Der Naturpark Cabo de Gata-Níjar in Andalusien ist ein Ziel für Naturfreunde
Menschenleere Strände, erstarrte Lava, die weiß glänzend die Küste säumt und karge Landschaft, die zum Träumen einlädt: Der Naturpark in Andalusien ist ein unentdecktes Paradies.
Von Karin Kura
Die Playa del Barronal ist gerade in der Nebensaison menschenleer.
(Foto: Karin Kura)
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Spektakulär ist diese 30 Kilometer lange Steilküste: Wild, felsig, und voller versteckter Badebuchten. Sandig und naturbelassen. Bloß der Anfang, der ist ein Rausschmeißer: Ein Meer aus weißen Plastikplanen sieht man als Erstes beim Landeanflug auf Almería. „El mar de plástico“, das Plastikmeer, so nennen Einheimische diese Landschaft nicht ohne Stolz. Schließlich lebt die Region davon, in den Treibhäusern reifen Tomaten, Paprika und Gurken. Für uns Europäer im Norden, damit wir auch im Winter Gemüse essen können. Dieser südöstlichste Winkel Spaniens rangiert ganz oben auf der Liste der sonnigsten und regenärmsten Flecken in Europa.
Durch’s Gemüse muss man durch. Aber dann – größer könnte der Kontrast nicht sein: Dann liegt dahinter eine wilde, zerklüftete Küste mit kleinen Sandstränden. Einer davon ist die Playa de Los Genoveses. Dieser Strand liegt hinter San José, dem Hauptort im Naturpark Cabo de Gata-Níjar. Los Genoveses beschreibt einen weiten Bogen und zählt zu den wenigen größeren Buchten der Küste. Die Sonne glitzert auf dem blauen und türkisfarbenen Meer, eine sanfte Brise streichelt die Haut. Und Cabo de Gata lässt sich kaum toppen.
Felsen markieren das Ende der Bucht von Los Genoveses, weiß leuchtet erstarrte Lava. Aus Vulkangestein besteht die Bergkette Sierra del Cabo de Gata, sie bildet das Herzstück des Naturparks. Beim lockeren Strand-Hopping entdeckt man die Küste. Los geht’s über dunkle, vom Salzwasser zerfressene Felszungen, die ins Meer hineinreichen. Man balanciert auf dem feuchten Gestein, immer kurz bevor die nächste Welle anrollt. Es folgt eine ganze Reihe von Mini-Buchten. Turmhohe Basaltklippen ragen in die Höhe, dann einzelne zackige Gebilde, wie frisch vom Vulkan ausgespuckt.
Die Playa del Barronal ist gerade in der Nebensaison menschenleer. Foto: Karin Kura
Annika Jung und Martin Stegmann leben mitten im Naturpark Cabo de Gata-Níjar. Foto: Karin Kura
Die Bergwerkslandschaft um Rodalquilar erstrahlt in Rottönen. Foto: Karin Kura
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Das Strand-Hopping ist ein bisschen Glückssache, denn hin und wieder verschwinden die hübschen Strände einfach, werden vom Meer weggespült. Sie formen sich aber immer wieder neu, denn über das unverbaute Hinterland holt sich Mutter Natur ihren Sand-Nachschub.
Davon gibt es reichlich an der Playa del Mónsul. Es ist der bekannteste Strand im Naturpark. Am Rande der Bucht thront eine hohe Düne, am Fuße liegt ein Steinkoloss. Ein von Sonne und Salz gebleichter Holzstamm verlockt dazu, sich hinzusetzen, aufs Meer zu schauen und einfach den dunkelsandigen Strand auf sich wirken zu lassen.
Schon erstaunlich, dass es solch unberührte Strände überhaupt noch gibt, ist doch die spanische Mittelmeerküste größtenteils mit Hotelanlagen und Apartmentsiedlungen gut bestückt. Aber dieses kleine Stück Natur in der Provinz Almería, zwischen Málaga und Alicante, kann sich behaupten. Es wurde 1987 zum Naturpark erklärt. Gleichwohl herrscht nicht nur eitel Sonnenschein, immer wieder gibt es Begehrlichkeiten, wird Druck auf den Naturpark ausgeübt. Sei es von touristischer Seite, dass Grundeigentümer profitable Apartmentanlagen bauen möchten, oder von landwirtschaftlicher Seite: Da gibt es den wachsenden Flächen- und Wasserbedarf der Gewächshäuser.
INFORMATIONEN
Anreise: Almería ist das nächstgelegene Flugziel. Dorthin gelangt man ab Frankfurt (immer über Madrid) mit Iberia, www.iberia.com. Weitere Flughäfen sind Málaga und Alicante. Einen Mietwagen braucht man unbedingt, der öffentliche Nahverkehr bietet kaum Verbindungen.
Übernachten: Z. B. in den Gästezimmern von Annika Jung und Martin Stegmann: „El Campillo“, Doppelzimmer ab 50 Euro, bei Alleinnutzung 40 Euro, www.elcampillo.info
Geologische Spaziergänge: etwa durch die Bergwerkslandschaft rund um Rodalquilar sowie naturkundliche Führungen im Naturpark Cabo de Gata-Níjar bietet der kleine Veranstalter Geogata an. Die Führungen gibt es in spanischer und englischer Sprache, www.geogata.com.
Beste Reisezeit: Im Sommer ist sehr viel los, und es ist heiß, daher ist diese Zeit wenig empfehlenswert. Die Saison dauert ungefähr von Mitte Juni bis September. Mai bis Mitte Juni ist eine gute Reisezeit, dann ist es nicht zu heiß. Auch ab Ende September bis in den November hinein ist die Region angenehm zu bereisen. Im Winter kann es kühl bis kalt und unbeständig sein, da kann das Thermometer zwischen 8 und 18 Grad schwanken.
Auskunft: www.spain.info/de. Näheres zu Andalusien, www.andalucia.org/de.
Die höchste Erhebung der Steilküste von Cabo de Gata zählt knapp 500 Meter. Auf einigen der steinigen Hügel befinden sich Türme in Sichtweite zueinander. Sie waren früher wichtig, um vor Piraten-Attacken zu warnen. Solch ein alter Turm ziert auch die kleine Bucht San Pedro, die eine Stunde Fußmarsch von Las Negras entfernt liegt. San Pedro ist bekannt als Hippie-Domizil und nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichbar. Ein paar wenige Aussteiger leben hier das ganze Jahr über, in kreativ zusammengezimmerten Häuschen. Im Sommer kommen Urlauber von Las Negras aus mit Booten zur hübschen Cala de San Pedro, um hier zu baden. Manche kaufen den Hippies Schmuck ab.
Früher lebten Fischer in San Pedro, doch sie gaben die abgelegene Bucht irgendwann auf und ließen sich in Las Negras nieder. Im Kontrast zum eher dunklen Strand leuchten dort die Häuser strahlend weiß in der für die Küstendörfer typischen Schachtelform. Und Las Negras ist, neben San José, einer der wenigen Orte, die im Winter nicht wie ausgestorben wirken. Denn Cabo de Gata kennt im Grunde nur eine Saison: den Sommer. Dann brummt der Tourismus, an den Stränden Playa del Mónsul oder Los Genoveses herrscht Gedränge. Ein Trubel, den man sich in der Nebensaison überhaupt nicht vorstellen kann. Dann sind die Strände leer.
Vor dem Tourismus waren Fischfang und Bergbau die wichtigsten Einnahmequellen. Auch Gold schürfte man, rund um Rodalquilar. Das liegt wenige Kilometer von der Küste entfernt. Einst arbeiteten hier über tausend Menschen, bis in den 60er-Jahren die Minen aufgegeben wurden. Heute ist Rodalquilar ein verschlafenes Dorf. Spuren des einstigen Goldrauschs sieht man noch, etwa die großen Wasser-Becken und Fördertürme.
Ein Rundwanderweg um Rodalquilar führt durch diese bizarre Bergwerkslandschaft, vorbei an alten Stolleneingängen und Höhlen. Zum Sonnenuntergang breitet sich dort ein wunderschöner Farbzauber aus, dann leuchtet der aufgebrochene Berg. Sein innerstes Gestein wird zum Leben erweckt, rot wie eine Wunde.
Weiter landeinwärts, hinter Rodalquilar, schließt sich eine weite Ebene an. Dort leben Annika Jung und Martin Stegmann – mitten im Naturpark, in einer wüstenähnlichen Landschaft aus Stein, Staub und Sand. Vor über 20 Jahren zogen die beiden von Deutschland nach Cabo de Gata. Dabei war Martin die treibende Kraft. Ihn zog die Landschaft magisch an. Seine Leidenschaft für karge Gegenden war zuvor in der Sahara entflammt. Als er den Job hatte, Autos von Tunesien in den Tschad zu überführen. Schnell fand er heraus: „Die Wüste, das ist einfach meins.“
Das Paar wohnt in einem Cortijo, einem alten Landgut, wenige Kilometer vom kleinen Ort Los Albaricoques. Nur eine holprige, staubige Piste führt dorthin. Zur Familie gehören vier Söhne, zwei Esel, zwei Hunde, eine Hühnerschar sowie eine Katze. Und es gibt ein paar Gästezimmer. Um die zwei weißen Häuser des Cortijos stehen einzelne Olivenbäume, ein kleiner Kakteen-Garten und etliche hochgewachsene Agaven.
Morgens wird man von Vögeln geweckt. Ein vorsichtiges Gepiepse und Gesinge. Es hört sich viel sanfter an als zu Hause. Klar, hier müssen keine Autos übertönt werden. Bloß die Stille. Die gefiederten Tiere sind so klein, dass man sie kaum erkennt. Sie flattern von Busch zu Busch. Letztere sind fast alle kugelrund und bieten prima Verstecke. Für Wüstengimpel und Dupontlerchen, hinzukommen noch zahlreiche Wintergäste aus dem Norden. Cabo de Gata ist ein Paradies für kleine Tiere.
Und ein Ziel für Natur liebende Menschen, die sich am Geschmack von Staub auf der Zunge nicht stören. Beim Spaziergang rund um das Cortijo gibt es kunstvoll geschwungene, üppige Gräser auf rotbrauner Erde zu entdecken. Leise rascheln Palmitos, die Zwerg-Palmen, im Wind. Der Reiz dieser Landschaft erschließt sich nicht unbedingt sofort. So jedenfalls erlebte es Annika, die zunächst wegen ihrer Liebe zu Martin mit nach Andalusien ging. Anfangs war sie wenig begeistert: „Ich war entsetzt von der Kargheit dieser Gegend, von der Sommerhitze im August, den überfüllten Stränden“, erzählt die ausgebildete Lehrerin für Deutsch und Kunst. Doch irgendwann hat es gefunkt. „Es hat mich beinahe umgehauen, die Schönheit in der Kargheit zu entdecken. Eine diskrete, ja minimalistische Vielfalt. Cabo de Gata, das war für mich Liebe auf den zweiten Blick“, gesteht sie.