Michil Costa (rechts) – hier im Hühnerstall seines Hotels La Perla – legt Wert auf fair produzierte Produkte. Foto: Südtirol Marketing
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Es gibt keine Cola im ganzen Haus. Im Schwimmbad kann es vorkommen, dass der Feriengast neben dem Zimmermädchen schwimmt. Und wer für die Aufenthaltszeit seinen Autoschlüssel abgibt, der bekommt an der Rezeption ein Geschenk: Das „La Perla“ im Südtiroler Ski- und Bergsteigerort Corvara gibt sich als das etwas andere Luxushotel.
Schuld daran ist der Hotelier Michil Costa. Der umtriebige Südtiroler sieht keinen Widerspruch darin, den Gästen seiner zu den „Leading Hotels of the World“ gehörenden Herberge freitags einen Veggie Day zuzumuten und über alle wichtigen Entscheidungen die Mitarbeiter abstimmen zu lassen. Demokratie für Spüler und Reinigungskräfte.
Michil Costa ist mit dieser Idee nicht allein. Wie der 54-Jährige mit den bunten Einstecktüchern erkennen immer mehr Tourismusunternehmer in Südtirol, dass zukunftsfähiger Urlaub mehr bieten muss als Wellness-Paläste und iPad-Speisekarte. Sie versuchen, eine am Gemeinwohl orientierte Form des Wirtschaftens einzuführen. Damit sind sie dem Trend voraus. Denn ab kommendem Dezember müssen in der EU alle börsennotierten Unternehmen ab 500 Mitarbeitern über ihre gesellschaftliche Rolle Bericht erstatten. In Südtirol können die Top-Manager schon mal sehen, wie so etwas funktionieren kann.
Zum Beispiel am Drumlerhof in Sand in Taufers. Der sieht mit Wintergarten und hölzernen Stuben nicht anders aus als viele andere Hotelrestaurants in der Gegend. Aber Brot und Käse kommen aus dem Tal, manche Produkte sogar vom eigenen Hof. Und wenn es Fleisch gibt, dann wird das ganze Tier verwertet. Denn Besitzer Stefan Fauster weiß: „Schweine bestehen nun mal nicht nur aus Filet.“ Deshalb bereitet der Koch des Drumlerhofs aus den weniger edlen Teilen Suppenfleisch und Maultaschenfüllung zu. Den Gästen gefällt’s.
Dass dieses Vorgehen auch der Umwelt und der Gesellschaft nutzt, dessen versichert sich der Drumlerhof regelmäßig. Das Hotel hat sich der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) des Wiener Ökonomen Christian Felber angeschlossen. Dabei wird Erfolg nicht nur in Euro und Cent, sondern auch im Nutzen für alle Beteiligten gemessen. Die jährliche Gemeinwohlbilanz misst in einem Punktesystem unerbittlich auch das Engagement für Werte wie Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit.
Dieses künftig von der EU empfohlene System nutzen auch das Hotel La Perla und viele andere: 70 Unternehmen sind in Südtirol bereits mit von der Partie. Viele wurden motiviert vom Terra-Institut in Brixen und seinem Gründer Günther Reifer. Der sieht gerade erfolgreiche Feriendestinationen wie Südtirol in der Pflicht. Sonst wenden sich die Gäste womöglich bald nachhaltigeren Urlaubsregionen zu: „Jeder Euro ist ein Stimmzettel.“
Es braucht aber auch die Menschen, die so ein nachhaltiges Konzept leben. Wie den Landwirt Karl Luggin im Vinschgau. Wenn er aus den Fenstern seines Kandlwaalhofs schaute, dann konnte er die Monotonie der Apfelplantagen sehen: Spaliere, so weit das Auge reicht. Und die entsprechenden Pflanzenspritzmittel: Das wollte er nicht mehr mitmachen. Erst stellte Luggin auf Bio um, dann begann er, seine Produkte selbst im eigenen Hofladen zu verkaufen. Schließlich ergänzte er sein Sortiment um selbst gemachten Essig und Senf. Denn nur wenn der Kreislauf funktioniert, bleibt das Gemeinwohl kein Stückwerk. Beim Hotelier, beim Gastronomen und auch beim Landwirt.
Michil Costa sitzt auf seiner Terrasse im Garten des Hotels und lässt sich ein Dessert schmecken – mit echter Vanille. Die gibt es natürlich nicht aus dem Gadertal. Aber man darf die Sache nicht verkniffen sehen, erklärt der Vordenker. „Wir sind schließlich ein Hotel und kein Kloster.“ Bananen, Ananas und Kiwi gibt es also seit einer Mitarbeiter-Abstimmung wieder auf dem Frühstücksbuffet – dann aber bitte fair gehandelt. Und Vanille ist sowieso unproblematisch. Die stammt nämlich aus einem Dorf in Uganda, das die Familienstiftung der Costas unterstützt. „Man kann nicht allein die Welt retten“, meint der Alpenrebell. „Aber man kann seinen kleinen Teil dazu beitragen.“