INFORMATIONEN
Anreise: Mit Air France über Paris nach Brest, www.airfrance.com
Essen: Ein Erlebnis ist die Küche von Chefkoch und Foie Gras-Spezialist Guy Guilloux, vorab reservieren, La Taupinière, www.la-taupiniere.fr, Pont-Aven, Tel. 00 33 - 2 98 06 03 12
Schlafen: Joël Le Guirriec bietet ein Strandfisch-Paket für seine Gäste in Le Faou-Rosnoën an: zwei Nächte inklusive Vollpension, drei Stunden Strandfischen mit gemeinsamem Kochen ab 118 Euro pro Person, Telefon 00 33 - 2 98 81 93 84, www.gite-etape-bretagne.fr
Buchtipp: Gerade ist der neue „Merian Momente Bretagne“ von Autorin Sandra Malt bei Travel House erschienen, 14,99 Euro, ISBN (13) 978-3-8342-2009-7
Kontakt: Atout France, www.rendezvousenfrance.com, www.bretagne-reisen.de
Nach einem harten Tag auf dem Feld konnte er schon damals als Bauer an der Grève du Seillou sehr gut entspannen. Joël Le Guirriec seufzt und lächelt, als er von dem Küstenstück erzählt. Gesagt, getan. Auch heute knöpft sich der Bretone die dicke Fleecejacke zu, steigt in seine kniehohen Gummistiefel, greift Kratzer und Stichel und fährt los zu dem einsamen Strand an der Rade de Brest. Ganz in der Nähe liegt sein Gästehaus in den sanften, grünen Hügeln von Rosnoën auf der Peninsula Crozon. Über der lang gezogenen Bucht weht eine leichte Brise, ein paar Möwen ziehen ihre Runden über dem glatten Wasser. Alle zwölf Stunden kippen die Segelboote am Ufer zur Seite, das Wasser zieht sich zurück und gibt die Weite des Wattenmeeres frei. Dann wird der Schlick abgetragen und Krabben, Muscheln und Krustentiere werden genährt.
Ein gutes Vierteljahrhundert lang leitete der 62-jährige Joël einen Hof mit einer Menge Kühe. Dann renovierte er das steinerne Bauernhaus seines Großvaters. Es entstand eine urige „Maison d‘Hôtes“. Seit zwölf Jahren können die Feriengäste zu bestimmten Zeiten etwas typisch Bretonisches mit ihm unternehmen. Alle zwei Wochen, bei „Springtiden“, wenn sich das Meer weit zurückzieht, geht der frühere Milchbauer mit ihnen zum Fußfischen. Beim „Pêche à pied“ suchen sie gemeinsam, was die Flut zurückgelassen hat: Austern, Krustentiere, Messer- und Venusmuscheln, Strandschnecken. Später stehen sie dann an Joëls Gasherd, plaudern bei einem Glas Chablis und bereiten den Fang frisch zu.
In der ruhigen Nebensaison geht der humorvolle Franzose allein ins Watt. Während er die ersten Steine langsam umdreht und nach Strandschnecken Ausschau hält, erzählt Joël: „Schon als kleiner Junge bin ich mit meinem Großvater los, da kamen in unsere Ecke noch viel weniger Urlauber.“ Am Strand vergesse er alle Sorgen des Alltags, sagt er, und blickt lange auf die ruhige Bucht.
Vor der Halbinsel Crozon entspannen mittlerweile jährlich circa 1 000 Amateure beim Strandfischen. Was nichtswissende „Fußfischer“ auf keinen Fall machen dürfen, zeigt der Profi später: den umgedrehten Stein nicht wieder in seine ursprüngliche Lage zu bringen – und so die Nahrungskette zu zerstören. „Die Mikroorganismen, von denen die nächstgrößeren Meerestiere leben, sterben dann ab. Das Ergebnis: ein Nahrungsmangel, der die Fische in der gesamten Bucht bedrohen kann.“ Ebenso darf Joël in seiner Region täglich nur sechs Kilo Austern, die größer als fünf Zentimeter sind, sammeln. Das gilt für jeden Strandfischer, auch für Gäste, die alleine losziehen. Niemand darf zu viele Austern mitnehmen – und vor allem sollte niemand Chaos am Strand hinterlassen.
Zuerst sucht Joël die länglichen Messermuscheln im Watt. Der erfahrene Fischer weiß eine Methode, wie sie sich schnell zeigen: „Ich schütte Salz in ovale Löcher und warte, bis die Muschel an die Oberfläche kommt. Dann fasse ich sie und warte, bis sich der Muskel zusammenzieht, so kann man sie gut greifen.“
Eher handwerkliches Talent brauchen die Strandfischer jedoch bei Austern: Von den Felsen am Strand schlägt Joël die „Huîtres creuses“, die Hohlaustern, mit einem Hammer ab. „Neben dem Gezeitenunterschied benötigen sie auch Süß- und Salzwasser, damit sie ordentlich wachsen“, erklärt er. Optimal in dieser Bucht an der Westküste der Region: Hier fließen mehrere Flüsse – unter anderem auch der größte der Bretagne, die Aulne – zusammen. Deshalb das große Vorkommen der edlen Delikatessen. Ihre extrem harte Schale schützt sie gegen Bakterien – Krebse, Garnelen und Muscheln haben diesen Vorteil nicht. „Das Wasser überprüft die Küstenwache hier deshalb ziemlich oft“, sagt Joël. Immer mehr Hohlaustern, Venus- und Messermuscheln sammeln sich in seinem Korb. Damit sie auch so richtig schön salzig schmecken, reinigt er sie noch mit Meerwasser.
Später in der gemütlichen Bauernküche setzt der Fischer ganz auf die einfache Zubereitung: Die Austern richtet er mit einer Vinaigrette an, verfeinert mit Schalotten, etwas Zitrone, natürlich knusprigem Baguette und typisch bretonisch-salziger Butter. So einfach und doch sehr lecker!
Etwas weiter nördlich – an der Côte d‘Émeraude mit ihren zerklüfteten Kaps und feinsandigen Stränden – liegt in dem hübschen Fischerdorf Cancale die Hochburg der Austernzucht. In der seichten Bucht ernten knapp 80 Profi-Fischer die flachen „Huîtres plates“ mit dem einzigartigen Haselnussgeschmack. Die Bretonen in ihren grünen Gummistiefeln, die zwischen den Zaunreihen des Meeresgrundes mit ihren Traktoren hin- und herfahren, ähneln eher Landwirten als alten Seebären. Jeden Tag bieten die Händler ihre Ernte am Ende des Strandboulevards in Cancale auf einem Markt an – und wer möchte, bekommt hier ein paar Ratschläge zum Öffnen der Meerestiere mit der scharfkantigen Schale oder einfach nur gute Rezepte. Aber auch Joël Le Guirriec verrät beim Kochen gerne, was man mit den edlen Austern so alles machen kann.