischen Fernweh und Flugscham.
Trend Nummer eins Ablasshandel
Das Thema CO2-Kompensation in der Flugbranche spielt eine immer größere Rolle. Mit dieser Form des Umweltablasshandels können die meisten Passagiere bestens leben, weil sie auf nichts verzichten müssen. So bietet die Lufthansa mit Compensaid Kunden die Möglichkeit, entweder nachhaltiges Kerosin zu erwerben oder über die Schweizer Organisation Myclimate ihren Flug mit einem Obolus für ein klimaneutrales Entwicklungsprojekt auszugleichen. Derzeit wird nur ein Bruchteil der CO2-Emissionen von Flugreisen auf diese Weise ausgeglichen. Doch CO2-Kompensationsagenturen, darunter vor allem Atmosfair, aber auch Klima-Kollekte, Prima Klima und Myclimate freuen sich über hohe Steigerungsraten.
Noch kundenfreundlicher geht Easyjet vor. Der britische Billigflieger lässt bei seinen Fluggästen erst gar keine Flugscham mehr aufkommen, weil er ab sofort alle produzierten CO2-Emissionen freiwillig selbst ausgleicht. Das Unternehmen rechnet mit Gebühren von rund 29 Millionen Euro pro Jahr.
Plastikmüll im Hafen von Mirissa auf Sri Lanka. Foto: Tinga Horny
San Sebastian im Baskenland: Touristen sind nicht überall willkommen. Foto: Tinga Horny
Blaue Kuppeln in Chiwa/Usbekistan. Foto: Tinga Horny
Abbrechende Steilküste zwischen Travemünde und Niendorf an der Ostsee. Foto: Robert B. Fishman
Klosterfestung Ananuri in Georgien. Foto: Simone F. Lucas
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Trend Nummer zwei Müllvermeidung
Gästen wird es vermutlich gar nicht aufgefallen sein, aber Trinkhalme aus Plastik werden immer seltener ausgegeben. Die internationalen Hotelketten Accor, Marriott und Co. haben bereits 2018 angefangen, Plastikmüll zu reduzieren. Angefangen hat es mit Trinkhalmen, und mittlerweile sind vor allem Einwegprodukte wie Shampoos und Flüssigseifen im Fokus. Und die PET-Wasserflasche wird selbstverständlich nach und nach gegen nachhaltigeres Glas ersetzt.
Lebensmittelverschwendung ist das andere große Thema in der Hotellerie. Veranstalter wie Tui und FTI überlegen, wie sie es schaffen, dass in ihren Hotels weniger Nahrungsmittel im Müll landen. Im Pilotprojekt Zero Food Waste hat zum Beispiel FTI zusammen mit der Nachhaltigkeitsinitiative Futouris und United Against Waste e.V. in drei MP Hotels auf den Kanaren eine Abfallanalyse durchgeführt. Das Resultat sind bessere Arbeitsabläufe im Hintergrund, aber auch das Angebot kleinerer Portionen an den Büffets sowie Showcooking-Stationen, an denen die Gäste die Portionsgröße bestimmen können.
Trend Nummer drei Deutschland
„Je näher, desto klimafreundlicher“ heißt die Devise beim Reisen. Neben dem Dauerbrenner Bayern locken vor allem die Nord- und Ostsee im Sommer. Während Mecklenburg-Vorpommern sich unverändert großer Beliebtheit erfreut, drängt die Ostseeküste zwischen Lübeck und Heiligenhafen mit neuen und renovierten Hotels ins Rampenlicht. Im Landesinneren stehen zwei weitere Trendspots auf der Liste. Einmal der Breisgau mit Freiburg, das im nächsten Jahr 900. Geburtstag feiert. Die Region ist nicht nur mit viel Sonne gesegnet, sondern zählt mit jeder Menge Kulinarik, Kultur und Natur zu den Genuss-Ecken Deutschlands. Lonely Planet hat außerdem Bonn auf seine Besten-Liste gesetzt. Der Grund: 2020 feiert die Stadt den 250. Geburtstag von Beethoven mit viel Musik rund ums ganze Jahr.
Trend Nummer vier Undertourism
Jeder kennt den Begriff Overtourism. Das Gegenteil nennt sich Undertourism und bezeichnet Ziele, die erst noch entdeckt werden wollen, beziehungsweise wo es noch immer mehr Bewohner als Touristen gibt. So kommen dem sogenannten Tourist Density Index (TDI) zufolge auf jeden Kroaten etwa 14 Urlauber. Während Städte wie Barcelona, Lissabon und Venedig sowie Länder wie Kroatien und Island Opfer ihres eigenen Erfolgs sind, würden sich andere Regionen über mehr Besucher freuen. Dem TDI Index gemäß kommen beispielsweise in Tansania und Kenia auf jeden Besucher je 43 beziehungsweise 36 Einwohner.
Trend Nummer fünf Echte Trendsetter
Wer auf der nächsten Party wirklich Gehör finden möchte, der erzählt von seinem Ausflug nach Al-Hasa, eine der größten Palmenoasen der Welt mit 2,5 Millionen Dattelpalmen in Saudi Arabien. Er könnte aber auch von Georgiens Klöstern und traumhafter Berglandschaft schwärmen. Außerdem schieben sich langsam die sogenannten Stan-Länder, die auf die Silbe -stan enden (Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan), wegen der Seidenstraße ins Bewusstsein von Entdeckern. Vor allem Usbekistan punktet mit seinen Oasenstädten Chiwa, Samarkand und Buchara.
Trend Nummer sechs Comeback-Länder
Es gibt Reiseländer, die kommen und gehen alle paar Jahre. Das Badeziel Gambia an der Westküste Afrikas gehört zu dieser Kategorie. Oft hängt das Schicksal solcher Staaten von der direkten Flugverbindung ab. Jetzt versucht es erneut ein Veranstalter. Mit Nonstop-Flügen ab Deutschland hofft FTI auf genügend Kunden. Ähnliche Hoffnungen schürt auch die Billig-Airline Citilink, ein Ableger der Garuda Indonesia. Sie plant 2020 Flüge von Frankfurt nach Jakarta. Das könnte bedeuten, dass es dem Inselstaat gelingen wird, außer Bali auch seine Unesco-Welterbestätten wie Borobudur auf Java wieder in den Vordergrund zu rücken.