Der Strand, an dem Dubais touristische Karriere begann: Jumeirah Beach mit dem Stelzenhaus des „Pierchic"-Restaurants. Foto: Helge Sobik
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Eine halbe Stunde nach Einbruch der Dunkelheit sind nur noch die Träumer am Strand. Die, die im Stillen auf einer Liege oder im warmen Sand sitzen, auf den hellen Mond schauen, auf die Sterne warten – und darauf, dass das Burj al-Arab in 400 Metern Entfernung im Minutentakt die Farbe der beleuchteten Teflonfassade wechselt.
Ein Vater hockt an diesem Abend auf den Knien neben seinem kleinen Sohn ganz vorne im Sand, nur haarscharf außerhalb der Reichweite der sanften Wellen des Persischen Golfs. Sie bauen Türme aus Sand, inspiriert von der Umgebung. Verziert mit Steinchen und Muschelschalen. Der Kleine arbeitet nun bei Dunkelheit weiter. Bis Papa in irgendeiner Sprache doch noch „Feierabend“ ruft und den zufriedenen kleinen Baumeister schließlich Richtung Hotelzimmer geleitet.
Es ist der Strand, an dem alles begann. Der Strand, an dem das erste Küstenhotel Dubais stand. „Chicago Beach“ hieß es und es war anfangs vor allem Quartier für Zugereiste, die mit der Offshore-Ölindustrie zu tun hatten. Es lag damals noch etwa 20 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums im Nichts. Die letzten 200 Meter Wüste bis zum Saum der Wellen nannten die Fremden „Strand“. Sie lobten ihn als schön und lang und sauber. Für die Einheimischen blieb es die Wüste: Die Gegend, in der sie leben. Die, aus der sie kommen.
Der Strand, an dem Dubais touristische Karriere begann: Jumeirah Beach mit dem Stelzenhaus des „Pierchic"-Restaurants. Foto: Helge Sobik Foto: Helge Sobik
Amna Hassan al-Jallaf aus Dubai macht sich zwar nichts aus Baden, geht aber mit Freunden zum Picknicken an den Jumeirah Beach. Foto: Helge Sobik Foto: Helge Sobik
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Die Leute hier erzählen sich eine Geschichte, wonach die Karriere des Emirates als Urlaubsland mit einer Zufallsbegegnung begann. Scheich Mohammed bin Rashid, einer der Söhne des damaligen Herrschers, fuhr demnach mit seinem Geländewagen an diesem Strand spazieren und sah in der Ferne einen Mann und eine Frau mit ihrem Kind. Sie wollten gerade im Golf schwimmen gehen, als der Herrschersohn seinen Landrover stoppte und sie fragte, woher sie kommen und wie es ihnen hier in seiner Heimat gefiele. Aus Deutschland seien sie, gekommen um Urlaub zu machen – wegen der herrlichen Sonne und sogar der Hitze. Sie seien hier, weil keine Wolken am Himmel sind. Weil der Strand so schön sei, das Meer flach abfällt und mit 27 Grad Wassertemperatur herrlich warm ist. Und weil Dubai von ihrem Zuhause nur fünfeinhalb Flugstunden entfernt sei. Sie schwärmten dem fassungslosen Herrschersohn in einer Weise von seiner Heimat vor, in der er sie nie gesehen hatte.
INFORMATIONEN
Anreise: Flug von Frankfurt, Düsseldorf nonstop mit Emirates ab 450 Euro.
Unterkunft: Doppelzimmer im Strandhotel Mina A’Salam ab 274 Euro, im Jumeirah Beach Hotel ab 298 Euro pro Nacht, beide www.jumeirah.com, im Rahmen von Pauschalreisepaketen auch darunter möglich.
Auskunft: Dubai Department of Tourism, Bockenheimer Landstraße 23, 60325 Frankfurt, 0 69 - 7 10 00 20, www.dubaitourism.ae.
Die Einheimischen gingen allenfalls lange nach Einbruch der Dunkelheit an den Strand: Um ein Feuerchen zu machen, zusammen zu singen, zu plaudern. Das Meer war für sie eine Fläche, auf der Schiffe fuhren, aber es war keine Badewanne.
Heute ist derselbe Mohammed bin-Rashid al Maktoum Herrscher von Dubai. Und heute gibt es knapp 95 000 Hotelzimmer und -appartements hier, sowie Hunderte tägliche Flüge in alle Himmelsrichtungen. Und noch immer ist Jumeirah Beach der schönste Strand dieses Emirates.
Das „Chicago Beach Hotel“ wurde schon 2001 abgerissen und durch das erheblich größere „Jumeirah Beach Hotel“ ersetzt. Wenig später folgte das „Burj al-Arab“, 2004 dann der „Madinat Jumeirah“-Komplex – wiederum direkt an diesem Strand. Betreiber ist jeweils die Hotelgruppe Jumeirah, deren Name auf jenen Strand abhebt – und an der die Herrscherfamilie 99,67 Prozent der Anteile hält.
Spät in der Nacht ist es so still wie früher. Nur das Rauschen des Meeres ist zu hören. Und gegen Morgen der eine oder andere Schrei eines Seevogels. Für die Sauberkeit des Sandes sind 53 Mitarbeiter zuständig. Die erste Schicht beginnt bereits bei Dunkelheit und entfernt Algen und Treibgut. Ebenfalls noch bevor die Sonne den Horizont für Momente in milchig-rotes Licht tunkt, sind schon die ersten Jogger unterwegs. Nur Minuten später beziehen die Rettungsschwimmer in ihren rot-weißen Uniformen ihre 44 Hochsitze auf zwei Küstenkilometern Hotelstrand.
Aus den Boxen einer Beachbar schallt Ravels „Bolero“, und schnell herrscht Betrieb. Kinder planschen im Wasser, Erwachsene werfen sich Bälle zu, Badenixen schwimmen ihre Runden. Und Matt Lotter schaut in entspannte Mienen. Der Bademeister aus Kapstadt ist Boss am Beach und zuständig dafür, dass jeder mit einem zufriedenen Gesicht vom Strand in die Hotels zurückkehrt. Was ihm selbst am besten gefällt? „Der Morgen am Strand. Der Winter, wenn es in der Frühe noch frisch ist und tagsüber wieder warm wird. Der Morgenkaffee mit Blick auf den Golf.“
Am Nachmittag ist da plötzlich der alte Chinese in Badehose, der allen in seiner Umgebung aufzufallen scheint: Weil er anders aussieht als die anderen. Seine Badehose mag vor ein paar Jahrzehnten mal modern gewesen sein. Unbekümmert stürzt sich der Mann mit dem Konfuzius-Bärtchen ins Wasser, schwimmt wie ein Fisch, braucht sich kaum zu bewegen, um dennoch allen anderen in größter Eleganz davonzueilen und plötzlich so sehr dazuzugehören wie all die übrigen. Es sind Deutsche, Engländer, Russen, Latinos, Asiaten, wenige Araber. Jeder hat über die Kulturgrenzen hinweg ein paar Urlaubstage lang dieselbe Freude am warmen Wasser, am Strand, auch an den Cocktails. Im Urlaub und in den Sehnsüchten sind fast alle gleich – jene jedenfalls, die es sich leisten können, hier zu sein.
Amna Hassan al-Jallaf arbeitet in Madinat Jumeirah. Wenn sie sich nach Feierabend mit Freunden trifft, dann gehen sie gemeinsam an den Strand. Nicht an diesen Abschnitt, sondern an einen öffentlichen, der nicht bewirtschaftet wird und sich nördlich anschließt. „Wir sind es gewohnt, im Sand zu sitzen. Es gehört zu unserer Kultur“, erzählt sie und zupft ihren schwarzen Schleier zurecht. Sie breiten ein großes Stück Stoff aus und picknicken gemeinsam bis tief in die Nacht. Neu ist, dass sie zwischendurch immer wieder Whats-App-Nachrichten in ihre Smartphones tippen. Was das Baden angeht, ist alles wie immer. Sie machen sich nichts daraus und überlassen es den Fremden von weither ein paar hundert Meter entfernt. Dort, wo einst das „Chicago Beach“ stand.