Mallorca: Mit dem Bummelzug durch die Serra de Tramuntana
Von Armin E. Möller
Auf ihrem Weg durchs Gebirge überquert die Tren de Sóller zahlreiche Brücken und Viadukte. Foto: Armin Möller
( Foto: Armin Möller)
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Die Geschichten zum Zug beginnen so: „Stell dir vor, du hast Orangen und Zitronen bester Qualität, genauso, wie sie bei uns im Tal von Sóller in großen Mengen wachsen. Ein Markt wartet. Aber du musst alles mit Lasteseln und Karren durch enge Schluchten und über schwierige Pässe dorthin transportieren. Das kann eine Woche dauern, und gefährlich ist es auch. Was machst du?“
Die Orangenbarone aus den mallorquinischen Bergtälern fanden 1905 eine für ihre Zeit höchst moderne Antwort auf diese Frage: den „Tren de Sóller“, eine Eisenbahn mit dem Spitznamen „Roter Blitz“. Bahningenieure suchten und fanden eine brauchbare Trasse von Palma de Mallorca im Südwesten bis ins Sóllertal im Norden. Die Sóllerics, das sind die Einwohner von Sóller, die es dank des Orangenhandels zu Wohlstand gebracht hatten, zeichneten Anteile an der Eisenbahngesellschaft, der „Ferrocarril de Sóller“. Die Finanzierung war somit kein Problem. Nach sieben Jahren Bauzeit fuhren im April 1912 die ersten Züge aus Palma über das Tramuntana-Gebirge in die Orangenregion und zurück in die Hauptstadt Mallorcas, wo Apfelsinen- und Zitronen auf Dampfschiffe verladen wurden.
Dass die Eisenbahnbauer Mallorcas, was die Bahntechnik anbetrifft, am meisten der englischen Bahntechnik trauten, ist heute noch offensichtlich. Die Spurweite der Sóller-Bahn beträgt 91,44 Zentimeter – genau ein englisches Yard. Schmalspurgleise boten sich an, für eine Normalspurbahn mit 1,435 Metern Spurbreite hätte man Kehren mit größerem Radius einplanen und breitere Fahrwege in Felswände sprengen müssen. Die vier britischen Dampfloks von 1912 wurden aber nur bis 1929 eingesetzt. In diesem Jahr wurde die Bahnlinie von der Berliner Firma Siemens-Schuckert elektrifiziert, woran eine große Messingtafel am Bahnhof Palma erinnert. Auch die 24 Güterwagen von damals gibt es nicht mehr. Doch einige der zehn Personenwagen englischer Bauart sind nach wie vor im Einsatz.
Auf ihrem Weg durchs Gebirge überquert die Tren de Sóller zahlreiche Brücken und Viadukte. Foto: Armin Möller Foto: Armin Möller
Auf ihrem Weg durchs Gebirge überquert die Tren de Sóller zahlreiche Brücken und Viadukte. Foto:
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Die Gebirgsbahn der Ferrocarril-Gesellschaft ist einzigartig, und die von Mallorquinern und Touristen gleichermaßen geliebten alten Triebwagen und Wagen werden mit einigem Aufwand fahrbereit gehalten. Eine eigene Werkstätte in Sóller fertigt Ersatzteile an – auch weil es die nirgends sonst mehr gibt. Die Betreiber setzen ganz auf Nostalgie und ein Fahrerlebnis wie vor 100 Jahren. Das Fahrgeräusch zumindest muss sich anhören wie ehedem, als hier die ersten Züge fuhren.
Pro Tag stehen – je nach Jahreszeit – sechs bis acht Fahrten im Fahrplan. Die Strecke ist nach wie vor eine Herausforderung für die Zugmaschinen, auch wenn der Tren de Sóller nur mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 Stundenkilometern unterwegs ist. Insgesamt geht es auf der 27 Kilometer langen Bergstrecke durch 13 Tunnel und über dutzende von Brücken. Der berühmteste Tunnel ist mit 2857 Metern Länge der Túnel Major, direkt hinter den berühmten Gärten von Alfàbia. Die Tunnelröhre wurde durch die Flanke eines 1000 Meter hohen Berges gebohrt. Die beste Aussicht auf das Tal unterhalb des Trens erlebt man – auf der Fahrt nach Sóller – von der rechten Zugseite aus.
INFORMATIONEN
Tren de Sóller: Die Bahnen sind trotz hoher Fahrpreise (Erwachsene 30 Euro) oft ausgebucht. Vorbestellungen werden insbesondere für den Zug um 10.40 Uhr empfohlen. Der Mietwagen kann in Tiefgaragen unter der Avinguda Joan March in Palma geparkt werden. Beliebt sind auch Kombinationen von Bahn und Ausflugsschiff (52 Euro), bei der die Hin- und Rückreise per Bahn mit einer Schiffsfahrt von Port de Sóller entlang der Tramuntana-Steilküste weiter nach La Calobra kombiniert werden, www.trendesoller.com/fahrplan.
Gebirge: Wer mit dem Mietwagen in die Serra de Tramuntana fährt, sollte viel Zeit einplanen. Die sehr kurvigen Straßen sind so eng, dass man ständig dem Gegenverkehr ausweichen muss. Zudem sind Mallorcas Straßen bei Radfahrern beliebt, die oft in Pulks unterwegs sind. Auf den Besuch des Leuchtturms vom Cap de Formentor oder die fahrerisch anspruchsvolle Fahrt von der Hauptstraße Nr. 10 unterhalb des Puig Major nach La Calobra sollte man deshalb nicht verzichten – auch wenn man für die relativ kurze Strecke mindestens eine Stunde pro Richtung einplanen muss.
Der Zug passiert auf seiner Fahrt genau 14 Haltepunkte, die von Touristen aber kaum wahrgenommen werden. Ausnahme: Am Haltepunkt Mirador an der Überholstelle Pujol d’en Baya, wo die Züge auf der eingleisigen Bahn die Vorbeifahrt des Gegenzugs abwarten müssen, lohnt es sich, auszusteigen. Die Bahngesellschaft hat hier eine Aussichtsterrasse bauen lassen, von der man den besten Blick über das Sóller-Tal genießen kann – vom Puig Major de Son Torrella, mit seinen 1445 Metern der höchste Gipfel der mallorquinischen Berge, bis fast hinüber zum Meer.
Der tägliche Zug um 10.40 Uhr ab Palma ist besonders beliebt, denn er hält hier oben recht lange. Dieser Vormittagszug gilt auch als „Touristenzug“ und wird von den Mallorquinern wegen des langen Stopps gemieden. In allen anderen Zügen fahren Sóllerics mit – für sie ist der Tren die einfachste Nahverkehrsverbindung nach Palma.
Wer erst kurz vor der Abfahrt des Zuges am Bahnhof der Ferrocarril de Sóller eintrifft, versäumt viel. Die historische Ausgangs- und Endstation der mallorquinischen Gebirgsbahn mitten in Palma, die immer noch so aussieht wie vor 105 Jahren, ist eine Attraktion für sich, die man besuchen sollte, auch wenn man nicht mit dieser Eisenbahn fahren will.
Man muss allerdings schon etwas genauer hinschauen, um die hinter einem schmiedeeisernen Tor versteckte End- und Anfangsstation des Tren de Sóller nicht zu übersehen. Das Café an der Avinguda Joan March ist so etwas wie der Wartebereich der Station, wo man bei Bocadillos de Jamón und einem Café Filtrado auf die Abfahrt des Zuges warten kann. Empfehlenswerter aber wäre ein Rundgang durch den alten Bahnhof und über das Bahnhofsgelände. Daran, dass die Fahrgäste die Züge ganz genau inspizieren, sind die Eisenbahner gewöhnt. Sie erklären auch gerne, dass der Spitzname der Züge, „Roter Blitz“, daran erinnert, dass dies eine der langsamsten Bahnen überhaupt sei. Und wer meint, die Waggons seien doch eher gelbbraun und nicht rot angestrichen, erhält die Auskunft, man müsse nur beim richtigen Sonnenstand vorbei kommen, dann wirke das Braun wie ein Rot. So gesehen hat für Eisenbahnliebhaber alles seine Richtigkeit.