St. Lucia: Kreolische Charme auf der Antillen-Insel
Von Marc Vorsatz
Blick aus der fensterlosen Suite des Luxus-Hotels Jade Mountain auf die Vulkane Gros und Petit Piton, das Wahrzeichen der Antillen-Insel St. Lucia. Foto: Marc Vorsatz
( Foto: Marc Vorsatz)
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Es gibt wohl kaum ein anderes Land auf dieser Welt, das seine Wahrzeichen so perfekt versteckt – zur Hälfte jedenfalls“, sagt Spicy D. und lacht. „Und dann auch noch die schönere Hälfte, die voller Leben und Energie!“ Der drahtige Rastafari muss es wohl wissen. Seit 40 Jahren taucht er nun schon am Gros und am Petit Piton, an den wohl markantesten Vulkankegeln der ganzen Antillen. Lautlos schwebt er über steil abfallende Korallengärten ins tiefe Blau, mitten durch exotische Fischschwärme, immer auf der Suche nach einer neuen unterseeischen heißen Quelle. Da wärmt er sich dann auf, tankt Energie und meditiert.
Willkommen auf Saint Lucia, Kleine Antillen, Karibik. In einer der lebenslustigsten Gegenden der Welt. In einem kreolischen Mikrokosmos, in dem das Klischee vom Bacardi-Feeling an jeder Ecke spürbar und greifbar ist. Jedenfalls überall dort, wo sich die Nachfahren der afrikanischen Sklaven zusammenfinden zum „Liming“ – zum süßen Nichtstun, möglichst mehrfach die Woche. Und zum „Wining“ – einem lasziven Tanz, bei dem sich Frau und Mann synchron nach den Bass-Beats von jamaikanischem Dancehall und Reggaeton sowie trinidadischem Soca winden. Meist passiert das einmal pro Woche am sogenannten Hot Friday im Norden bei Gros Islet.
Sonst geht es jedoch recht ruhig zu auf Saint Lucia. Unter der Woche sucht man Veranstaltungen vergebens, wenn nicht grade der Karneval im Juli oder das legendäre Saint Lucia Jazz-&-Art-Festival zugange sind, das Anfang Mai sein 25-jähriges Bestehen feiert. Das Event gilt als bedeutendstes seiner Art in der Karibik.
Blick aus der fensterlosen Suite des Luxus-Hotels Jade Mountain auf die Vulkane Gros und Petit Piton, das Wahrzeichen der Antillen-Insel St. Lucia. Foto: Marc Vorsatz Foto: Marc Vorsatz
Ein Paradies nicht nur für Taucher: Die Korallengärten sind das Zuhause von etlichen Meeresbewohnern. Foto: Marc Vorsatz Foto: Marc Vorsatz
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Der Massentourismus der großen Pauschalreiseveranstalter ist an der lieblichen Antillen-Insel vorbeigezogen. Mit ihm auch die negativen sozioökonomischen Folgen, Stichworte Landflucht und Lover-Boys. Besonders der dünn besiedelte Süden von Saint Lucia überzeugt durch eine Vulkanlandschaft, die ihresgleichen sucht auf den Kleinen und Großen Antillen.
Das sah auch die Unesco so. Sie nahm den geothermischen Vulkankomplex mit seinem Regenwald und den Fumarolen, den heißen Quellen über und unter Wasser und den üppigen Korallengärten rund um die beiden Vulkankegel Gros und Petit Piton im Jahre 2004 in ihre Weltnaturerbe-Liste auf. 148 Pflanzenarten haben die 770 und 743 Meter hohen Vulkankegelfragmente in ein grünes Kleid gehüllt. 27 Vogelarten leben an den Hängen, fünf Spezies sind endemisch. Die Wahrscheinlichkeit, dass einem Wanderer auf dem Rain-Forest-Walk einmal ein putziges Opossum über den Weg läuft, ist recht groß.
Pauschal reisen: Eine Woche im 4-Sterne-Hotel Coco Palm, Gartenblick, inklusive Frühstück und Flug bei der Tui ab 1 504 Euro. www.tui.com
Der besondere Tipp: Antillen à la carte – Die Privatreise „Traumhafte Karibik: Barbados, St. Lucia & Grenada“ präsentiert die Highlights der drei Antillen-Inseln. 16 Tage inklusive Flüge, deutschsprachige Reiseleitung, Segeltörn Saint Lucia, gehobene Unterkünfte, Verpflegung ab 5 580 Euro bei Geoplan Privatreisen, 030-34 64 98 10, www.geoplan.net.
Reiselektüre: Wer sich Saint Lucia literarisch annähern möchte, dem sei der Gedichtsband „Weiße Reiher“ des Literaturnobelpreisträgers Derek Walcott empfohlen. Der Autor wurde dafür mit dem T.S.-Eliot-Preis für Lyrik geehrt. Hanser Verlag, 1. Aufl. 2012, München, 17,90 Euro, www.hanser.de.
Veranstaltungen: Saint Lucia Jazz & Arts Festival: 5.–14. Mai 2017, www.stluciajazz.org; Saint Lucian Carnival: www.stluciancarnival.com.
Tauchbasis Scuba St. Lucia: www.scubastlucia.com.
Doch was ist das Leben an Land im Vergleich mit dem Biotop an den unterseeischen Hängen der Pitons? Allein 168 verschiedene Fischsorten bevölkern die Jalousie Bay, von Winzlings-Clownfischen bis zu majestätischen Rochen. Anders als an Land wird der Mensch im Wasser kaum als Gefahr wahrgenommen. Er kann sich meist bis auf Armlänge annähern. Die Korallengärten sind ein einziger Rausch an Form und Farbe. Sie sind das Zuhause von Krebsen, Krabben, Muscheln, Würmern, Quallen und Schwämmen, die wiederum das Meeresbiotop noch faszinierender erscheinen lassen. Doch dieser Teil des Weltnaturerbes ist gänzlich den Tauchern vorbehalten.
Sie starten meist an der benachbarten Tauchbasis Scuba St. Lucia, die zu den beiden Hotelanlagen des blaublütigen russisch-kanadischen Architekten Nick Troubetzkoy gehört. Sowohl im „Anse Chastanet“ als auch im „Jade Mountain Resort“ verzichtete dieser auf die vierte Wand der mondänen Suiten und Bungalows, sodass man praktisch in der tropischen Natur mit freiem Blick auf die majestätischen Pitons residiert und es durchaus vorkommen kann, dass ein Papagei übers Himmelbett flattert. Es liegt wohl in den Genen der Troubetzkoys, die Welt ein bisschen lebenswerter machen zu wollen. Das russisch-polnische Adelshaus brachte im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Feldherren, Diplomaten, Philosophen und Künstler hervor. Ein direkter Vorfahre Nicks, der Freimaurer und Fürst Sergei Troubetzkoy, war der Führer des gescheiterten Dekabristenaufstandes von 1825 in St. Petersburg. Nach 30 Jahren Verbannung und einem Neuanfang in Kanada prägt der russische Adel nunmehr auch Saint Lucia.
Am Abend dreht sich hier das gediegene Publikum – mehr oder weniger geschmeidig – zu weich gespülten Calypso-Rhythmen einer lokalen Steel-Pan-Band. Überhaupt ist der starke kulturelle Einfluss der Nachbarn Trinidad, Barbados und Jamaika unverkennbar.
Weitaus wilder geht es dagegen im Norden bei der Hot-Friday-Party in Gros Islet zu. So blumig wie in den meisten Werbebroschüren beschrieben läuft die allwöchentliche Vergnügung allerdings nicht ab. Die Luft ist geschwängert von Gerüchen nach gegrilltem Hühnchen und Fisch, Rum-Fusel und Marihuana, was einem mitunter selbst unter freiem Himmel die Luft zum Atmen nehmen kann. Hier trifft sich das einfache Volk, zelebriert die ungehemmte Lust am Leben.
Spicy D. wird spätestens am Sonntag wieder seine Erbauung finden. An den beiden Pitons. 40 Meter unter Wasser, eine andere heiße Quelle im Visier. Also genau am „Busen der Karibik“, wie sich der berühmteste Sohn von Saint Lucia, der Literaturnobelpreisträger Derek Walcott, einst auszudrücken pflegte.