Freitag,
18.12.2015 - 09:00
5 min
Gästehaus statt Hotel: Authentisch übernachten in Indien
Von Anna Tillmann

Familie Rathore vermietet in ihrem Haus Zimmer an Gäste aus aller Welt. Foto: Ikaki Niwas ( Foto: Ikaki Niwas)
Devika fastet. Sie macht das, weil sie glaubt, damit Einfluss auf das Wohlbefinden ihres Ehemannes zu nehmen – und weil Vollmond ist. Jaideo Rathore ist gerade beruflich in den USA. Drei Wochen wird er dort bleiben. Sie vermisst ihn und hofft, dass er gesund wieder zu Hause ankommt. Deshalb kocht sie mit Unterstützung von Schwiegereltern und Schwägerin zwar für uns, die Gäste aus Deutschland, lässt aber von Papad Curry, Buttered Chicken, knusprig gebackenem Hüttenkäse, saftigem Chapati und dem klebrig-süßen Halva an diesem Abend die Finger.
Devika Rathore ist 28 und seit sechs Jahren mit ihrem Mann Jaideo verheiratet. Die beiden haben einen elf Monate alten Sohn und leben in Jaipur. Wie es Jaideo wollte, ist Devika nach der Hochzeit ins Haus ihrer Schwiegereltern eingezogen. In diesem Haus mitten in einer der geschichtsträchtigsten und bei Touristen sehr beliebten Städte Indiens vermieten sie Gästezimmer an Besucher aus aller Welt. Wer möchte, kann auch nur ein Abendessen oder einen Kochkurs buchen. Dann stehen Devika oder ihre Schwägerin Chandrika in ihren bunten Saris am Herd und weihen ihre Zuschauer in die Geheimnisse der indischen Küche ein.
Eines dieser Geheimnisse, zumindest im Hause Rathore, lautet: Frische. Alle Zutaten kommen aus Rajasthan, dem kunterbunten und lauten Bundesstaat im Norden Indiens. In einem Dorf nahe Jaipur baut Devikas Vater die Zwiebeln und den Knoblauch an, die auf der Dachterrasse des kleinen Anwesens mit Namen Ikaki Niwas auf den Tisch kommen. Senf, Koriander, Chili, Kartoffeln, Blumenkohl, Bohnen und vieles mehr werden auf den Feldern ihrer neuen Familie angebaut. Der Familie ihres Mannes Jaideo, dessen Portrait im Treppenhaus hängt.
Auf dem Porträtbild lacht er freundlich in die Kamera. Er ist gut gebaut und schick gekleidet, könnte auch ein Schauspieler sein, so wie er aussieht. Ich erkenne eine gewisse Ähnlichkeit zu Bollywood-Star Shah Rukh Khan – freilich ohne dessen Hakennase. Kinostar hin oder her: Man könnte durchaus sagen, dass Devika da einen guten Fang gelandet hat. Sie freut sich, als ich ihr das sage.
Allein: Devika hat ihren Mann nicht wegen seines Aussehens geheiratet. Sie traf Jaideo zum ersten Mal bei der gemeinsamen Hochzeit. Dass die beiden ein Paar sind, liegt daran, dass ihre Eltern sie einander versprochen haben. Was für mich unvorstellbar klingt, ist für Devika ganz normal. „Wir befragen das Horoskop, um den richtigen Partner zu finden“, sagt sie.
INFORMATION
Anreise: Lufthansa und Air India fliegen von Frankfurt aus nonstop nach Delhi. Tickets ab ca. 600 Euro hin und zurück. Von dort dauert der Weiterflug nach Jaipur ca. 1 Stunde (ab 50 Euro).
Unterkunft: Ikaki Niwas, Shanti Path, Jaipur, ab 50 Euro, Zimmer können über Airbnb oder direkt über die Homepage von Ikaki Niwas gebucht werden, www.ikaki.in.
Kochkurse: Auf Anfrage, information@ikaki.in
CMT: Indien ist Partnerland der Reisemesse CMT, die vom 16. bis 24. Januar in Stuttgart stattfindet. Weitere Infos unter www.messe-stuttgart.de
Weitere Informationen: incredibleindia.org/ lang/de
Rezept: Papad Curry (für 2 Personen)
Zutaten: 250 g Papadam-Brot (ein sehr dünner, frittierter Fladen aus Linsenmehl, in Feinkostläden oder im indischen Supermarkt erhältlich), ½ TL Kurkuma, 1 TL rotes Chilipulver, 1 TL Salz, 1 TL Koriander, 6 TL Naturjogurt, 3 TL Senföl, 120 ml Wasser, 1 große Zwiebel, fein gehackt, ¼ TL Kreuzkümmel.
Zubereitung: Senföl in einer Pfanne erhitzen, bis heißer Dampf entsteht. Fein gehackte Zwiebel und Kreuzkümmel hinzugeben und anbraten, bis die Zwiebeln braun werden. Chili, Kurkuma und Koriander mit dem Jogurt vermischen und Paste ebenfalls in die Pfanne geben. So lange braten, bis sich auf der Paste kleine Ölbläschen bilden. Papadam zugeben und so lange rühren, bis das Brot von allen Seiten die Gewürzpaste aufgesaugt hat. Wasser hinzugeben und ca. fünf Minuten lang offen köcheln lassen. Mit frischem Koriander heiß servieren. Dazu passen Fladenbrot oder Kartoffeln.
Unterkunft: Ikaki Niwas, Shanti Path, Jaipur, ab 50 Euro, Zimmer können über Airbnb oder direkt über die Homepage von Ikaki Niwas gebucht werden, www.ikaki.in.
Kochkurse: Auf Anfrage, information@ikaki.in
CMT: Indien ist Partnerland der Reisemesse CMT, die vom 16. bis 24. Januar in Stuttgart stattfindet. Weitere Infos unter www.messe-stuttgart.de
Weitere Informationen: incredibleindia.org/ lang/de
Rezept: Papad Curry (für 2 Personen)
Zutaten: 250 g Papadam-Brot (ein sehr dünner, frittierter Fladen aus Linsenmehl, in Feinkostläden oder im indischen Supermarkt erhältlich), ½ TL Kurkuma, 1 TL rotes Chilipulver, 1 TL Salz, 1 TL Koriander, 6 TL Naturjogurt, 3 TL Senföl, 120 ml Wasser, 1 große Zwiebel, fein gehackt, ¼ TL Kreuzkümmel.
Zubereitung: Senföl in einer Pfanne erhitzen, bis heißer Dampf entsteht. Fein gehackte Zwiebel und Kreuzkümmel hinzugeben und anbraten, bis die Zwiebeln braun werden. Chili, Kurkuma und Koriander mit dem Jogurt vermischen und Paste ebenfalls in die Pfanne geben. So lange braten, bis sich auf der Paste kleine Ölbläschen bilden. Papadam zugeben und so lange rühren, bis das Brot von allen Seiten die Gewürzpaste aufgesaugt hat. Wasser hinzugeben und ca. fünf Minuten lang offen köcheln lassen. Mit frischem Koriander heiß servieren. Dazu passen Fladenbrot oder Kartoffeln.
Jaideo und Devika vermieten im Ikaki Niwas zwölf Zimmer unter anderem über die Internetplattform Airbnb. Sie haben Emailadressen und Smartphones – was trotz anders lautender Klischees noch lange nicht auf alle Inder zutrifft. Sie wohnen in einer der besseren Gegenden von Jaipur und sie gehören zweifellos zu einer aufstrebenden, gut gebildeten indischen Mittelschicht. Einer ständig wachsenden Mittelschicht, die sich zunehmend am Westen orientiert. Doch auch in dieser Mittelschicht ist die Liebeshochzeit noch ein weitgehend unbekanntes Konzept. Stattdessen entscheiden die Sterne über eine gemeinsame Zukunft.
Aber was, wenn man jemanden heiratet und dann feststellt, dass es nicht passt? Devika lacht, als ich ihr diese Frage stelle, so absurd klingt sie für sie. „Ich hätte einfach wieder zu meiner Familie zurückgehen können“, sagt sie. Einfach so? Ja, versichert sie, für ihre Familie wäre das kein Problem gewesen. Im Gegenzug will sie von mir wissen, wie das bei uns ist mit der Partnerwahl und der Familienplanung. Denn sie weiß, dass wir unsere Partner selbst wählen, aber sie kann sich nicht vorstellen, wie das ist.
Devika und Jaideo nahmen sich drei Jahre Zeit, um sich kennenzulernen. Dann erst entschieden sie sich, ein Kind zu bekommen. Der Erstgeborene ist jetzt 11 Monate alt. Ein zweites Kind soll folgen. Aber vielleicht erst in ein paar Jahren.
Die Hochzeit selbst dauerte sieben Tage. „Danach konnten wir nicht mehr“, erzählt Devika und lacht. 2 500 Gäste waren zum Höhepunkt der Feierlichkeiten, der Hochzeitszeremonie anwesend. „Wenn wir Hochzeit feiern, dann richtig. Inder machen nur Schulden, wenn die Tochter heiratet oder wenn sie ein Haus kaufen.“
Sie und ihr Mann müssen kein Haus mehr kaufen. Jaideo wird das Haus seiner Eltern irgendwann einmal übernehmen – und mit ihm die Zimmervermietung an Touristen. Ein gut laufendes Unternehmen.
Unterkünfte bei Privatpersonen sind weltweit im Kommen – auch in Jaipur, der weltbekannten „rosafarbenen“ Stadt, die auf einer der touristischen Hauptrouten Indiens im sogenannten Goldenen Dreieck liegt. Zum berühmten Palast der Winde, sind es von Ikaki Niwas aus nur wenige Kilometer. Auch der Seepalast Jal Mahal, das imposante Amber Fort, das Observatorium Jantar Mantar und die laute, hektische Altstadt sind von hier schnell zu erreichen – so schnell, wie es der immer dichte, chaotische indische Verkehr eben zulässt.
Dass sie einmal im Tourismus arbeiten würde, hätte Devika nicht gedacht. Sie, die noch nie aus Indien herausgekommen ist. Aber jetzt, wo sie Tag für Tag Menschen aus anderen Kulturkreisen kennenlernt, wächst ihr Wunsch, selbst zu verreisen. Sie träumt von einem mehrwöchigen Urlaub in Europa. „Das wäre für mich richtig exotisch“, sagt sie, „aber ich will, dass mein Sohn groß genug ist, um auch etwas von der Reise zu haben.“
Als Jaideos Schwester Chandrika den Nachtisch zubereitet, fällt der Strom aus. Mitten in der Kochvorführung wird es auf der Terrasse dunkel. Auch in den umliegenden Häusern ist das Licht ausgegangen. Nur der Mond spendet noch Licht. Zum Glück ist es ein Vollmond.
„Macht nichts“, sagt Devika und holt schnell ein paar Kerzen aus einer Schublade. An Stromausfälle sind sie gewöhnt, die stehen in Indien an der Tagesordnung. „Im Dunkeln schmeckt man mehr vom Essen“, fügt die Hausherrin hinzu.