Die spätromanische Stiftskirche Colegita de Santa Maria Mayor in Toro. Foto: Franz Michael Rohm/srt
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Wird ganz Spanien von den Deutschen als Sonne-Strand-Ziel erobert? Nein. Eine kleine Region im Herzen der iberischen Halbinsel leistet Widerstand gegen das massentouristische Imperium. In der Region Zamora im Nordwesten von Kastilien-Leon hat schon der keltiberische Held Viriato gegen die Römer gekämpft. Heute verteidigen die nur rund 180 000 Provinzbewohner in 200 Kilometern Entfernung von der Sieben-Millionen-Metropole Madrid ihre reiche Natur- und Kulturlandschaft gegen jedwede Verschandelung – und begrüßen die Besucher umso freundlicher, die zu ihnen finden.
Carlos Gallego ist der richtige Mann, um Ankömmlingen ein erstes Lebensgefühl der Gegend zu vermitteln. Der Winzer und Gastwirt im Dörfchen Morales de Toro „verheiratet“ im Restaurant „La Panera“ die Weine seiner Heimat mit typischen regionalen Speisen. Da passt der Blutwurstkrapfen von Burgos zum schlanken Weißen und das Iberische Schwein zum berühmten Roten des Gebiets Toro, den angeblich schon Kolumbus im Gepäck nach Amerika hatte.
Leute wie Carlos oder die Familie Farina, deren Gut am Rand der Stadt Toro liegt, stehen für die Wiederauferstehung des Weingebiets. Diese erfolgte in den vergangenen 40 Jahren, nach jahrhundertelangem Dornröschenschlaf, während dem sogar Weizen auf einem großen Teil der Weinhügel angebaut wurde. Heute kaufen sich global agierende Weinmacher aus Spanien und Europa in den Appellationen der Region Zamora, vor allem die D. O. Toro, ein, weil die Weine Preise und Aufmerksamkeit einheimsen. Eine der großen Weinfamilien Spaniens, Felix Solis aus dem Valdepenas, hat etwa nicht nur eine bankrotte Genossenschaft aufgekauft und produziert unter dem Namen Pagos del Rey wieder erstklassigen Toro, sondern auch gleich ein sehenswertes Museum aufgebaut, in dem die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung des Weins in dieser Region gezeigt wird.
Die spätromanische Stiftskirche Colegita de Santa Maria Mayor in Toro. Foto: Franz Michael Rohm/srt Foto: Franz Michael Rohm/srt
Im Centro del Lobo Iberico erfahren Besucher alles über den Wolf und können die Tiere in einem Gehege erleben. Foto: Matthias Friedrich Foto: Matthias Friedrich
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Dass die Zeit hier ziemlich lange stillgestanden hat, gereicht der Kleinstadt Toro auf einem Steilhang über dem Duerotal heute zum Vorteil, wie die Touristikerin Maria Jesus Cabezas weiß. Wo sonst leben 9 500 Einwohner schon unter nahezu unversehrten Palästen, einem Theater, einer Stierkampfarena sowie Kirchen und Klöstern im Dutzend. Alt-Königin Sofia hat soeben die kastilische Landesausstellung in der prachtvollen Stiftskirche aus dem 12. Jahrhundert eröffnet, die viele Besucher anzieht. Zusammen mit der Provinzhauptstadt Zamora ist Toro ein Zentrum romanischer Baukunst in Europa. Vom Erbe der vertriebenen Muslime zeugen maurische Ornamente und byzantinische Bauformen. Am 1. März 1476 entschied sich gar das Schicksal Spaniens vor den Toren der Stadt. Isabella von Kastilien erkämpfte sich hier zusammen mit ihrem aragonesischen Gatten Ferdinand die Krone des Landes gegen ihre mit den Portugiesen verbündete Halbschwester Johanna. Von da führte der Weg der „Katholischen Könige“ zur Vereinigung Kastiliens und Aragons, zur Eroberung der letzten Maurenfestung Granada und wenig später der Neuen Welt.
INFORMATIONEN
Anreise: per Flugzeug nach Madrid, von dort weiter mit dem Zug nach Zamora, Provinzhauptstadt mit 23 romanischen Kirchen, oder per Mietwagen;
Unterkunft: Zum Beispiel im Palacio Reja Dorada in Toro, Doppelzimmer ab 50 Euro, www.palaciorejadorada.com. Hotel AC Zamora by Marriot in Zamora, www.espanol.marriott.com.
Weinmuseum: Öffnungszeiten: Mo-Fr 11 bis 14 Uhr, 16 bis 19, Sa 11 bis 20, So 11 bis 15 Uhr, www.pagosdelreymuseodelvino.com.
Die Störche zeigen, dass auch in den Städten die Natur nicht weit ist. Sie bauen ihre schweren Nester auf jedem Kirchturm, Palast oder Mauervorsprung. Das quirlige Leben in den Gassen etwa der Provinzhauptstadt Zamora stört sie nicht im Mindesten. Nur die von katalanischen Architekten erbauten zahlreichen Jugendstilbauten in der 65 000-Einwohnerstadt über dem Duero erscheinen Meister Adebar wohl zu filigran für den Nestbau.
Vollends hat die Natur im Westen der Region die Oberhand behalten. In der Sierra de la Culebra und im Sanabria-Nationalpark an der portugiesischen Grenze gibt es viel Wald und Heide, wenige Dörfer, dafür mit 200 Tieren die größte Wolfspopulation in Westeuropa. Besucher erfahren im neu eröffneten „Centro del Lobo Iberico“ nahe des schmucken Bergdorfs Puebla de Sanabria alles über den Wolf und sein Verhalten, und sie können auch Tiere in einem großzügig umzäunten Gehege beobachten. In freier Wildbahn schafft es freilich selbst ein gewitzter Führer wie Miguel Angel Garijo nicht immer, den Besuchern einen Wolf vors starke Teleskop zu schaffen. Immerhin zeigt einem die Markierung mit Wolfskot, dass man mitten im Revier eines Rudels angekommen ist.
„Du siehst den Wolf nicht“, hat uns Schäfer Antonio vorher angekündigt, „aber der Wolf sieht dich sehr wohl.“ Antonio und seine Kollegen müssen schon immer mit den Wölfen leben. Er schützt seine 300 Schafe mit drei traditionellen Regeln: Erstens: Immer bei der Herde bleiben. Einmal musste er einen Angreifer mit dem Stock vertreiben, hatte aber dabei „mindestens so viel Angst wie der Wolf“. Zweitens: Den richtigen Hund dabei haben, einen „Mastin Espanol“. Der gemütliche Bernhardiner-Verschnitt sei der „einzige, der es mit dem Wolf aufnimmt“. Drittens: Schafe nachts immer in einen festen Unterstand stellen.
So gehen die Interessen auseinander. Schafzüchter sorgen sich wegen der Raubtiere, die inzwischen auch weit entfernt im Weideland südlich des Duero Schafe reißen. Naturschützer wie Miguel Angel freuen sich über die robuste Population und betonen, dass der Wolf eigentlich mit Hirschen, Rehen und kleineren Tieren genug Nahrung in seinem Gebiet vorfindet. Der Besucher schließlich empfindet vor allem Respekt vor der Natur und ihren Geschöpfen in diesem wild-ursprünglichen Stück Spanien, das sich so sehr vom Land der Strände und Partys unterscheidet.